Dieses Missverständnis lag nun schon einige Wochen zurück. Vor einigen Tagen war mir am Morgen meist schlecht geworden. Ich dachte mir nichts dabei, da es auf die Prüfungszeit zuging. Da war es normal, dass man etwas nervös war und der Magen verrücktspielte.
An diesem Morgen, als Tay mich abholte und an sich zog, schnupperte er kurz an mir und zog die Brauen zusammen. So, wie er sie zusammenzog, wenn er nachdachte. »Was ist los?» «Du riechst seltsam. Hast du ein neues Parfüm benutzt?» Ich schüttelte den Kopf. Das hatte ich nicht. Ich hatte jenes genommen, dass ich immer benutzte. Es war das einzige, das ich mochte. Alle anderen waren zu aufdringlich, rochen zu stark nach Früchte oder Blumen. »Nach was rieche ich denn?» «Ich weiss es nicht. Irgendwie so wie immer, aber irgendwas ist anders. So, als ob...» Er wurde still und starrte auf den Asphalt. »So wie was?» «So wie wenn sich ein neuer Geruch dazugesellt hätte.» Er schaute mich nur an. Ich schaute ebenso verwirrt zurück. »Aber ich bin immer noch nur eine Person. Wie kann ich da nach mehreren Leuten riechen?» «Ich weiss es nicht, und genau das nervt mich.» Ich lachte nur und meinte: »Du hast garantiert Schnupfen. Darum. Deine Nase spielt dir garantiert nur einen Streich.» Er schnaubte beleidigt. »Ich war noch nie erkältet. Also, es kann gar nicht sein, dass es an meiner Nase liegt.» Ich zuckte mit den Schultern. »Wer weiss, vielleicht ist es bis am Abend wieder weg.»
Er nickte und schaute auf die Uhr. »Wir müssen uns beeilen. Sonst kommen wir wieder zu spät. Und das gäbe Ärger.» Ich lief los. Tay holte mich ein. »Warum nicht mit dem Auto?» «Ich möchte rennen.» Tay bremste ab. »Amy, fühlst du dich auch sonst merkwürdig? Heisshunger, Hitzewellen?» «Ja.» Er fluchte. Dann packte er mich am Handgelenk und zog mich in den Wald. »Zieh dich aus.» «WAS? Spinnst du? Hier??» «Ja hier. Ich drehe mich weg. Aber stell dir vor, du verwandelst dich. Aber erst wenn du nichts mehr anhast.» Ich verstand nicht, was er meinte. Warum? Glaubte er etwa, dass ich mich verwandeln könne? »Tu's. Ich kenne die Anzeichen. Vertrau mir. Atme tief ein immer ein und aus. Nimm den Geruch in dich auf, stell dir vor, du wolltest deinen Körper dehnen, mehr von den Gerüchen, Geräuschen aufnehmen. Mehr sehen, schmecken, fühlen.» Er nickte mir zu und wandte sich ab.
Ich überlegte. Was konnte es schaden? Mehr als das nichts passieren würde konnte nicht passieren. Ich atmete tief ein. Dann zog ich mich aus und schlang die Arme um mich. Ich kniete mich nieder. Atmete den Harzgeruch der Bäume ein. Der Regenduft, leicht erdig stieg er mir in die Nase. Ich hörte den nahen Bach gurgeln. Die Vögel zwitscherten, Laub raschelte. Fühlte das weiche Moos unter den Fusssohlen. Die raue Rinde des Baumes in meinem Rücken und die Zweige, die meine Schulter streiften. Das Regenwasser von heute Nacht tropfte von den Bäumen herunter und auf mein Haar, lief meinen Rücken hinunter und über mein Gesicht. Das Zwielicht schien mir ins Gesicht, so dass sich gewisse Partien in meinem Gesicht wärmer anfühlten als andere. Ich stellte mir vor, wie es wäre, noch mehr zu spüren, riechen, hören, schmecken, sehen. Dann urplötzlich, spürte ich, wie etwas meinen Körper herunterlief. Es fühlte sich an wie lauwarmes Wasser, doch sobald es vorbei war, wurde die Haut abwechselnd heiss und eiskalt. Meine Arme und Beine wurden massiger, nahmen andere Proportionen an. Aus den Nägeln wurden Klauen, aus den harmlosen Menschenzähnen die Zähne eines Raubtiers. Mein Haar wurde kürzer, verteilte sich. Ich fiel auf alle viere. Ich merkte, dass ich auf etwas stand, dass sich wie weiche Kissen anfühlten. Meine Ohren spielten im Kreis. Im Kreis? Ein Mensch konnte das doch gar nicht! Ich hörte wieder Herzen schlagen, roch Tays Shampoo. Ich schlug die Augen auf. Alles war viel schärfer, klarer umrissen. Aber alles war weiter oben. Ich schaute an mir herunter. Ich hatte ein Fell! Ein kupferfarbenes, wuscheliges Fell. Ich schrie. Aber es kam nur ein Jaulen aus meinem Mund. Mund? Es sah eher aus, wie eine... eine... eine Schnauze!
Ich drehte mich panisch im Kreis. Was sollte diese Scheisse? Plötzlich hörte ich Tays Stimme in meinem Kopf.»Scht, Süsse. Alles gut. Warte. Ich komme zu dir. In Ordnung?» Ich beruhigte mich etwas. Es dauerte nicht lange, bis Tays Wolfgestalt auf mich zukam. Ich wich zurück. »Hey beruhig dich. Komm mit zum Bach. Oder weisst du schon, was passiert ist?» «Nein ich...», in diesem Moment hörte ich ein lautes Jaulen. Ich war verwirrt. Was war jetzt los? Tay wandte den Kopf in die Richtung aus der das Geräusch gekommen war. »Komm mit. Jacy ruft.» «Warum soll ich jetzt auch mitkommen?» «Weil du nun auch ein Werwolf bist. Ich erklär's dir. Mit Jacy habe ich schon lange vereinbart, falls du ein Werwolf wirst, dass ich dann für dich verantwortlich bin. Und jetzt komm. Jacy wartet nicht gerne.» Ich nickte und lief neben ihm her.
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Hallo zusammen :-)
Ich hoffe, euch hat dieses Kapitel gefallen. Wie findet ihr es, das Amy nun auch ein Werwolf ist?
Hättet ihr sie erst später in einen Werwolf verwandelt oder sogar gar nicht?
Was ich noch fragen wollte: ist die Textlänge gut zu lesen, oder müssten mehr Absätze rein? Im Normalfall benutze ich Absätze nur, wenn es einen Zeitsprung oder einen Ortswechsel gibt.
Fühlt euch gedrückt
Moon
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Bei Vollmond (langsame Updates)
VârcolaciAmy zieht zu ihrer Grossmutter nach Salen. Dort trifft sie den gehemnissvollen Jungen Tay. Bald schon erfährt sie, was es mit ihrer Familiengeschichte und den alteingesessenen Familien auf sich hat. Doch auch alte Geschichten folgen ihr in ihr neue...