Kapitel 12

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Als ich im Eingangsbereich der Agentur stehe, schaue ich mich suchend nach ihr  um, sehe allerdings niemanden. Wenn ich mich hier so umsehe, scheint es, als wäre diese Agentur noch nicht einmal eröffnet worden. Überall stehen Kartons und halb aufgebaute Regale und Tresen herum. Die reinste Baustelle! Wie so oft fällt mir dazu nur ein: Da hab ich mir ja eine tolle Agentur ausgesucht! Ich weiß echt nicht, wie oft ich mir das in der letzten Zeit schon gedacht habe. Was soll's. Eins weiß ich aber ganz sicher und zwar, dass das hier definitiv nicht gut enden wird. Ich spüre die sich anbahnende Katastrophe förmlich und sollte mich vermutlich schon einmal nach einem neuen Job umschauen. Resigniert seufze ich und versuche mit aller Kraft, das letzte Fünkchen Hoffnung in mir zum Leben zu erwecken, um mir Mut zu machen und wenigstens halbwegs an dem Glauben festhalten zu können, dass ich meinen Job eventuell doch noch ein Weilchen behalten könnte.

„Hallo, ist hier jemand?", frage ich in den Raum und nehme daraufhin von irgendwo weiter hinten im Laden ein lautes Rumpeln wahr. Nach einer Weile weiteren Gerumpels meldet sich schließlich eine weibliche Stimme aus dem Nirgendwo und ruft mir zu: 

„Einen Moment, bitte. Ich bin gleich für Sie da."

Ich nutze die Wartezeit und schaue mich noch einmal genauer in der Agentur um. Vor einer leeren weißen Wand – übrigens die einzige, vor der sich keine hundert Kartons stapeln – entdecke ich einiges an Fotoequipment. Darunter ein Stativ, zwei Beleuchtungsboxen und einige Teile von scheinbar teuren Kameras, die auf einer Art Decke nebeneinandergereiht sind. Immerhin scheint der blonde Tollpatsch tatsächlich zu fotografieren. Das Equipment sieht sogar einigermaßen professionell aus. Halleluja, wenigstens ein Lichtblick nach all den Rückschlägen der letzten Tage. Jetzt muss sie nur noch in der Lage sein, auch gut  zu fotografieren. 

Nach einigem weiteren Rumpeln und seltsam ächzenden Geräuschen, taucht urplötzlich und absolut unerwartet ein zerzauster, kleiner Blondschopf in einem weißen Shirt und einer Jeanslatzhose vor mir auf. Nachdem Fräulein Blondschopf vergeblich versucht, sich die Haare glatt zu streichen, es dann aber schnell wieder aufgibt, weil es offensichtlich nichts bringt, atmet sie tief ein und beginnt atemlos zu sprechen: 

„Sorry für die Unordnung. Ich hatte noch gar nicht mit Kundschaft gerechnet, schließlich ist die Eröffnung erst in ein paar Wochen. Ich meine, schauen Sie sich doch mal um. Die ganzen Möbel sind noch gar nicht aufgebaut, geschweige denn eingeräumt. Den Papierkram habe ich auch noch komplett vor mir und... oh Mist, ich muss mich ja auch noch um den ganzen Elektrokram kümmern. Oh Mann, wo fange ich da bloß an?" 

Ihren panischen Monolog unterbrechend schaut sie mich plötzlich schüchtern an und hält mir anschließend die Hand hin. Nach einem selbsttadelnden Kopfschütteln murmelt sie ein „Sorry" und sagt schließlich mit einem breiten, aufrichtigen Grinsen im Gesicht: 

„Also nochmal von vorne: Hi, ich bin Ella. Ella Hendricks, um genau zu sein." 

Bevor ich ihr zögerlich die Hand reiche, betrachte ich sie eingehend, da ich nun erstmalig die Chance dazu habe, sie aus der Nähe zu betrachten. Ich brauche nicht lange, um festzustellen, dass sie es tatsächlich ist. Zwar sah sie in meinem Traum deutlich weniger zerzaust und überarbeitet aus, aber hübsch ist sie trotzdem. Mein Blick schweift wie paralysiert über das mir so vertraute, zarte Gesicht und die strahlend blauen Augen, die in echt sogar noch viel schöner leuchten als in meinen Träumen. Plötzlich setzen meine Kopfschmerzen wieder ein, was mich allerdings nicht davon abbringt, sie weiterhin zu beobachten. Mir fällt auf, dass ihre Wangen leicht gerötet sind. Vermutlich nicht nur von der Anstrengung, die sie kurz davor erlebt hat, sondern auch, weil ihr ihr vorheriger Redeanfall noch immer peinlich zu sein scheint. Über diesen Gedanken muss ich schmunzeln, denn irgendwie, ganz tief in meinem Inneren – und ich meine wirklich tief - finde ich das auf eine kuriose Art und Weise sogar süß.

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