Kapitel 13

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Kaffee. Wo wäre ich bloß ohne mein schönes, tiefschwarzes Lebenselixier?, frage ich mich, während ich noch einen Schluck meiner bereits dritten Tasse nehme und spüre, wie er herrlich warm meine Kehle hinunterrinnt. Ahh... so muss sich der Himmel anfühlen!

Allmählich spüre ich sogar, wie mich der Kaffee etwas wacher macht und somit seine geplante Wirkung erzielt. Das wurde aber auch mal Zeit! Anders würde ich das bevorstehende Meeting vermutlich auch nicht überleben. Die letzte Nacht war schließlich alles andere als erholsam. Eher merkwürdig. Und kurz. Oh ja, vor allem kurz. Der unangenehme Druck in meinem Kopf bestätigt die Kürze meines Schlafes. Es ist nämlich die Art von Druck, mit dem der Körper einem signalisieren will, dass man schleunigst wieder ins Land der Träume verschwinden sollte. Blöd nur, dass mir die Arbeit da nun mal in die Quere kommt.

Ich konnte bis tief in den Morgen einfach nicht einschlafen, weil ich die ganze Zeit über den gestrigen Tag nachdenken musste. Und über sie. Ella Hendricks. Diese kleine blonde Person, die ich gestern zum ersten Mal – und gleichzeitig zum x-ten Mal - gesehen habe. Nichts an ihr ist in irgendeiner Art besonders, ganz im Gegenteil sogar. Sie ist eigentlich eine absolut gewöhnliche, wenn auch etwas merkwürdige Frau, und trotzdem wird sie für mich niemals wirklich gewöhnlich sein. Dafür ist die Art, wie sie in mein Leben getreten ist – und damit meine ich den Eintritt vor 16 Jahren – viel zu außergewöhnlich. So sehr ich mich auch bemühe, aber diese Frau geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich meine, wie sollte sie das auch? Schließlich spukt sie mir ja bereits seit über 16 Jahren im Kopf herum und jetzt, wo ich festgestellt habe, dass es diese Frau tatsächlich gibt, lässt sie mir erst recht keine Ruhe. Ob ich es will oder nicht, sie wird für mich niemals bloß irgendeine stinknormale Frau sein können und das alles nur wegen diesem verdammten Traum, von dem ich nicht einmal weiß, warum zur Hölle ich ihn seit so langer Zeit ununterbrochen träume. Wann hört das endlich auf? 

Die halbe Nacht lang habe ich mich wie ein Irrer im Bett herumgewälzt, in der Hoffnung, endlich des Rätsels Lösung zu finden – aber es ist absolut aussichtslos. Trotz diverser Positionswechsel und einiger gedanklicher Selbstdebatten habe ich einfach nicht glauben können, dass sie tatsächlich die Frau aus meinem immer wiederkehrenden Traum ist. Ehrlich gesagt kann ich das auch immer noch nicht glauben. Ich meine, wie ist so etwas überhaupt möglich? Habe ich sie vielleicht irgendwann schon mal gesehen und habe mir ihren Anblick irgendwo tief in meinem Unterbewusstsein abgespeichert und sie taucht deshalb immer wieder in meinen Träumen auf? Das wäre zumindest eine plausible Erklärung für diesen ganzen Wahnsinn, der sich mein Leben nennt. Aber selbst wenn, daran würde ich mich definitiv erinnern können, oder? Oder hat Juan, dieser Freak, vielleicht doch recht und das alles liegt in irgendeiner übernatürlichen Verschwörung oder wie er es nennt in meinem Schicksal begründet?

„Sir? Mr. Sinclair, hören Sie mich?", reißt mich eine nervige Stimme aus meinen Gedanken. Als ich aufblicke, starre ich direkt in Bobs nervöses, mit Sommersprossen besprenkeltes Gesicht. Warum zur Hölle wirkt dieser Kerl eigentlich immer so, als würde er sich jeden Moment ins Hemd machen?

„Hm?", brumme ich, nachdem ich meine Kaffeetasse von meinem Mund abgesetzt habe und ihn desinteressiert mustere.

„Ähm, Sie haben gerade etwa zwei Minuten lang durchgehend aus Ihrer scheinbar leeren Tasse getrunken oder vielmehr ähm... naja geschlürft und zwar laut. Ziemlich laut. Also ähm, das ist ja nicht schlimm oder so, nur ich dachte, Sie könnten vielleicht einen Nachschub gebrauchen?", fragt er nervös und kratzt sich dabei unbeholfen am Hinterkopf. 

Ich brauche einen Moment bis ich realisiere, was dieser bemitleidenswerte Rotschopf gerade gefaselt hat. Und als die Worte allmählich in mein Gehirn dringen, ist die erste Reaktion meines Körpers ein plötzliches Erstarren. Während ich über meinen erstarrten Körper keine Kontrolle zu haben scheine, wird mein Gehirn hingegen aktiv und verarbeitet Bobs Worte. War ich wirklich so vertieft in meine Gedanken, dass ich nicht einmal bemerkt habe, dass mein Kaffee alle ist? Und was noch viel beunruhigender und ehrlich gesagt auch ziemlich peinlich ist, ist die Erkenntnis, dass ich wohl tatsächlich die letzten Minuten lang versucht habe, aus einer leeren Tasse zu trinken, ohne es zu merken. Was zur Hölle ist denn in letzter Zeit bloß los mit mir? Ich hoffe inständig, dass das alles nur am Schlafmangel liegt, ansonsten sollte ich mir wohl ernsthafte Sorgen um meine psychische Verfassung machen.

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