Kapitel 10

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„Shit!", fluche ich, als ich realisiere, dass ich ernsthaft das blöde Glas verschüttet habe. Erst nach einigen Sekunden komme ich auf die Idee, die Sauerei mit einem Taschentuch aufzuwischen. Als auch das nicht so wirklich hilft, schmeiße ich das durchnässte und nach billigem Whiskey stinkende Taschentuch gleichgültig auf meinen Schreibtisch und starre das nun fast vollkommen leere Glas an. Als ich zur Flasche greife, um mir nachzuschenken, denke ich: „Ach, was soll's" und setze direkt die ganze Flasche an, um aus ihr zu trinken. Gläser werden schließlich überbewertet und außerdem sind sie ohnehin viel zu schnell leer. Dieses ständige Nachschenken ist absolut nervig und wie man sieht, auch nicht immer erfolgreich. Also, was soll's. Ich habe keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so viel Alkohol getrunken habe, aber um ehrlich zu sein, ist mir das gerade völlig egal. Ich brauche einfach nur etwas, das mir den Kopf vernebelt, damit ich endlich dieses beschissene Gesicht vergessen kann.

Nach einem weiteren kräftigen Schluck aus der Whiskeyflasche muss ich lachen und zwar über niemand anderen als mich. Ich sitze hier nämlich schon seit Stunden allein in meinem Büro und betrinke mich wie ein erbärmlicher Irrer, nur weil ich glaube, vorhin tatsächlich die Frau aus meinen Träumen gesehen zu haben. Das ist doch verrückt. Ich bin verrückt. Jap, das wird es sein. Ich, Alan Sinclair, habe offiziell einen an der Klatsche. Glückwunsch.

Trotz dieser zugegebenermaßen sehr überzeugenden Erkenntnis weigere ich mich, nach Hause zu fahren. Schließlich habe ich dort nicht genug Alkohol, der mich vorm Einschlafen bewahren könnte. Und Einschlafen ist echt das Allerletzte, was ich jetzt will. Ich habe nämlich absolut keine Lust, diese Frau wiederzusehen und die Wahrscheinlichkeit, dass dies genau wie die letzten 16 Jahre über passieren wird, ist leider viel zu groß, um es zu riskieren.

Als aus der Flasche kein Tropfen mehr herauskommt, stehe ich schwerfällig auf und schwanke gefährlich zur kleinen Vitrine neben der Tür, in der sich all meine Alkoholvorräte befinden. Ich wusste, es würde der Tag kommen, an dem die vielen alkoholischen Geschenke meiner erfolgreich verlegten Autoren ihren Sinn erhalten. Ohne näher hinzuschauen, schnappe ich mir willkürlich die erste Flasche, die ich zu greifen bekomme und öffne sie noch bevor ich die Vitrine wieder geschlossen habe, um aus ihr zu trinken. Igitt, Vodka. Das Zeug ist echt widerlich, aber was soll's. „Solange es seinen Zweck erfüllt", denke ich, während ich die neue Flasche ansetze, „bin ich zufrieden."

Der Weg von der Tür zu meinem Schreibtisch kommt mir plötzlich unglaublich lang vor und mein Büro scheint sich zu drehen. Oder bin ich das? Keine Ahnung, aber irgendwie ist es lustig. Ich höre mich plötzlich selbst lachen und weiß nicht einmal mehr wieso. Nach einer gefühlten Ewigkeit und einem fragwürdigen Lachanfall komme ich endlich wieder an meinem Schreibtisch an und lasse mich in den Stuhl fallen.

Mit einem Blick auf den Manuskriptstapel auf der linken Seite meines Schreibtisches fällt mir der eigentliche Grund meines freiwilligen Büroaufenthalts wieder ein. Ursprünglich bin ich nämlich hierher gekommen, um ein wenig zu arbeiten, aber ich befürchte fast, dass das in meinem jetzigen Zustand keinen Sinn mehr macht. Erst jetzt wird mir bewusst, wie stark meine Alkoholverträglichkeit gesunken ist. Ich Weichei vertrage echt gar nichts mehr.

Als ich die Flasche mit dem wasserähnlichen Stinkezeug wieder ansetze, klopft es an meiner Tür. Ehe ich überhaupt darauf reagieren kann, wird die Tür geöffnet und es erscheint plötzlich ein aufgetakelter und perfekt frisierter Rotschopf im Türrahmen.

„Alan, was machen Sie denn noch hier?", fragt Priscilla verwundert und verschließt daraufhin die Tür hinter sich. Augenblicklich setzt sie sich in Bewegung und kommt auf mich zu. „Die Frage izz doch, wazz Zzie hier machen?", lalle ich ihr mit erhobenem Finger entgegen und nehme daraufhin gleich noch einen Schluck Vodka zu mir. Priscilla scheint sichtlich amüsiert, denn ihre Mundwinkel verziehen sich zu einem biestigen Lächeln als sie vor meinem Schreibtisch zum Stehen kommt.

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