Kapitel 15

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„Ich fasse es nicht, dass Sie doch tatsächlich unseren Deal vergessen haben!", höre ich sie nun schon zum dritten Mal hinter mir meckern, seit wir uns auf dem Weg zu ihrer dämlichen Fotoagentur befinden. 

„Und ich fasse es nicht, dass Sie doch tatsächlich zu spät zu unserem allerersten Meeting gekommen sind!", pfeffere ich ihr wütend entgegen und versuche dabei zu verdrängen, dass sie dafür einen guten Grund hatte. Ich erwarte bereits, dass sie mir genau diesen Grund unter die Nase reibt, doch stattdessen höre ich bloß ein angestrengtes Ächzen hinter mir, das ich allerdings seelenruhig ignoriere, indem ich einfach stur nach vorne gerichtet weiterlaufe. Je schneller ich nämlich in dieser blöden Agentur ankomme, desto früher kann ich hoffentlich auch wieder gehen.

„Der größte Gentleman sind Sie ja nicht unbedingt oder?", höre ich sie schnaubend sagen. 

Da ich mal wieder absolut keine Ahnung habe, was diese Frau meint, schafft sie es tatsächlich, mich mit ihrer Frage zum Stehen zu bringen. Genervt drehe ich mich nach hinten zu ihr um und will sie gerade fragen, was zur Hölle sie schon wieder meint, allerdings reicht ihr bemitleidenswerter Anblick absolut aus, um mich aufzuklären. Umständlich schleppt sie drei dicke Mappen voller Skizzen und Notizzettel sowie einer gedruckten Fassung des über 400 Seiten langen Manuskripts vor sich hin und scheint aufgrund ihrer geringen Körpergröße nicht einmal ordentlich geradeaus schauen zu können. Ich befürchte fast, sie könnte jeden Moment auf die Nase fliegen. Genau wie vor zwei Tagen als ich sie das erste Mal gesehen habe. Auf dem Boden. Mit einer Menge unfreiwillig auf dem Boden verteilten Flyern. 

Ich muss die Lippen fest zusammenpressen, um bei dieser Erinnerung gepaart mit ihrem jetzigen trostlosen Zustand nicht auf der Stelle in einen hysterischen Lachkrampf auszubrechen. Allerdings kann ich mir keinen Kommentar verkneifen und sage deshalb grinsend: 

„Ich könnte Ihnen ja helfen, denn die Hilfe scheinen sie wirklich nötig zu haben. Aber wissen Sie was? Ich glaube, ich finde es ganz gut so, wie es ist." 

Damit drehe ich mich breit grinsend um und höre sie nur ein schockiertes „Das ist ja wohl nicht Ihr Ernst!" zischen. 

„Ich kann Sie gerne anfeuern, wenn Sie das möchten", stichele ich weiter und amüsiere mich köstlich über dieses Szenario. 

Ich meine, wenn ich meine Freizeit schon dank dieses blöden Deals damit verschwenden muss, einer verrückten Frau dabei zu helfen, ihre komische kleine Agentur auf Vordermann zu bringen, dann darf ich mich doch dabei wohl wenigstens auf ihre Kosten amüsieren. Das macht das Ganze immerhin deutlich erträglicher. Und außerdem bietet Ella einem nun mal die perfekten Vorlagen, um sie auf den Arm zu nehmen. Also ist sie ja nicht ganz unschuldig an ihrem Schicksal, versuche ich mir mutig zuzureden. Und verdient hat sie das auch, nachdem ich heute Morgen ihretwegen beinahe gefeuert worden wäre. 

„Sie sind unglaublich!", ruft sie erschüttert, woraufhin ich sie vor lauter Anstrengung bloß laut schnauben höre. 

„Ich hätte wirklich das Auto nehmen sollen", murmelt sie. 

Gemütlich laufe ich weiter und lausche belustigt dem wütenden Gemurmel, das ich den gesamten restlichen Weg undeutlich hinter mir wahrnehme.

Während ich tiefenentspannt und zutiefst amüsiert in der Agentur ankomme, ist Ella halb durchgeschwitzt und keucht schwer atmend vor sich hin. Als sie ihren verhängnisvollen Krempel ablegt und sich hinter ihren Schreibtisch begibt, sieht sie mich mit ihrem berühmten Killerzwerg-Blick an und erhofft sich anscheinend, mich damit irgendwie einzuschüchtern. Lachend rufe ich ihr über ihren Schreibtisch zu: 

„Das mit dem wütenden Blick sollten Sie lieber nochmal üben." 

Schnaubend schüttelt sie den Kopf, schnappt sich einen Hammer, der neben vielen anderen Werkzeugen und Unterlagen auf ihrem Schreibtisch liegt und drückt ihn mir ohne Vorwarnung in die Hand. Überrumpelt nehme ich den Hammer entgegen und lege meine Laptoptasche auf einem freien Stuhl ab. Nach kurzem Herumkramen in sämtlichen Papierstapeln findet Ella endlich den Zettel, nachdem sie offensichtlich gesucht hat und reicht ihn mir wortlos. Ich muss grinsen, weil sie offensichtlich noch immer stinkig auf mich ist, als sie auf einen Haufen weiß lackierter Holzbretter in einer hinteren Ecke der Agentur zeigt und daraufhin mit einem sarkastischen Beigeschmack sagt: 

Searching for love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt