Remeny & Emlek - Stumme Schreie | Kapitel 20 Emlek

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Draußen angekommen hämmerte ich wie gewohnt auf den Knopf und huschte in den Fahrstuhl um mit ihm auf das Dach zu gelangen.Dort empfing mich sofort ein kühler Wind und langsam kam ich auch wieder etwas herunter.

Es passierte selten dass mich etwas aus der Fassung brachte, doch seit ich Remeny kannte kam das immer öfter vor.

Ich ging zur Umrandung des Daches und spähte nach unten auf die belebten Straßen des Kapitols.

Ein paar Mal stand ich schon hier, dachte daran wie einfach es wäre wenn ich springen würde, doch irgendwas hielt mich immer wieder davon ab. Seufzend lehnte ich mich gegen die Mauer und rutschte dann daran herab.

Ich dachte zurück an vorhin und wünschte mir Fee wäre nicht gekommen. Was wäre dann passiert? Würden wir immer noch in meinem Bett liegen?

Auch wenn ich nicht so weit gehen wollte war ich doch machtlos gewesen. Hatte meinen Willen verloren.

Ich glaubte sie zu lieben. War das möglich? Auf die kurze Zeit? Nein. Liebe war doch etwas für Schwächlinge und so einer war ich nicht. Außerdem, für Liebe gab es keinen Platz. Nicht in den Hungerspielen.

Eine Zeit lang saß ich da, bis es mich irgendwann fror und ich zurück in mein Zimmer schlich.

Nur in meiner Jogginghose legte ich mich ins Bett, doch an Schlaf war gar nicht zu denken. Die ganze Zeit dachte ich nur daran wie kalt und einsam es hier ohne sie war. Und deshalb tat ich das Einzige was mir sinnvoll erschien. Ich ging zu ihr.

Vor Remenys Tür hielt ich noch einmal inne, ehe ich leise ihren Namen flüsterte und daran klopfte. Ich wollte nicht einfach so in ihr Zimmer platzen, wer weiß ob sie nicht sogar schon schlief.

Es dauerte nicht lange und die Tür wurde geöffnet. Remeny stand vor mir, nur in einen Bademantel gehüllt, und starrte mich an. Oder vielmehr meine nackte Brust. Ich hätte mir doch etwas überziehen sollen.

Sie ging zurück zu ihrem Bett und kroch hinein, während sie mich an der Tür stehen lies. Durfte ich reinkommen? Oder wollte sie mich nicht hier haben? Himmel, ich wusste nie was sie dachte!

"Ich konnte nicht schlafen. Nicht ohne dich.", sagte ich leise, da mir die Stille zu unangenehm wurde.

Hätte mir vor einer Woche jemand gesagt ich hätte die Stille mal satt, ich hätte ihn ausgelacht. Zumindest innerlich.

"Dann komm her.", entgegnete sie.

Eigentlich hätte mich ihre Antwort freuen sollen, doch der Klang ihrer Stimme verhinderte das.

"Sicher? Ich kann auch wieder gehen. Brauche nicht so viel Schlaf.", meinte ich nur und spielte nervös mit meinen Fingern, bereit wieder zu gehen.

Irgendwie kam es mir vor als war das im Bett nicht heute sondern vor Jahren passiert.

"Ich kann ohne dich auch nicht schlafen.", antwortete sie und automatisch wurde mir leichter ums Herz.

Ich ging auf sie zu und setzte mich zu ihr aufs Bett, ehe ich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich.

"Tut mir leid wegen vorhin."

"Schon gut.", meinte sie und kuschelte sich in meine Hand, doch ich merkte dass etwas nicht stimmte.

"Nein ist es nicht. Ich hätte nicht gehen dürfen, aber ich hielt es nicht mehr aus. So viele Gefühle auf einmal, das kenne ich nicht.", fuhr ich deshalb fort.

„Denkst du ich?", konterte sie leise und sah mich nun an. „Bevor ich als Tribut ausgelost wurden bin, war ich in meinem Leben kaum berührt worden. Da waren keine Umarmungen, keine Küsse oder Hände die mich hielten. Die einzigen Berührungen die ich kannte waren Schläge. Und dann kamst du und bringst mich durcheinander. Alles ist Neu für mich. Vorhin... das war schön... ich wollte mehr ohne zu wissen, was das ist, doch ich habe mich sicher bei dir gefühlt. Dann kam Fee und du warst auf einmal weg. Hast mich allein gelassen. Fees Blick..." ihre Stimme brach und sie sah wieder weg, „Ich hab mich gefühlt, als hätte ich etwas falsches und verbotenes getan."

Ihre Ehrlichkeit traf mich unerwartet hat und automatisch verspürte ich einen Stich in der Brust.

"Es tut mir wirklich leid. Dass ich so ein Idiot bin. Aber ich hatte so etwas noch nie. Nichts mit Gefühlen. Nichts, wo mir der Gegenüber so wichtig war. Ich muss mich erst daran gewöhnen zu erkennen wie weit meine Handlungen reichen.", sagte ich und starrte nun wieder auf meine Hände. Zum ersten Mal fühlte ich mich in ihrer Nähe unwohl.

Sie legte ihre Hand auf meine vernarbte Wange und sofort schloss ich die Augen. Dort berührt zu werden war immer noch ungewohnt doch schön zugleich.

„Dann lass uns gemeinsam daran gewöhnen. Du hast mich gebeten dir zu vertrauen, als vertrau auch mir, dass ich dich nicht allein lasse. Lauf weg, vor wem du willst aber nicht ohne mich und erst recht nicht vor mir.", entgegnete sie und zauberte mir damit ein Lächeln auf die Lippen, dass aber augenblicklich wieder erlosch.

"Du lässt mich allein. Schon übermorgen. Lass es nicht für immer sein.", flehte ich regelrecht.

Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen nahm sie mein Gesicht auch schon in ihre Hände.

„Ich komme wieder. Ich werde alles versuchen und alles tun was dafür nötig ist. Egal was es mich kostet. Und wenn ich sterben sollte.", sagte sie und automatisch verkrampfte ich bei diesen Worten, „dann bin ich trotzdem noch bei dir. Versprochen."

„Nein. Du stirbst nicht.", sagte ich sofort bestimmt und schüttelte dabei wie verrückt den Kopf. Nein. Es durfte einfach nicht passieren, ich hielt das nicht aus!

„Emlek.", flüsterte sie leise meinen Namen, doch ich reagierte nicht darauf. Ich wollte einfach nicht darüber reden. Denn selbst wenn ich nur daran dachte zog sich mein Magen zusammen und ich wäre am liebsten weg gerannt. Weg, um vorm Schmerz zu flüchten, der sich heimlich in meine Brust schlich.

„Emlek!", erneut nannte sie mich beim Namen, dieses Mal jedoch lauter.

Ich drehte den Kopf und sah ihr in die Augen.

„Nicht.", flüsterte ich.

„Nur weil du nicht darüber reden willst, heißt es nicht, dass es nicht passieren kann!", meinte sie, doch wieder schüttelte ich nur den Kopf.

„Ich bin müde und auch du solltest schlafen. Morgen steht dir ein ziemlich anstrengender Tag bevor.", versuchte ich vom Thema abzulenken.

„Wie soll ich schlafen", antwortete sie und ihre Stimme war nur ein flüstern, „wenn du mich mit meiner Angst alleine lässt."

Remeny senkte den Blick und legte sich hin, sodass ich nun nur noch ihren Rücken ansehen konnte, während ihre Worte in mir ein unangenehmes Gefühl auslösten. Sofort fühlte ich mich schlecht.

„Ich will dich doch gar nicht allein lassen. Am liebsten würde ich für dich in die Arena gehen, doch das geht nicht. Stattdessen muss ich hier hilflos sitzen und zusehen, und das macht mir im Moment unglaublich zu schaffen."

„Dann halt mich fest, solange du noch kannst.". entgegnete sie und nur zu gern kam ich dieser Aufforderung nach.

Sie kuschelte sich in meine Arme und drehte sich dann darin herum, um mich ansehen zu können. Ihre Lippen berührten zärtlich die meinen und ich schloss zufrieden die Augen. Genau das brauchte ich in diesem Moment. Remeny in meinen Armen.

Sie beendete den Kuss und sah mir dann tief in die Augen, ehe sie wieder zu sprechen begann.

„Ich liebe dich."

Überrascht riss ich meine Augen auf, ehe mein Herz wie wild zu klopfen begann.

Liebe. War es das was ich für sie empfand?

All die Jahre, in denen ich immer ein Auge auf sie hatte und sie beobachtete.

Der Wunsch dass sie überlebte, das Bedürfnis sie zu beschützen.

Doch erst die Hungerspiele ließen diese Zuneigung wachsen und machten mir klar wie ich zu ihr stand. Meine Mundwinkel zogen sich nach oben und ich konnte nicht anders als sie anzulächeln.

Ich hob eine Hand und strich ihr damit sanft über die Wange, ehe ich etwas erwiderte.

„Ich dich auch."

Remeny & Emlek - Stumme Schreie Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt