Als ich am nächsten Morgen zur Schule fuhr, ging mir die nächtliche Versammlung nicht aus dem Kopf. Kainda verbarg etwas vor mir. Obwohl es mitten unter der Woche war, hatte ich das Gefühl, es sei Montagmorgen, so wenig Lust hatte ich auf Schule.Tay neben mir brummelte. Da ich mich letzte Nacht immer wieder im Bett hin und hergeworfen hatte, hatte auch er eine alles andere als ruhige Nacht hinter sich. «Alles okay?», fragte ich sanft und blickte zu ihm hinüber. Er nickte nur. Seufzend parkte ich meinen Scénic ein und stieg aus.
Auf dem Schulhof war der Teufel los. Stirnrunzelnd trat ich näher und sah besorgt, dass Marcel beinahe schon geifernd Jacy gegenüberstand. Jacy hatte sich schützend vor Daimon gestellt. Daimon versuchte vergeblich, Jacy zurückzuziehen, während er sich die Rippen rieb. «Was ist passiert?», fragte ich ruhig und trat aus dem Kreis der Schaulustigen. Marcel wandte sich mit glühenden Augen mir zu. «Was passiert ist?», fauchte er und kam langsam näher. «Kainda! Wo ist sie?» Ich starrte ihn verwirrt an. «Wo sie ist?» «Sie hat gesagt, sie schliefe bei dir.» Ich erstarrte. «Wieso gehst du deshalb auf Daimon los?» «Ich bin nicht auf ihn losgegangen», knurrte er abwehrend und schaute böse zu Daimon, der nach wie vor den Arm um Jacy geschlungen hatte. «Ansonsten würde Jacy nicht so ausflippen. Was hast du gemacht?» «Ich habe ihn nur höflich gefragt, ob er weiss, wann ihr hier eintrudelt. Doch er wollte keine Antwort geben. Was kann ich dafür, dass sein übereifriger Freund glaubt, ihn beschützen zu müssen?», fauchte er mich genervt an. Ich hörte deutlich Marcels Ablehnung gegenüber Jacy und Daimon. Offenbar hatte auch dieses Verhalten sich in den letzten Monaten nicht geändert. Marcel trat unangenehm dicht vor mich und musterte mein Gesicht. «Wo.Ist.Kainda?» Gerade als ich fieberhaft überlegte, was ich antworten könnte, trat meine Kindheitsfreundin neben ihn und fasste ihn am Arm. «Mar, beruhige dich. Es ist alles in Ordnung. Ich bin nur zu Fuss zur Schule gekommen.» Marcel wirbelte herum. Ungläubig musterte er seine jüngere Schwester. Obwohl sie Zwillinge waren, war sie am nächsten Tag geboren worden. Dies war für ihn Grund genug, sie als seine jüngere Schwester anzusehen. Ich konnte verstehen, weswegen er Kainda so musterte. Ihre Haare waren voller Blätter und Zweige, ihre Klamotten waren von oben bis unten mit Erde beschmiert und ihr Rock war verknittert. Samt und sonders sah sie aus, als ob sie im Wald genächtigt hätte. «Wie siehst du denn aus?», fragte er und beäugte sie skeptisch. «Ich bin umgefallen», meinte sie nur schulterzuckend und begann, ihre Kleider abzuklopfen. «Du bist hingefallen?», fragte ihr Bruder skeptisch. Ich wusste, weswegen er das sagte. Wenn sie auch nur etwas Training bekam, sollte sie nicht ganz so schnell umfallen. «Sag ich doch», meinte sie gereizt, kratzte sich am Arm und stakste Richtung Schule.
Die nächsten Stunden vergingen nur äusserst langsam. Tay, welcher nur immer wieder unruhig mit seinen Beinen wippte, sorgte nicht dafür, dass ich mich beruhigte. Während Mr. Phellps versuchte, uns den amerikanischen Bürgerkrieg zu erklären, legte ich unter dem Tisch meine Hand auf Tays Bein, damit er endlich aufhörte, herum zu zappeln. «Kannst du damit aufhören?», wisperte ich leise, während ich immer noch nach vorne zur Tafel schaute. Zerknirscht spähte er zu mir herüber. «Tut mir leid», murmelte er. Ich wandte meine Aufmerksamkeit erneut meinem Lehrer zu, der gerade das Datum 12. April 1861 an die Tafel schrieb. «Was geschah an diesem Tag...», er blickte suchend in die Klasse. «....Miss Redbird?» Räuspernd setzte ich mich etwas gerader hin. «An diesem Tag begann der amerikanische Bürgerkrieg», antwortete ich. «Richtig. Und was war einer der Hauptgründe, Mr. Hummingbird?» Tay zuckte zusammen und antwortete kurz stockend: « Ein wichtiger Hauptgrund war die Sklaverei.» Mr. Phellps nickte. Seine Fragerunde ging noch den Rest der Stunde weiter. Ich spähte hinüber zu Kainda, welche in der vordersten Reihe sass. Neben ihr sass, mürrisch nach vorne blickend, ihr Bruder Marcel. Auch dieser warf seiner Schwester immer wieder Blicke zu. Immer wieder kratzte sie an ihrem Arm herum. Ihr gesamter Oberarm war schon gerötet. Plötzlich verzog sie schmerzhaft ihr Gesicht. «Mar...», murmelte sie und sackte auf ihrem Stuhl zusammen. Marcel, der gerade wieder den Kopf nach vorne gedreht hatte, wirbelte herum und fing seine Schwester auf, bevor sie vom Stuhl rutschen konnte. Ohne sich um die Blicke der anderen zu kümmern, rauschte er, mit Kainda auf den Armen, zur Tür hinaus und verschwand im Flur.
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Hallo meine lieben :-)
Es tut mir sehr leid, solltet ihr lange auf ein neues Kapitel gewartet haben. Jedoch fiel mir der Übergang von der nächtlichen Besprechung zum nächsten Kapitel recht schwer. Deswegen (und damit ihr wieder was zu lesen habt) fiel dieses Kapitel recht kurz aus. Ich hoffe ihr verzeiht mir -.-"
Da ich die Schule noch nicht gezeigt habe, oben findet ihr sie. Natürlich sind auch die Sitzplätze beschriftet (zwar ist auch Calyxtus dabei, aber der Fairness halber, wollte ich ihn erwähnen)
Alles Liebe
Moon
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Bei Vollmond (langsame Updates)
WerewolfAmy zieht zu ihrer Grossmutter nach Salen. Dort trifft sie den gehemnissvollen Jungen Tay. Bald schon erfährt sie, was es mit ihrer Familiengeschichte und den alteingesessenen Familien auf sich hat. Doch auch alte Geschichten folgen ihr in ihr neue...