Ich wusste nicht, wie lange ich dort einfach nur gesessen war, und wie ein Kleinkind über die Ungerechtigkeit der Welt geweint hatte. Gebracht hat es auch nichts, außer das ich nun eine verstopfte Nase hatte. Als ich um das Sofa herum blickte, erschrak ich. Die Zeiger der Uhr behaupteten, dass ich nur noch fünf Minuten hatte.
Verdammt. So verheult konnte ich schlecht raus gehen.
Ich wischte mir die Tränen ab und stolperte zum Waschbecken. Mein Gesicht war komplett angeschwollen und rot.
Wütend schaute ich mein Spiegelbild an, als ich den Wasserhahn auf so kalt wie möglich stellte. Danach unterzog ich mein Gesicht einer Schocktherapie. Am Ende spürte ich es zwar nicht mehr aber das Ergebnis war, laut Spiegel, zumindest zufrieden stellend. Man sah kaum noch, dass ich geweint hatte. Zumindest, wenn man gutmütig mit mir war. Aber eigentlich war es auch egal. Warum sollte ich nicht weinen dürfen. Jeder sah schon von weiten, dass ich keine Chance hatte. Selbst Parsley wirkte stärker gegen mich.
Die Tür wurde aufgestemmt und riss mich aus meinen Gedanken. Erschrocken fuhr ich herum, als der Friedenswächter mich böse an funkelte.
„Die Zeit ist um.", knurrte er nur genervt und winkte mich nach draußen. Ich ergab mich meinem Schicksal und folgte seiner Anweisung.
Fee stand draußen und wartete auf uns, während sie ihre Fingernägel begutachtete.
„Da bist du ja.", freute sie sich und klatschte in die Hände.
Als Parsleys Tür aufging, erwartete ich, dass Emlek ebenfalls herauskommen würde, doch es war nur mein Distriktpartner, der mir mit hängenden Kopf entgegenkam. Aus dem Zimmer lugte ein Mädchen in meinem Alter, mit tränennassen Augen. Seine Freundin wahrscheinlich. Immerhin würde ihn jemand anfeuern oder auch vermissen, wenn er starb.
Niemand hatte viel Hoffnung für uns. Ein Gewinner in siebenundzwanzig spielen, war nicht unbedingt eine gute Bilanz.
„Wo ist Emlek.", quietschte Fee neben mir. Parsley zuckte nur mit den Schultern und ich machte es ihn nach, wodurch sich ihr Gesicht zu einem Schmollen verzog.
„Nie wartet er. Immer geht er schon in den Zug. Dabei sind doch nachher alle Kameras da.", beschwerte sie sich, doch ich hörte kaum zu. Es stimmte. Emlek hatte nie seine Tribute zum Zug begleitet. Ihm reichte anscheinend die Menschenansammlung bei der Ernte, da brauchte er sie eine Stunde später nicht noch einmal. Warum war er also dieses mal länger geblieben? Nur um mir zu sagen, dass er mir helfen wollte?
Das passte nicht zu ihm aber was wusste ich schon von seiner Vergangenheit. Nichts. Wahrscheinlich wusste er nicht einmal mehr, dass ich das Mädchen war, in welches er damals fast rein gerannt wäre.
Mit einer schmollenden Fee setzten wir uns in Bewegung Richtung Bahnhof. Der Weg war nicht weit in unserem Distrikt, wodurch wir ihn zu Fuß, abgeschirmt von Friedenswächtern, zurück legten. Fee plapperte dabei ununterbrochen aber ich hörte ihr nicht einmal zu. Unbewusst suchte ich die Menge, nach einem Gesicht hab, welches ich ja doch nicht finden würde. In meinem Inneren wollte der Teil, der eben doch nur ein verängstigtes kleines Kind war, das Gesicht seines Vaters sehen, der sich Sorgen machte und ebenfalls traurig war, wie Parsleys Familie. Natürlich war er nicht da. Ich wusste es, bevor ich ihn suchte, aber ich konnte nicht anders. Zumindest fand ich so Greeas Gesicht in der Menge, die mir aufmunternd zu lächelte, auch wenn in ihren Augen Tränen standen. Mit einem unauffälligen nicken, versuchte ich ihr zu zeigen, dass ich verstand, warum sie nicht zu mir gekommen war. Niemand wusste von unserer Verbindung und niemand sollte davon erfahren. Mein Vater würde wahrscheinlich nur auf die alte Frau losgehen, genau wie ihre eigene Tochter, die selber gerne mehr von ihrer Mutter abbekommen wollte. Wenn es um das Verhungern ging, war sich eben jeder selbst der nächste.
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Remeny & Emlek - Stumme Schreie
FanfictionVor sechs Jahren trafen sie sich zum ersten mal. Er ein Junge ohne Erinnerungen, sie ein verängstigtes kleines Mädchen. Nun treffen sie wieder auf einander. Dieses mal als Mentor und Tribut. Nichts ist sicher in der Welt der 28 Hungerspiele, nur ein...