Manus Sicht
Kaum erschien die komische Tante, deren Name mir im Moment ziemlich egal war, in meinem Blickfeld, legte sich ein siegessicheres Grinsen auf ihre Lippen. Am liebsten würde ich ihr dieses Grinsen aus dem Gesicht schlagen, aber das war nicht meine Art. Auch wenn sie es echt verdient hätte.
Mit hängendem Kopf und einem fehlenden Selbstbewusstsein stolperte ich auf sie zu, meinen Koffer hinter mir herziehend. Beide standen immer noch am selben Fleck wie zuvor, belagerten die Haustür.
Gerade als Felix noch da war, waren mir ihre Blicke egal gewesen. Doch jetzt, wo ich ganz alleine dastand, fühlte ich mich verdammt unwohl unter eben diesen. Sofort bereute ich meine Entscheidung, Felix weggeschickt zu haben.
Schon spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und die dazugehörigen Fingernägel, die sich schmerzvoll in meine Haut bohrten. Unsanft werde ich nach vorne gestoßen und hörte nur noch, wie die Tür hinter mir mit einem lauten Knall ins Schloss fiel. Dann befand sich auch schon die nächste Hand auf meiner Schulter, diesmal auf der anderen Seite und mit einem deutlich gröberen Griff.
Das war es wohl. Ich musste doch tatsächlich in ein Heim. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, behandelten mich diese Leute auch noch wie den letzten Dreck. Was hatte ich eigentlich getan, dass jeder so mit mir umging?
,,Hey, was machen sie da?", ertönte von weiter weg eine ziemlich zornig klingende Stimme. Sofort erkannte ich diese und stieß einen erleichterten Seufzer aus.
Die Hand, die mich zwang, nach vorne zu gehen, verschwand von meiner Schulter und ich blieb augenblicklich stehen. Freudig drehte ich mich um und erblickte wenige Meter entfernt einen unfassbar wütend aussehenden Michael. Mein Held der Stunde.
,,Fassen sie ihn noch ein Mal so an und ich kann für nichts mehr garantieren!", brüllte er die beiden Jugendamt Mitarbeiter beinahe an und schob mich sanft hinter sich. Sofort drückte ich mich an ihn und krallte meine Hände glücklich in seinen Pullover. Micha warf mir ein aufmunterndes Lächeln zu, ehe er seinen Arm um meine Schulter legte, um mich nur noch fester an sich zu drücken.
,,Wie können Sie es wagen, so mit uns zu sprechen. Wir sind hier, um diesen minderjährigen Jungen, der offensichtlich für längere Zeit ohne Aufsicht in diesem Haus gelebt hat, in ein Heim zu bringen, wo sich jemand gut um ihn kümmern wird." Mit aufgesetzter Freundlichkeit wandte sie sich zu Micha, der sie jedoch unbeeindruckt musterte.
Nach kurzer Zeit erkannte ich aus dem Augenwinkel, wie sich auf die Lippen meines momentanen Beschützers ein kaum merkliches Grinsen legte.
,,Längere Zeit ohne Aufsicht? Darf man etwa nicht mehr kurz in die Stadt gehen, um ein paar Briefe zu verschicken? Ich bitte sie, das ist doch lächerlich." Gespielt entsetzt geigte Micha den beiden Mitarbeitern einmal ordentlich seine Meinung und sie scheinen ihm die Geschichte doch echt abzukaufen. Auf das Gesicht der komischen Tante legte sich ein geschockter Ausdruck, während der fette Typ neben ihr sich einen feuchten Scheiß für die momentane Situation zu interessieren schien.
,,Es tut mir furchtbar leid, ihnen solche Umstände bereitet zu haben. Uns wurde gesagt, dass Manuel keine Eltern hat, die auf ihn Acht geben", entschuldigte sich die Frau hastig.
,,Nur weil er keine Eltern hat, heißt das nicht, dass niemand für ihn da ist. Ich würde sie nun gerne bitten, das Grundstück zu verlassen. Sie haben hier nichts mehr verloren", meinte Micha in höflichem Ton und drückte mich noch kurz an sich, als die Beiden an uns vorbei gingen. Er ließ mich erst los, als sie mit ihrem Auto aus unserem Sichtfeld verschwunden waren.
Doch keine Sekunde später fiel ich ihm um den Hals und zerquetschte ihn fast, so dankbar war ich ihm. Er hatte es doch tatsächlich geschafft, die beiden loszuwerden. Dank ihm musste ich nicht in ein Heim, sondern durfte hier bleiben.
Ich konnte es gar nicht in Worte fassen, wie glücklich und dankbar ich in diesem Moment war, weshalb ich einfach andauernd ,,Danke" in Michas Halsbeuge nuschelte.
Und dann war es um mich geschehen. All die Ereignisse der letzten Tage prallten auf mich ein und schienen mich förmlich zu erschlagen. Tränen bildeten sich in meinen Augen und rollten kurz darauf über meine Wange. Kraftlos sackte ich in Michas Armen zusammen und immer wieder verließen herzzerreißende Schluchzer meine Kehle.
Ohne das ich es wirklich mitbekam, hob Micha mich hoch und trug mich in mein Zimmer, während er mir immer wieder beruhigende Worte zuflüsterte und mir liebevoll über den Rücken strich.
Ich spürte nur noch die weiche Matratze unter mir, bevor ich erschöpft und mit tränenüberströmtem Gesicht einschlief.
Mögt ihr Micha?
Wer ist euer Lieblingscharakter in dieser FF?
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[807 Wörter]
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Stay 2 [Kürbistumor] ✅
FanfictionFortsetzung von Stay [Kürbistumor] Als Patrick seinen Auftrag erfüllt und die Erde verlassen hatte, ließ er Manu ganz alleine zurück. Dieser fühlte sich zu dieser Zeit einsamer als je zuvor. Zudem kommen viele Hindernisse auf ihn zu und Manu weiß ni...