Manus Sicht
Auch die restliche Nacht blieben jegliche negativen Einstellungen fern von mir und so wachte ich mit einem sanften Lächeln auf den Lippen auf. Kaum hatte ich die Augen geöffnet, schaute ich mich in meinem Zimmer um, hoffnungsvoll. Vielleicht war das ja alles bloß ein Traum und Palle lag neben mir. Doch so schnell wie dieser Gedanke, dieser kleine Funke Hoffnung, in mir aufkeimte, so schnell war er auch schon wieder weg. Natürlich lag er nicht neben mir. Das alles war viel zu real, um ein Traum gewesen zu sein. In diesem Moment spürte ich wieder den Schmerz, die Trauer, die Einsamkeit. Alle Gefühle, die ich empfunden hatte, als mein Engel sich plötzlich in Luft aufgelöst hatte, prallten mit einer Wucht auf mich nieder. Sofort verschwand der erbärmliche Versuch eines Lächelns aus meinem Gesicht. Stattdessen verzehrte sich meine Miene vor Schmerz. Schniefend versteckte ich mein Gesicht in dem weichen Kissen und zog meine Beine eng an meinen Körper. Wieso musste Patrick gehen? Konnte er nicht einfach bei mir bleiben? Schließlich wurde er geschickt, um mich glücklich zu machen. Aber ohne meinen Engel konnte ich einfach nicht glücklich sein. Denn er war all das Glück in meinem Leben. Und mit ihm haben sie mir all meine Freude, all das Glück und vor allem all die Liebe meinem Körper entrissen.
Nachdem ich ein letztes Mal geschnieft, ein letztes Mal die aufkommenden Tränen weggewischt hatte, raffte ich mich auf und schleppte mich ins Bad. Ohne dem Spiegel einen einzigen Blick zu widmen, haute ich mir eine Ladung eiskaltes Wasser ins Gesicht, in der Hoffnung danach nicht mehr allzu verheult auszusehen, und stellte mich schnell unter die Dusche. Während das angenehm warme Wasser auf meine nackte Haut niederprasselte, schwanden meine Gedanken mal wieder zu ihm. Meinen Engel. Erneut stiegen mir Tränen in die Augen, doch bevor ich wiederholt in Tränen ausbreche, versuchte ich meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Dabei stieß ich auf das Thema Schule. Morgen musste ich wohl oder übel wieder dort hin. Ob mich Sebastian weiterhin in Ruhe lässt? Oder wird es nur noch schlimmer, jetzt wo mich niemand mehr beschützen würde? Und da war er wieder, dieser Name, dieses Gesicht, erneut schwebte es in meinem Kopf umher. Als er da war, hatte ich keinen einzigen Gedanken an Sebastian verschwendet. Er hatte mir gezeigt, dass ich es wert war glücklich zu sein. Dass auch ich es verdient hatte, wie jeder andere behandelt zu werden. Dass auch ich ein schönes Leben führen konnte. Er hatte mir geholfen. Er hatte mich beschützt. Er hatte mich gemocht. Er hatte mich geliebt. Er war mein Engel. Er war meine große Liebe. Er ist meine große Liebe. Patrick.
Mit geschlossenen Augen streckte ich mein Kinn in die Höhe, sodass all das Wasser auf mein Gesicht plätscherte. Seufzend rieb ich mir über die Augen. Palle wird wohl nie aus meinen Kopf gehen. Aber wollte ich das überhaupt. Nein. Ich wollte, dass er immer bei mir blieb. Auch wenn nur in Gedanken. Er würde immer ein bedeutender Teil in meinem Leben sein.
Bevor ich noch weiter abschweifen konnte, riss mich die Türklingel zurück in die Gegenwart. Schnell drehte ich das Wasser ab, band mir notdürftig ein Handtuch um die Hüfte und eilte in Richtung Tür. Mit aufgesetztem Lächeln öffnete ich die Holztür, nachdem ich mein Handtuch etwas enger gebunden hatte. Sicherheitshalber hielt ich die Tür nur einen Spalt breit offen und versteckte meinen Körper hinter der massiven Holzplatte. Wer auch immer dort draußen stand, sollte nicht meinen geschundenen Oberkörper sehen. Auch wenn die letzten Schläge von Sebastian oder meinem Vater bereits eine Weile her waren, konnte man noch deutlich die Hämatome und Narben sehen.
In meinem Blickfeld erschien eine etwas ältere Frau, ein schlichter Hosenanzug schmiegte sich an ihren etwas fülligeren Körper. Ihre blonden Haare hatte sie zu einem strengen Dutt zusammengebunden und alles in einem sah sie sehr streng aus. Zudem sie ihre schmalen Lippen zu einem geraden Strich gepresst hatte und sich nicht einmal die Mühe gab, irgendwie nett auszusehen.
,,Büttinger?", hallte ihre laute Stimme bestimmt durch die ganze Nachbarschaft, nachdem sie mich mit ihren kalten Augen gemustert hatte. Etwas eingeschüchtert von ihrer Art gab ich bloß ein krächzendes ,,Ja?" zustande. In der ganzen Zeit huschten die dunklen Augen der Dame über mein Gesicht und schienen jedes kleine Detail zu inspizieren. Zurück bei meinen Augen stoppte sie und schien sich ihre Worte im Kopf nochmal zurecht zu legen.
,,Mir wurde gesagt, dass Sie seit mehreren Wochen alleine hier wohnen. Ist das wahr?", sprach sie monoton und versuchte, sich an mir vorbei ins Haus zu drängeln. Etwas überrumpelt stolperte ich ein paar Schritte rückwärts, bis ich mit dem Rücken an der Wand anstieß. Überfordert beobachtete ich, wie die fremde Dame das Haus unter die Lupe nahm und in jedes Zimmer einen genauen Blick warf. Nach kurzer Zeit blieb sie vor mir stehen und schaute zu mir auf, da sie selbst mit ihren hohen Schuhen kleiner war als ich.
,,Da ich hier keinerlei Anzeichen einer Aufsichtsperson auffinden kann, nehme ich an, dass es wahr ist. Deshalb fühle ich mich dazu verpflichtet, Ihnen mitzuteilen, dass im Verlauf des Tages ein Jugendamtmitarbeiter hierher geschickt wird, um Sie mitzunehmen. Er wird Sie in ein Heim für Jugendliche wie Sie bringen. Jugendliche, dessen Elternteile oder nähere Verwandte sich nicht dazu verpflichtet fühlen, sich um sie zu kümmern. Ich würde Sie bitten, notwendige Sachen sowie Gegendstände, die ihnen sehr am Herzen liegen, einzupacken, den Rest jedoch hier zu lassen. Ich wünsche ihnen viel Glück und einen schönen Tag noch!", brabbelte die alte Tante los und verzog während ihres gesamten Monologs keine Miene. Als sie zu Ende gesprochen hatte, streckte sie mir die Hand entgegen, die ich vollkommen überfordert ignorierte, nickte mir zu, nachdem die bemerkte, dass ich ihre Hand nicht schütteln werde, und stolzierte ohne weiteren Blickkontakt zur Tür, die hinter der Frau laut ins Schloss viel. Erst dann realisierte ich, was sie eben zu mir gesagt hatte.
Die wollen mich in ein Kinderheim stecken!
Heyho liebe Leute und vielen Dank fürs Lesen von Kapitel 5. Ja, es geht alles sehr schleppend, aber es geht.
Zudem möchte ich auch hier nochmal einen herzlichen Dank aussprechen. Immerhin hat Stay vor wenigen Tagen die 10k Marke geknackt. 10k Reads, eine unfassbar große Zahl. Nie im Leben hätte ich gedacht, je so viel zu erreichen. Vielen vielen Dank
{1217 Wörter}
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Stay 2 [Kürbistumor] ✅
FanfictionFortsetzung von Stay [Kürbistumor] Als Patrick seinen Auftrag erfüllt und die Erde verlassen hatte, ließ er Manu ganz alleine zurück. Dieser fühlte sich zu dieser Zeit einsamer als je zuvor. Zudem kommen viele Hindernisse auf ihn zu und Manu weiß ni...