Als ich am nächsten Morgen aufwachte war ich als allererstes überrascht darüber, dass ich heute Nacht keinen Albtraum hatte. Doch als ich dann die Wärme neben mir spürte schließ ich sofort darauf, auch wenn das Blödsinn war. Wieso sollte Remeny der Grund dafür sein dass ich keine Albträume hatte? Vermutlich lag es einfach daran dass wir noch nicht im Kapitol waren. Sobald wir da ankamen würden sie mich wieder einholen. Dann, versuchte ein Teil in mir immer noch die Theorie durchzusetzen, wenn Remeny nicht mehr neben mir lag.
Remeny.
Sie lag immer noch an mich gekuschelt und umschlossenen von meinem Arm da.
Langsam öffnete ich die Augen und blickte zu ihr, doch ich konnte nicht erkennen ob sie wach war oder schlief. Ich hätte mich dazu bewegen müssen, doch ich wollte nicht riskieren dass sie davon aufwachte.
Plötzlich überkam mich wieder dieses Bedürfnis sie zu berühren und dieses Mal fand ich auch den Mut dazu. Wenn sie schlief dann würde sie das gar nicht mitbekommen, also was hätte ich zu verlieren?
Langsam und vorsichtig hob ich meine Hand um sie an der Wange zu berühren.
Doch kaum hatten meine Fingerspitzen sie gestreift zuckte sie ängstlich zusammen. Ihr Körper spannte sich an und verkrampfte.
„Entschuldige.", murmelte ich nur und drehte mich dann von ihr weg. Zu peinlich war es mir wie sie auf die Berührung reagiert hatte.
Warum nur musste ich so dumm sein und dem nachgeben? Seit wann verspürte ich überhaupt solche Bedürfnisse?
„Muss los, sind bald da.", stammelte ich weiter mit wieder gewohnt mürrischer Stimme und stand auf. Ich wollte nur noch raus aus diesem Zimmer.
„Danke.", gab sie verwirrt zurück und ließ mich inne halten. „Danke, dass du da geblieben bist."
Ich hörte wie sie sich aufsetzte, drehte mich aber nicht zu ihr um.
„Tut mir Leid.", sprach sie weiter. „Es... meistens begannen die Schläge mit einem Streicheln über die Wange."
Langsam drehte ich mich um und blickte in ihr Gesicht. Man konnte deutlich erkennen wie schwer es ihr fiel darüber zu sprechen. Sie sah so verletzlich und zerbrechlich aus, ich wollte sie wieder in die Arme nehmen, doch ich blieb wo ich war.
Ich wusste nicht seit wann ich solch einen Beschützerinstinkt verspürte, doch ich vermutete dass es daran lag, dass ich mir zum Ziel gesetzt hatte, Remeny lebend aus der Arena zu bringen. Dabei du durfte ich nicht versagen, deshalb nahm ich das wohl auch so ernst.
„Ich würde dir nie etwas tun.", platzen die Wörter aus mir heraus, ehe ich sie aufhalten konnte.
„Ich weiß.", antwortete sie und klang ehrlich, woraufhin meine Mundwinkel leicht nach oben zuckten.
„Zieh dich um, wir müssten bald da sein.", gab ich zu bedenken und ging anschließend zur Tür.
Doch bevor ich sie öffnete drehte ich mich noch ein letztes Mal um.
„Bitte zeig dich selbstbewusst. Wir brauchen Sponsoren. Andernfalls wird es schwer für mich dich rauszuholen."
Danach verließ ich das Zimmer.
Ich machte mich auf den Weg in mein Abteil, da ich schlecht mit der gleichen Kleidung wie gestern Abend zum Frühstück erscheinen konnte, und sprang dort schnell unter die Dusche. Lang konnte ich das Wasser allerdings nicht genießen, da mir nicht mehr viel Zeit blieb.
Ich nahm das erstbeste aus dem Schrank das mir in die Finger kam und machte mich dann auf in den Speisewagen, wo Parsley scheinbar auf mich wartete, da er mich sofort zu sich winkte. Seufzend setze ich mich und bestellte bei einem Avox als erstes eine Tasse Kaffee.
Ein paar Minuten gewährte mir Parsley, ehe er die Stille durchbrach.
„Hast du dir schon einen Plan überlegt?"
Es dauerte einen Moment bis ich verstand was er von mir wollte.
„Halt dich vom Füllhorn fern.", sagte ich spontan was mir jedoch am sinnvollsten erschien. Dem Gemetzel war er eindeutig nicht gewachsen.
„Dann stehe ich ohne Proviant und Waffe da, so überlebe ich doch nicht lange. Ich muss dahin.", widersprach er mir und ich zog eine Augenbraue nach oben.
„Dann stirbst du gleich zu beginn.", gab ich trocken zurück, doch wieder hatte er eine andere Meinung dazu.
„Nein, ich schaffe dass schon."
Langsam wurde ich wütend. War ich der Mentor oder er? Und warum will er meinen Rat wenn er doch nicht auf mich hört?
Ich setzte zu einer erneuten Antwort an, doch in diesem Moment hörte ich wie die Tür aufschwang und jemand das Abteil betrat. Da Fee um diese Uhrzeit noch Schönheitsschlaf betrieb konnte es nur Remeny sein.
Wie sollte ich reagieren? Sollte ich etwas zu ihr sagen? Immerhin lagen wir die ganze Nacht eng aneinander gekuschelt im Bett. Doch falls ich den Mut aufbrachte, welche Worte sollte ich wählen?
Parsley erzählte weiter, doch ihn beachtete ich nicht mehr. Stattdessen war ich mit meinem inneren Konflikt beschäftigt der zu keinem Ergebnis kam. Aus diesem Grund beschloss ich das zutun was ich am besten kann. Schweigen.
Doch dies schien eine Eigenschaft zu sein die Parsley absolut nicht beherrschte, denn er entdeckte sie und begrüßte sie überschwänglich.
„Guten Morgen Remeny.", meinte er und blickte dann in ihre Richtung.
Verdammt. Jetzt kam ich nicht mehr aus.
Auch ich drehte den Kopf und blickte sie an, brachte aber keinen Ton heraus. Stattdessen nickte ich ihr zu.
„Morgen Parsley.", antwortete sie, mich beachtete sie dabei nicht.
„Komm her. Du solltest was essen bevor wir im Kapitol ankommen.", meinte er freundlich und klopfte neben sich auf den Stuhl.
Langsam kam sie der Aufforderung nach.
Schweigend aßen wir unser Frühstück und ich genoss dabei einfach nur die Stille. Ich wusste dass ich, sobald wir im Kapitol ankamen, nicht mehr viel davon haben würde. Doch auch hier sollte es mir nicht lange vergönnt sein, da wieder einmal Parsley die Stille durchbrach.
„Und? Hast du gut schlafen?", fragte er an Remeny gewannt.
Ich spürte wie ich leicht rot wurde und tat nun als würde ich mir das Brötchen genauer ansehen, welches auf meinem Teller lag.
„Wunderbar.", antwortete sie und erneut wollte sich ein Lächeln auf meine Lippen stehlen, welches ich aber erfolgreich unterdrücken konnte. Wenn das so weiter ginge dann würde ich noch einen Muskelkater in den Mundwinkeln bekommen.
Parsley plauderte munter weiter ohne dabei zu merken dass er eher mit sich selber sprach als mit einen von uns. Unterbrochen wurde er erst von Fee, als diese, natürlich bestens gelaunt, in das Abteil stöckelte.
„Oh seht nur, ist es nicht herrlich?", fragte sie doch ich lies nur ein Schnauben von mir hören.
Wir waren also da, hatten das Kapitol erreicht. Nun begannen für mich die schrecklichsten Tage des ganzen Jahres.
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Remeny & Emlek - Stumme Schreie
FanfictionVor sechs Jahren trafen sie sich zum ersten mal. Er ein Junge ohne Erinnerungen, sie ein verängstigtes kleines Mädchen. Nun treffen sie wieder auf einander. Dieses mal als Mentor und Tribut. Nichts ist sicher in der Welt der 28 Hungerspiele, nur ein...