Kapitel 14

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„Verzeihen Sie die Verspätung! Ich bin Ella Hendricks, Ihre Foto- ähm... Illustratorin. Ja genau, Illustratorin war das Wort!" sagt sie schwer atmend in den Raum und könnte mich in diesem Moment nicht glücklicher machen, denn Priscillas schockierter Blick spricht Bände. Damit, dass Ella doch noch auftaucht, hätte die blöde Kuh wohl nicht gerechnet. Punkt für Alan! Mein unausgesprochener Triumph erfüllt mich augenblicklich mit einem herrlichen Gefühl von Überlegenheit, das mich doch tatsächlich zum Grinsen bringt. Und zwar zu einem diabolischen Grinsen. 

Mein Glücksmoment hält allerdings nicht lange an, denn allmählich kommt die vorherige Wut wieder in mir hoch. Wie konnte Ella mich direkt beim ersten Meeting so blamieren? Ich hoffe wirklich für sie, dass sie dafür eine gute Erklärung hat. Hoffentlich kann sie Cooper noch durch irgendein Wunder überzeugen, denn seiner Miene nach zu urteilen, scheint er wenig begeistert von ihrem Auftritt zu sein. Der erste Eindruck wäre dann schon mal hin. Gut gemacht, Ella! Bin gespannt, wie sie das wieder hinbiegen will. Denn ich kenne Cooper nur zu gut, um zu wissen, dass er sich nicht so leicht überzeugen lässt, sobald man es sich erstmal mit ihm verscherzt hat.

 Als sich Cooper und alle anderen erheben, um sich ihr vorzustellen – Cooper weiterhin mit einem mürrisch-skeptischen Blick im Gesicht -, sehe ich, wie Priscilla als einzige beleidigt und mit verschränkten Armen auf ihrem Stuhl sitzen bleibt und genervt in die Ferne schaut. Insgeheim freue ich mich darüber, sie zum Kochen gebracht zu haben, auch wenn mich das fast meinen Job gekostet hätte. Als Ella jeden begrüßt hat – Priscilla hat sich dabei keinen Zentimeter aus ihrer schmollenden Position auf ihrem Stuhl bewegt und bloß ein leises „Hallo" gemurmelt, ohne Ella auch nur anzusehen – und schließlich zu mir gelangt und mir die Arme um den Hals wirft, wie sie es auch gestern schon getan hat – Gott, ich sollte ihr schleunigst sagen, dass sie das gefälligst lassen soll! – ruft sie euphorisch: „Hallo, Partner!", woraufhin meine Wut über ihre Unpünktlichkeit weiter in mir aufbrodelt, was schließlich dazu führt, dass ich ihr dadurch gefährlich leise zuflüstere: 

„Sie haben mir gerade noch den Arsch gerettet, aber trotzdem hoffe ich für Sie, dass Sie eine gute Erklärung für diesen verspäteten Auftritt haben." 

Das Wort verspätet betone ich scharf, um meine Position klar zu machen und meinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. Ohne auch nur den geringsten Hauch von Angst oder Ehrfurcht zu äußern, tritt sie einen Schritt zurück, sodass sie mich ansehen kann und sagt zwinkernd und mit einem noch viel breiteren Grinsen als zuvor: 

„Abwarten, Partner!" und haut mir zu allem Überfluss auch noch frech auf die Schulter. 

Mit ihrem selbstbewussten Lächeln im Gesicht blickt sie erst in die Runde und sagt dann, den Blick an mich gerichtet: 

„Ich verspäte mich, weil ich das wirklich tolle Manuskript die ganze Nacht lang gelesen und einige Konzepte erarbeitet habe und leider erst vor einer knappen Viertelstunde fertig geworden bin." 

Was? Das ganze Manuskript? In einer Nacht? Das sind über 400 Seiten! Plötzlich bin nicht ich mehr derjenige, der jemanden einschüchtert, sondern sie – und zwar mit ihrer überaus beeindruckenden Arbeitsmoral. Völlig baff von ihrer Leistung gehe ich langsam und still wieder auf meinen Platz zurück und erhasche noch einen belustigten Blick von Priscilla, was mich gerade aber nicht im Geringsten kümmert. Vielmehr bin ich überrascht darüber, dass ich diese kleine, quirlige und vor allem tollpatschige blonde Frau, die da vorne voller Selbstsicherheit steht – die ich ihr übrigens ebenfalls nicht zugetraut hätte -, doch tatsächlich falsch eingeschätzt habe. So unzuverlässig scheint sie wohl doch nicht zu sein...


Nachdem sie sich kurz vorgestellt hat, stellt sie bereits eifrig ihre Ideen vor, die zugegebenermaßen wirklich gut sind. Während des gesamten restlichen Meetings sage ich kein Wort mehr, sondern höre Ella nur gebannt zu und merke, wie sie mich von Minute zu Minute mehr begeistert, womit ich absolut nicht gerechnet hätte. Schließlich habe ich gedacht, sie wäre maximal eine mittelmäßige Hobbyfotografin, die – warum auch immer - eine Fotoagentur eröffnen will. Vermutlich auch noch mithilfe von Papis finanzieller Unterstützung. Aber stattdessen scheint diese kleine, hübsche Frau doch tatsächlich etwas auf dem Kasten zu haben. Schmunzelnd stelle ich insgeheim fest: Ella Hendricks, sieht aus, als hätte ich Sie doch tatsächlich unterschätzt.

Searching for love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt