Kapitel 36

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"ICH WERDE ES IHM NICHT SAGEN, PAN!"
Die Worte hallten immer wieder durch meinen Kopf. Er telefonierte. Mit Pan. Schlagartig wurde mir schwindlig und ich fühlte, wie ich leicht nach hinten taumelte. Die Luft wurde trocken und schnürte meinen Hals zu. Wahrscheinlich gleichte meine Gesichtsfarbe, frisch gefallenem Schnee und tatsächlich fühlte es sich an, als würde ich in einem T-Shirt durch das Winterwunderland marschieren. In meinem Hals bildete sich ein Kloß und ich hatte kurz das Gefühl, keine Luft mehr zubekommen. So gut es ging schluckte ich den Kloß in meinem Hals hinunter und fragte mit zittriger Stimme: "Was sagst du mir nicht?" Der Versuch selbstsicher zu klingen, scheiterte. Tobi drehte sich ruckartig um und blickte mir mit offenem Mund ins Gesicht. Auch ihm wich die Farbe aus dem Gesicht. Er stammelte nur: "I-ich..." - "WAS wirst du mir nicht sagen?", sagte ich nun mit festerer Stimme, während ich meine Augen schloss. Meine Panik, änderte sich schlagartig in Wut und Trauer. "N-Nichts.. Das ist.. äh.. eine Überraschung." Er war der schlechteste Lügner, den ich je gesehen habe. Dachte er ernsthaft ich würde ihm das abkaufen? "Verarsch mich nicht!", herrschte ich ihn an, unwissend, woher ich überhaupt diese Sicherheit gerade gewonnen hatte. "Tu ich nicht!" Tobi warf abwehrend seine Hände in die Luft und schüttelte den Kopf. "Denkst du echt, ich hätte nichts mitbekommen? Ich bin nicht blöd! Sag mir endlich was los ist, verdammt oder du siehst mich nie wieder." Er schwieg und blickte mir einfach in's Gesicht, ohne sich zu rühren. Nach kurzer Zeit der Stille atmete er tief ein und fragte ruhig: "Woher? Woher willst du wissen, dass es etwas mit dir zutun hat oder das überhaupt was los ist und ich gelogen hab, bezüglich der Überraschung." In meinem Kopf spielten sich die Ereignisse der letzten Zeit ab. Alles, von vorne bis hinten, von dem ersten Anzeichen bis jetzt. Es war wie ein Flashback, der im ungünstigsten Moment kam und obwohl ich versuchen musste, nicht irgendwie zusammenzubrechen oder jeden Moment einen Wutanfall zu haben, sprach ich dennoch ziemlich ruhig: "Zuerst hatte ich eine leichte Vorahnung, als Pan am Telefon so komisch war aber ich hab es vergessen, als sie mir versicherte, alles sei in Ordnung. Doch dann fiel mir etwas auf. Euer Umgang miteinander war anders als sonst und immer wenn das Thema "Tobi" aufkam, war sie komisch. Dann fingst du an die Aufnahmen auszulassen und sie war wieder normal. Irgendwann bekam ich dann ein Telefonat mit und mir war klar, es ging dabei um mich und das du mir irgendwas verheimlichst. Ich hab es aber darauf beruhen lassen, weil ich mir einredete, es mir eingebildet zu haben. Eines Nachts hast du eine Nachricht von Pan bekommen und als ich auf dein Handy geschaut hatte, war alles andere gelöscht. Wahrscheinlich, damit ich nichts finde. Ich hab sie darauf angesprochen und sie hat mir indirekt gesagt, dass wirklich etwas los ist aber sie es mir nicht sagen kann. Das wäre dein Job. Ich hab dann alles kombiniert und tatsächlich hab ich auch den Abstand zu mir bemerkt. Also was ist verdammt nochmal los? Und wehe du erzählst mir noch eine Lüge." Bei meinem letzten Satz seufzte ich. Erstaunlicherweise fühlte ich nichtmal Trauer oder Wut. Ich fühlte mich nur leer. Ich hatte die Ereignisse so oft durchgedacht, dass ich mich irgendwie an sie gewöhnt hatte aber ich wusste auch, dass wenn ich es noch länger mit mir rumtragen würde, es nicht gut für mich wäre und erst recht nicht für unsere Beziehung. Bis zu dem Punkt hatte ich noch die Hoffnung es würde sich um eine Kleinigkeit handeln und das es nur halb so wilde wäre. Niemals hätte ich daran gedacht, dass es mich komplett zerstören würde. "Es tut mir leid", murmelte er in seinen Kragen hinein. "Was genau tut dir leid?", fragte ich relativ gleichgültig, obwohl es das nicht war. "Ich weiß nicht genau, wo ich anfangen soll" Langsam blickte er nach oben, in meine Augen und ich konnte sehen wie sich Reue in seinen spiegelte. Er war nicht sauer auf Pan, dass sie es mir gesagt hat, obwohl ich das erwartet hatte. Wahrscheinlich wusste er, dass es sowieso früher oder später herausgekommen wäre. Das hätte es auch gemusst. "Am Anfang?", schrie ich fast. Meine Emotionen schwankten schlimmer als ein Schiff bei starkem Wellengang, da ich selbst nicht genau wusste, wie ich mich verhalten sollte. Die Situation überforderte mich zu sehr. "Lass uns bitte erstmal reingehen." Tobi blickte in der Gegend herum, um zu gucken ob uns jemand hörte oder zusah. Rückwärts ging ich in die Tür, aus der ich gerade erst raustat. Ich nahm mir nicht die Zeit, meine Jacke und meine Schuhe wieder auszuziehen. Immerhin musste ich auf alles vorbereitet sein. "Ich- Ich hab es nicht so gemeint. Ich wusste nicht, dass es so ablaufen würde und ich wollte dich nie verletzen. Das musst du mir glauben.", flehte er mich förmlich an. "Es wäre hilfreich wenn du mal Klartext reden würdest." - "Ich hab Angst", flüsterte er plötzlich und mein Herz zog sich noch mehr zusammen. Noch nie hatte ich ihn so verletzlich und voller Panik gesehen, was heißen musste, dass es doch etwas schlimmeres sein musste, als ich die ganze Zeit erwartete. "Ich will dich nicht verlieren", gab er zu und ich schüttelte den Kopf. "Das tust du nicht so schnell und wenn doch, musst du mit den Konsequenzen deiner eigenen Handlungen leben. Das Leben hat kein Rewind-Button. Du hast die Entscheidung selbst getroffen. Aber versteh mich bitte auch. Ich kann nicht mehr mit dem Gedanken leben, du verheimlichst mir etwas wichtiges. Ich muss es wissen. Das ganze macht mich.... krank" - "Du wirst mich hassen" Doch ich schüttelte nur den Kopf. "Ich könnte dich nie hassen, Tobi" und dies stimmte. Egal was er tun würde, ich würde ihn nie hassen können. Ob ich ihm verzeihe oder nicht, ist etwas anderes. Ob ich wütend oder verletzt bin , spielt keine Rolle. Aber hassen ist ein zu großes Wort. Hassen, könnte ich ihn niemals, dafür liebte ich ihn zu sehr. "Verdammt! Aber hör mir bitte bis zum Ende zu und Versuch wenigstens mich zu verstehen." Schwer schluckend nickte ich und war mir doch nicht mehr in meinem Anliegen sicher. War ich tatsächlich bereit die ganze Wahrheit zu erfahren? Nein. Aber das wäre ich womöglich nie gewesen. Mein Herz schlug schneller und mein gesamter Körper begann zu zittern. Ich hatte Angst, pure Panik, doch ich wusste, dass es sein musste und das ich es hören musste, egal wie weh es tun würde. Noch könnte ich ihn zwar bremsen, aber irgendwann hätte es doch ans Licht kommen müssen. "Es fing damit an, als du mir gesagt hast, du würdest mich lieben, bei Friendly Fire. Ich war total überfordert, weshalb ich weglief. Wenig später, sah ich dich am Boden zerstört draußen sitzen. Ich wollte dich drauf ansprechen, mit dir reden... aber ich konnte nicht. Ich wusste, dass es dich nur verletzen würde, wenn wir da weiter machen wo wir aufhörten. Zuhause konnte ich an nichts anderes mehr denken. Du warst mein bester Freund und das wollte ich niemals wegwerfen. Andererseits wäre es nie wie vorher geworden also dachte ich mir einen Plan aus. Einen ziemlich bescheuerten und den dümmsten den es gibt aber es machte in dem Moment Sinn. Also setzte ich ihn um. Der Plan war, dass ich zu dir fahre und dir sage ich würde das gleiche empfinden. Ich würde dir....", er schluckte," Ich würde dir Gefühle Vorspielen die nicht da waren. Ich dachte es wäre eine 'Schwämerei' oder so und du würdest irgendwann merken, dass du mich vielleicht doch nicht liebst. Bescheuert, ich weiß. Ich dachte, du würdest dich von mir trennen und irgendwann würde ich sagen, ich wäre schwerenherzens über dich hinweggekommen und wär bereit wieder eine Freundschaft einzugehen. Alles lief gut, bis Pan sich einmischte, weil sie etwas merkte. Ich hab es erzählt und sie drängte mich dazu es dir zu sagen, doch da war immernoch die Hoffnung, dass du Schluss machen würdest. Sie trifft keine Schuld, okay? Ich bat sie darum nichts zu sagen. Ich hab zum Schluss selbst bemerkt wie scheiße es war, doch da war es schon zu spät. Also wollte ich es bis zum Ende durchziehen. Ich hab das doch nur getan, um dich nicht zu verletzen und unsere Freundschaft zu retten. Ich hab das für dich getan, irgendwie. Ich weiß das rechtfertigt es nicht aber bitte geh nicht. Es tut mir leid."
Und mit einem Atemzug fiel meine ganze Welt plötzlich zusammen....

(B)Romance? ~CurrbiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt