Als ich wieder erwachte, lag ich auf einem Bett, das sehr knubbelig war. Als ich mich aufrichten wollte, packte mich eine Hand. Ich machte mich los und blickte empört auf diesen Kerl, der es wagte, mein Handgelenk zu packen. Ich erschrak, denn es war Tay, der versucht hatte, mich zu packen. Auch er war gelinde erschrocken, dass ich mich hatte losreisen können. In diesem Moment kam ein jüngerer Arzt herein. »Guten Tag Doktor Iacopo» Er nickte Tay zu und wandte sich an mich. Ich erschrak. Seine Gesichtszüge sahen wie gemeisselt aus, seine Augen wie erstarrt. Ich runzelte die Stirn. War das möglich? Konnte ich wirklich hören, was in der Umgebung geschah? Ich hörte nur zwei Herzen dumpf und langsam schlagen. Ein Herz war schneller und leiser. Das andere lauter aber langsamer. Ich begriff, das meinige war das laute und langsame, das Tays war schnell und leise, da er weiter weg war. Aber was war mit Doktor Iacopo? Es waren doch drei Menschen in diesem Raum! Oder etwa doch nicht? Erstarrend wandte ich mich zu Tay. »Tay, ich glaube der Doc ist ein Vampir.» Er nickte. »Natürlich ist er einer, wie hätte er dich sonst entgiften können? Er ist nicht mehr giftig, da er sich die Giftnerven entfernen liess. Es ist nur etwas schief gegangen, du kannst nun na ja so viel hören, sehen und riechen wie ein Vampir.» Ich schluckte. »Ein Vampir? Ich bin ein Vampir?» Er schüttelte beruhigend den Kopf. »Nein du Dummerchen, du bist ein Mensch mit vampirischen Zügen.» Wie beruhigend! Ich war ein Vampir und doch wieder nicht? Am liebsten wäre ich aufgestanden und herumgegangen, doch Tay hatte mir immer noch eine Hand auf mein Brustbein gelegt, damit ich nicht aufstehen konnte. «Allerdings», mischte sich Iacopo ein, «wird dieser Zustand nur vorübergehend sein. In einigen Wochen, spätestens Monaten werden alle Folgen dieses Vorfalls verschwinden.»
Bevor ich mich jedoch bei Tay beschweren konnte, der mich immer noch niederdrückte, ging die Türe auf und ein junges Mädchen mit blauschwarzem Haar kam herein, blickte sich suchend um und ging dann zielstrebig auf Tay zu. Ich fragte mich beiläufig wer dieses Mädchen war. »Tay?» Er schaute auf. »Jacy will, dass du kommst. Deine Freundin», fügte sie spitz hinzu, »kannst du gerne mitbringen.» Tay schaute mich an. »Kommst du mit?» Ich nickte. Schneller als ich es mir gewohnt war, stand ich auf. In diesem Moment nahm ich den Geruch wahr. Ein leicht moosiger Duft, vermischt mit etwas, dass nach Blumen roch. Vielleicht Rosen? So unauffällig wie möglich schnupperte ich in ihre Richtung. Dennoch bemerkte sie es und wich lächelnd ein wenig zurück. »Ist die Kleine ein Blutsauger?» Tay runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Nein, ist sie nicht, sie ist ein Mensch mit vampirischen Zügen.» «Wie ungemein beruhigend. Vielleicht wäre es doch keine so gute Idee, dass du sie mitnimmst?» Empört sog ich die Luft ein. »Ich würde nie jemandem etwas tun, nie!» Tay legte mir den Arm um. »Das weiss ich, aber Pandora ist vorsichtig.» «Ja übervorsichtig» meinte ich leicht beleidigt. Er lachte ein kehliges Lachen und umarmte mich.
Pandora tippte mit der Fussspitze auf. »Was jetzt kommst du oder nicht? Es ist echt beschissen, wenn du ein Läufer bist.» «Tja das Vorrecht der jüngsten.» Sie schnappte nach Luft. »Du weisst genau, dass Ben kürzer ein Wolf ist als ich. Aber trotzdem muss er kein Läufer sein? Ich wette, dass du etwas mit meinem Bruder gedeichselt hast, damit ich für immer und ewig ein Läufer bleibe. Weil ihr mich nicht im Rudel haben wollt!» «Pandora, du weisst, dass das nicht stimmt. Jacy findet nur, dass du noch zu unerfahren bist, um im Rudel mitzulaufen. Er will dich nur ausser Gefahr wissen.» Sie schüttelte den Kopf und seufzte. Dann wandte sie sich mit einer Geschwindigkeit um, die an Überschall grenzte. Mit raschen Schritten näherte sie sich der Tür. »Beeilt euch ihr beiden...» Sie hüstelte »Ich meine, wenn sie auch mitkommt, solltet ihr euch ein wenig sputen.» Mit schnellen Schritten war ich gleichauf mit Pandora. Sie schaute zur Seite und wich geschmeidig einige Schritte zurück. Ich knurrte. War ich etwa giftig? Doch ich sagte nichts dazu und ging stumm neben ihr her.
Als wir uns einer Tür nährten, die lackritzblau gestrichen war, hörte ich, wie Jacy gerade lauthals versuchte, Jacinto davon zu überzeugen, dass man das Fenster ruhig öffnen könne. Er würde ja verdammt noch mal kaum aus dem Fenster klettern! Ohne sich um das Geschimpfe zu kümmern ging Pandora ohne ein geringstes Zögern zu der Türe und klopfte harsch und fordernd. Sofort verstummten die Stimmen und Jacy bellte: »Herein!» Mit einem säuerlichen Lächeln ging Pandora hinein und machte eine spöttische Verbeugung. »Hier sind Eure Besucher mein König.» Er lachte gutmütig und setzte sich leicht ächzend auf. Dann reckte er sich und drückte mich zu meiner grossen Verwirrung an sich. »Hey Amy, bei dir alles in Ordnung?» Plötzlich spannten sich seine muskulösen Arme an, und er schnupperte kurz und scharf in meine Richtung. Dann urplötzlich, wich er vor mir zurück. Nun wurde es aber auch Tay zu viel. »Alter, sie ist immer noch Amy! Sie wird niemandem etwas ...» Doch genau in dieser Sekunde kam die Schulkrankenschwester herein, mit einem Blutbeutel in der manikürten Hand. Sie hängte den leeren ab und öffnete den neuen. Offenbar hatte Calixtus es sich nicht nehmen lassen, ausgiebig von Jacy zu kosten. Zu meiner eigenen Verblüffung spannte sich mein Körper zum Sprung an. Tay sah es und schlang seine muskulösen Arme um meine Taille. »Sch Baby alles okay. Alles okay das ist nur ein bisschen ...» Doch in diesem Moment begriff er, warum ich mich so aufführte. Auch Pandora hatte gemerkt, was los war und sprach unerbittlich den Satz zu Ende:»...Blut. Habe ich dir das nicht gesagt, oder was? Aber natürlich, dein Amybirdbaby tut niemandem etwas. Ha, man sieht's, wenn sie könnte, hätte sie sicher meinen Bruder ausgesaugt. Sie...» «Genug!» Jacy hatte so leise gesprochen, dass man ihn kaum hörte. Doch er gewann an Kraft und wurde immer lauter. »Ich glaube nicht, dass Amy dies absichtlich tat. Tay bring sie doch bitte hinaus.» Pandora schürzte beleidigt die Lippen und schaute zur Seite.
Ich wusste, dass es unklug wäre, mich gegen Tay zu wehren, und ging mit. Tay hatte auf einmal eine steinerne Miene aufgesetzt, und schaute mich nicht an. Es war fast, als ob ich nicht existierte. »Tay?» Mit einem liebevollen Brummen blickte er mich an. Sein Blick war aber in weite Ferne gerichtet und kummervoll. Wenn man mir nun nur seine Augen gezeigt hätte, hätte ich geglaubt, dass sie aus dem Gesicht eines Jungen stammten der schon viel älter als Tay war. Er tat mir leid. »Bist du mir arg böse?» Er lächelte traurig und schüttelte den Kopf. »Ich mache mir nur Sorgen. Wir haben ja gesehen, was passiert, wenn du Blut riechst. Nicht das ich dir nicht vertraue,» fügte er mit einem raschen Blick auf mich hinzu. Denn ich hatte ihn schon entsetzt und leicht verletzt angeschaut. »aber was, wenn, nur zum Beispiel, ich oder ein anderer Mensch einen Unfall hat und Blut verliert? Ja ich weiss, ich bin nicht das Paradenbeispiel eines Menschen, aber es geht um das Prinzip.» Ich überlegte. Leise sagte ich: »Ich glaube kaum, dass ich dich töten würde.» Tay schaute mich nur an. »Liebling, es ist aber die Natur des Vampirs, Blut zu trinken. Und bis auf weiteres bist du ja auch einer.» «Aber das ist total eklig! Ich meine, klar ich habe seltsame Vorlieben, aber Blut gehört eindeutig nicht dazu.» «Gehörte nicht dazu.» «Bedeutet das, dass du Schluss machst?» Er schaute mich nur an. Mir blieb das Herz stehen. Er erwiderte nichts, er widersprach nicht, er ... er....
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Hey zusammen ;-)
Ich versuche immer mal wieder, neue Figuren einzuführen, damit es interessant bleibt. Was haltet ihr von Pandora? Ich habe damals bewusst eine etwas biestigere Person dafür erfunden, damit nicht alle Figuren so nett sind.
Alles Liebe
Moon
PS: mir ist neulich diese Liedversion untergekommen und finde, sie passt irgendwie zum Kapitel, weswegen ich sie nachträglich eingebettet habe.
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Bei Vollmond (langsame Updates)
Hombres LoboAmy zieht zu ihrer Grossmutter nach Salen. Dort trifft sie den gehemnissvollen Jungen Tay. Bald schon erfährt sie, was es mit ihrer Familiengeschichte und den alteingesessenen Familien auf sich hat. Doch auch alte Geschichten folgen ihr in ihr neue...