Als der Unterricht endete, trat Tay zu mir. Blondie zischte vor Zorn darüber, sie konnte es offenbar nicht ertragen, wenn ein Mädchen in Tays Nähe kam. «Bist du bereit oder musst du zuerst noch zu deiner Grandma?» Ich schüttelte den Kopf. Bestimmt nahm er mich bei der Hand (als ob ich drei wäre!) und zog mich zu seinem Auto. «Ich will ja nicht unhöflich sein, aber... ich habe ein Auto» «Das weiss ich, aber es ist ein Auto, das nicht für das Gelände geeignet ist. Darum nehmen wir mein Auto.» Ich schnappte nach Luft «Woher willst du wissen, ob mein Auto fürs Gelände geeignet ist?» Er schmunzelte: «Amy, dein Auto ist ein . Für die kleinen Schotterstrassen geht es ja, aber im wirklichen Gelände ist ers.. nicht geeignet.» Ich knurrte beleidigt. Sein Auto war dunkelbraun. Die Armaturen waren schwarz und die Sitze aus hellem Stoffbezug. Es roch stark nach Pfefferminze. Er öffnete den Seitenschlag. «Ladys first?», fragte er grinsend. Ich wurde puterrot. Dankend stieg ich ein. Tay ging ums Auto herum und glitt hinter das Lenkrad. Der Motor erwachte röhrend. Etwas verunsichert, ob dieser Lautstärke, die ich nicht gewöhnt war, klammerte ich mich an den Rand des Sitzes. Tay sah es und grinste. «Hey, dieses Baby schnurrt wie ein Kätzchen und läuft einwandfrei. Einen Unfall hatte ich noch nie. Du kannst mir also vertrauen.» Mit einem raschen Blick hinter sich parkte er aus und fuhr in einem flotten Tempo durch Salem. Noch immer klammerte ich mich an den Rand meines Sitzes. Er warf mir einen Blick zu und schüttelte den Kopf. «Du musst wirklich keine Angst haben Amy. Es wird dir nichts passieren. Entspann dich.» Er bog in eine Schotterstrasse ab und fuhr durch den dichten Wald. An einer Schotterpiste, welche fast nicht zu sehen war, da der Wald dieses Gebiet allmählich wieder an sich riss, bog er ab und folgte dem Weg. Plötzlich bremste er heftig und sagte: «Wir sind da! Alle austeigen.» Fast ohne mein Zutun musste ich grinsen.
«Was?»
«Du redest lustig, wie ein General.»
«Habe ich mir angewöhnt im Rudel.»
«Und warum?»
«Erstens, weil man sonst nirgends hinkommt und alles drunter und drüber gehen würde und zweitens, weil ich das 'Bethatier' bin.»Lächelnd nahm er mich bei der Hand und zog mich zu einem kleinen Wasserfall. Dort liess er mich los und huschte hinter einen Baum. Wenige Sekunden später kam ein riesiger Wolf aus den Büschen gestapft und lief auf mich zu. Ich fühlte mich unbehaglich, bis der Wolf seinen grossen Kopf in meine Hand schmiegte. «Tay?», fragte ich etwas verunsichert. Der Wolf nickte nur, gab ansonsten aber keine Antwort. Plötzlich stützte er seine riesigen Pranken an meine Arme. Es kam so überraschend, dass ich das Gleichgewicht verlor und hinfiel. Grinsend (na ja, ich nehme mal an, dass er grinste) leckte er mir über das Gesicht. «Super! Heute Abend muss mir das Gesicht auf jeden Fall nicht waschen. Das hast du gerade erledigt.» Der Wolf lachte kläffend. Mit einigen Mühen kraxelte er von mir herunter und preschte förmlich hinter den nächsten Busch. Tay war offenbar sehr aufgeregt. Als er wieder hervorkam, ging er auf zwei Beinen.
«Willst du dich nicht setzen?», fragte er grinsend. «Und wo soll ich mich hinsetzen? Hier ist alles nass wegen dem Wasserfall» «Na auf den grossen Stein da. Es hat die letzten zwei Tage nicht geregnet und er steht weit genug entfernt, also ist er garantiert nicht nass.» Etwas verlegen liess ich mich auf dem grossen Findling nieder. Er setzte sich ganz nah neben mich auf den Felsen. Da es etwas windig war, legte er mir einen Arm um die Schulter.
«Doch einiges.»
«Na, dann fang mal an zu fragen.»
«Was ist ein Betatier?»
«Ein Betatier ist der Wolf der direkt unter dem Alphatier steht. Ich bin sozusagen Jacys Vertreter. Wenn ihm etwas passiert, werde ich zum Anführer und Sandy wird zum Betatier und so weiter und so fort»
«Wie kommuniziert ihr miteinander?»
«Wir können uns durch unsere Körpersprache, Wolfslaute, also Knurren, Jaulen und so weiter und nicht zuletzt durch unsere Gedanken verständigen. Das heisst, wenn ich denke 'Sandy ist fett" hören das alle die gerade in Wolfsgestalt sind, egal ob ich das will oder nicht. Laut Legenden konnten frühere Gestaltwandler steuern, wer was hört. Aber bei unserem Rudel hat noch niemand herausgefunden wie das funktioniert.»
«Seit wann kannst du das?»
«Mich verwandeln? Seit ich fünfzehn bin. Um die Frage vorweg zu nehmen, ich bin jetzt siebzehn.»Ohne mein bewusstes zutun strich ich ihm über den Arm. Er lächelte mich an und sagte: «Mir ist nicht kalt.»
«Aber es ist doch total windig hier!»
«Das schon, aber dank meiner Körpertemperatur ist mir nie kalt.»
«Wie ist denn deine Körpertemperatur?»
«Ganz ehrlich? 49 Grad! Sehr kuschelig.» Mir stockte der Atem. Nach einigem Überlegen fragte ich: «Und wenn du mal zum Arzt musst?» Er lachte (schon wieder! Lachte dieser Kerl andauernd?) «Wir werden so gut wie nie krank. Wegen unserer Körpertemperatur werden die meisten Viren und Bazillen recht schnell ausgeschaltet. Wenn wir verletzt werden, heilen die Wunden von selbst. Das dauert nur wenige Minuten. Nur sehr wenig kann uns ernsthaft verletzen.» Ich rückte ab und betrachtete ihn. «Habe ich dich erschreckt?», fragte er besorgt. Ich schüttelte den Kopf. «Mir wird ehrlich gesagt nur etwas warm in deiner Nähe.» In diesem Moment knackte es im Geäst.---
Hallo zusammen :-)
Mit dem 6. Kapitel ist (überschlagen) schon 1/3 meiner bisherigen Geschichte veröffentlicht. Was denkt ihr, was hat den Lärm im Geäst gemacht?
Alles Liebe
Moon
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Bei Vollmond (langsame Updates)
WerewolfAmy zieht zu ihrer Grossmutter nach Salen. Dort trifft sie den gehemnissvollen Jungen Tay. Bald schon erfährt sie, was es mit ihrer Familiengeschichte und den alteingesessenen Familien auf sich hat. Doch auch alte Geschichten folgen ihr in ihr neue...