20. Eine grosse Überraschung

38 4 1
                                    

Ich starrte ihn an. Bitte was? Ich konnte doch nicht... ich war doch nicht... Er schaute mich nur an. »Bist du jetzt böse auf mich?» Ich schüttelte den Kopf. »Tay, es ist doch noch gar nicht sicher, dass es stimmt. Vielleicht täuschst du dich ja?» Er legte den Kopf schräg und meinte nur: »Das ist so gut wie unmöglich. Wir Werwölfe haben einen ausgezeichneten Geruchssinn. Hast du das noch nicht bemerkt?»
«Doch.» »Aber wir warten sicher mal einen Monat, bevor wir uns um diese Möglichkeit kümmern. Tay, es könnte doch auch gut eine andere Werwölfin sein, die du riechst
«Wenn es dich beruhigt, können wir gerne einen Monat warten. Würdest du dich dann besser fühlen?»

Ich nickte. Ich fühlte mich mit diesem Wissen sehr viel besser. Nicht, dass ich Babys und kleine Kinder nicht mochte, aber das war so schräg. Ich hatte mich nie mit 17 schon als Mutter gesehen. Rein theoretisch könnte es sehr wohl sein, aber ich hatte mit meiner Bitte eine Zeit herausgeschunden, die ich brauchte, um mich an diesen Gedanken zu gewöhnen.

Ausserdem musste ich, wenn Tay richtig lag, mit meinen Eltern und meiner Grandma reden. Und genau auf das hatte ich keine Lust. Meine Grossmutter wusste noch nicht einmal, dass ich mich aus dem Haus geschlichen hatte, um zu Tay zu gehen. Aber vielleicht irrte sich Tay wirklich? Ich beschloss, diese Gedanken auf später zu verschieben.

Tay musterte mich. »Du weisst, dass ich praktisch hören kann, was du denkst? Wir sind beide in Wolfsgestalt. Ich kann deine Gedanken hören und du meine. Aber das hast du wahrscheinlich nicht bemerkt, da du gerade sehr tiefschürfende Gedanken wälzt.» Er bemerkte, dass ich nervös an meiner Unterlippe kaute. »Hey, egal was jetzt der Grund für den Geruch ist, ob schwanger oder nicht, ich stehe zu dir. Das habe ich dir doch versprochen.» Er leckte mir über das Gesicht. Dann fragte er mich: »Bist du bereit, dich zurückzuverwandeln? Natürlich erst, wenn wir bei unseren Kleidern sind.» Ich nickte.

Ich wäre schon froh, wenn wir nicht schon wieder mit Mr. Flinnt das Areal mit Abfallsack und Greifzange absuchen müssten.

Ich rannte los. Tay folgte mir und lenkte mich ein wenig. Wir schafften es gerade noch knapp vor unserem Lehrer ins Klassenzimmer zu wischen. Die anderen grinsten. Vor allem diejenigen, die auch im Rudel waren. Ich hatte mich in den vergangenen Tagen darauf geachtet, wer alles ein Tattoo hatte. Es waren ziemlich viele, aber nur ein Bruchteil hatte das Werwolftattoo. In unserer Klasse neben Tay nur Katja und Fjenn. Der Lehrer kam, mit einem dicken Schal, der genau die gleiche widerwärtige Farbe wie ein Popel hatte, umwickelt in den Klassenraum geschlurft. Seine Nase lief und aus triefäugigen Augen schaute er uns an. In seiner Hand dampfte der Becher mit ekligem Kräutertee. Diesen Geruch konnte ich bis zu mir wahrnehmen.

Ich spürte eine Übelkeit in mir aufsteigen. Mir brach der kalte Schweiss aus. Tay schaute mich an. Er legte mir eine Hand auf meinen Oberschenkel und drückte sanft. Dann hob er die Hand und fragte: »Kann ich Amy zur Toilette bringen? Ihr ist glaube ich nicht so wohl.» Er richtete seine triefenden Augen auf Tay und meinte monoton: »Es ist in diesem speziellen Fall sicher erlaubt, aber halten Sie die Tür offen.» Er nickte und nahm mich beim Arm. »Komm, Amy.»

Ich stand unsicher auf und stolperte hinter ihm aus der Klasse. Kaum hatte ich den Klassenraum verlassen und Tay hatte die Tür geschlossen, hörte ich ein Rauschen in den Ohren, alles drehte sich im Kreis und der Fussboden kam mir entgegen. Tay fing mich auf. »Amy!» Ich schnappte nach Luft. Tay strich mir leicht panisch meine Haare aus dem Gesicht. »Amy, was ist nur mit dir los?» Ich zuckte ratlos die Schultern. Die Übelkeit stieg mit einer Kraft in mir auf, dass ich mich krümmte.

Ich kämpfte mich auf die Füsse und taumelte zur Toilette. Tay kam mir besorgt nach. Ich fiel vor der Kloschüssel auf die Knie. Tay sank, sehr viel eleganter als ich, neben mir auf die Fersen. Ich würgte. Doch bevor ich mich erbrach, nahm Tay meine Haare zurück. Er strich mir beruhigend über meinen Rücken. Ich zitterte. Doch so plötzlich, wie es gekommen war, war es auch schon wieder vorbei. Tay sagte leise: »Ich glaube, es ist besser, wenn du trotzdem jetzt schon den Test machen würdest. Denn du machst mir Angst, weil dir plötzlich schlecht wird.» Rasch griff ich nach dem Toilettenpapier und wischte mir den Mund ab. Obwohl ich wusste, dass es jetzt das Beste wäre, mich testen zu lassen, wollte ich das noch nicht so genau wissen, was jetzt wirklich der Grund meiner Übelkeit war. Er verstand und umarmte mich wortlos. Ich schloss meine Augen und entspannte mich, wobei ich seinen berauschenden Duft einatmete.

Bei Vollmond (langsame Updates)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt