Kapitel 38

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Es vergingen zwei Tage, seit dem Abschied von Tobi. Zwei Tage in denen ich mich nur für das Nötigste aus dem Bett bewegte: Der Gang zur Toilette oder um mir etwas zu essen zu holen. Essen konnte man es aber nicht wirklich nennen, da es kaum mehr als ein paar Früchte waren. Mein Körper fühlte sich erschöpft an und irgendwie leer. Wäre da nur Trauer oder Wut, damit könnte ich umgehen, aber nicht diese Leere. Ich fühlte mich ausgesaugt. Es war schrecklich und ich wusste nicht was ich dagegen tun sollte oder konnte. In den letzten 48 Stunden dachte ich viel über das Vergangene nach. Immer wieder kam mir der Gedanken daran, was ich hätte besser machen sollen aber da gab es nichts. Ich war nicht wirklich fähig klar denken zu können. Ich verlor langsam den Verstand. Aber was sollte ich tun? Mir kam der Gedanke, ich könnte einfach zu ihm zurückkehren und ihm verzeihen, doch was würde dies bringen? Er liebte mich nicht und würde es auch nie tun. Es wäre komisch zwischen uns. Unsere Freundschaft wäre wie ein zerbrechliches Band, welches wahrscheinlich viel zu schnell reißen würde. Vertrauen, könnte ich ihm außerdem nie mehr. Er hatte mich bereits einmal angelogen, warum sollte er es also ein zweites Mal nicht tun? Wenn ich zu ihm zurückgehen würde, würde es mich zerstören. Ich könnte die Last nicht mehr tragen. Doch was blieb mir übrig? Ich konnte nicht mehr länger hier sitzen und Trübsal blasen, denn dabei würde ich mich selbst verlieren. Es läuft also ungefähr auf dasselbe hinaus. Ich würde mich zerstören oder verlieren. Was macht den Unterschied? Über die Frage, wie es weitergehen sollte, machte ich mir die letzten zwei Tage zu oft Gedanken, doch ich fand nie eine Antwort. Gab es überhaupt eine? Konnte ich mich richtig verhalten?
Pan hatte ein paar mal angerufen, doch ich ging nie ran. Ich wollte mit niemandem sprechen, ich konnte mit niemandem sprechen. Natürlich gab ich ihr keinerlei Schuld an alledem, denn sie trug sie nicht. Sie hatte sogar Recht: Er musste es mir selbst sagen. Das tat er dann auch und zerstörte mich dadurch komplett.
Langsam stand ich von dem kalten Boden auf und löste meinen Blick von der Wand, die ich seit Stunden anstarrte. Meine Füße trugen mich in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu nehmen. Ich starrte die Uhr an, deren Ticken diese widerliche Stille unterbrach. 16 Uhr. Nun war ich schon seit 13 Stunden wach. Wenn ich überhaupt geschlafen hatte, das wusste ich nicht. Allerdings konnte ich mich an die Zeit zwischen ein und drei Uhr morgens nicht mehr erinnern, weshalb ich annahm, ich hätte geschlafen. Ich war ja nichtmal müde. Vom müde sein war ich durch der Probleme und mein "Selbstmitleid" viel zu sehr abgelenkt.
Mir wurde klar, dass wenn ich über all das hinweg bin, wenn ich es denn irgendwann überhaupt bin, ich nicht mehr ich selbst sein würde. Doch hatte ich bereits mein Vertrauen an alle anderen Menschen dort draußen fast vollständig verloren, was würde es also für einen Unterschied machen, wenn ich jetzt auch noch mich selbst verlieren würde? Ich liebte ihn allerdings noch so sehr, dass sich mein Körper immer noch nach ihm sehnte. Nur konnte ich ihm einfach nicht verzeihen und auch nicht zu ihm zurückkehren, wenn ich es doch tun könnte. Ich bin zu verletzt, enttäuscht und erniedrigt und mein Stolz war zu groß. Mein Herz schrie zwar, ich solle zu ihm zurück, doch mein Verstand sagte ganz klar: "Nein!" Auch wenn ich es wollen würde, es ginge einfach nicht. Seine Worte hallten immer wieder in meinem Kopf und mir wurde übel, so übel das ich mich übergeben wollte. Doch das tat ich gestern schon zu oft. Selbst mein Glas Wasser förderte ein Ekelgefühl, als ich es leerte. Seine Worte hallten in meinem Kopf. Immer wenn ich diese Worte wiederholte, würde das Loch in meinem Herzen größer und es traf mich jedesmal aufs Neue. Wie ein Schlag in die Magengrube. Es tat weh, verdammt weh und trotzdem wollte ich nur ihn. Komischerweise bereute ich nichts von alldem. Die Zeit mit ihm war das Beste und gleichzeitig Schlimmste, was mir je passiert war. Aber es tat mir nicht gut, daran festzuhalten. Genau in diesem Moment wurde mir etwas bewusst. Es musste sich etwas ändern, denn so würde ich niemals aus diesem Loch, Teufelskreis, nennt es wie ihr wollt, herauskommen. Ich musste etwas ändern. Das Glas stellte ich in die Spüle und bewegte mich in Richtung Schlafzimmer. Mein Koffer lag oben auf dem Schrank und ich holte ihn herunter, verstaute einige wichtige Dinge darin. Eigentlich hatte ich mir selbst geschworen, nie wieder vor meinen Problemen davon zu rennen, wie ich es sonst tat aber diesmal war es anders. Ich brauchte eine Auszeit und ich musste weg. Frische Luft schnappen, die Tapete wechseln. Denn mir wurde etwas viel zu spät bewusst und ich hatte ausnahmsweise mal verdammt recht:

Manchmal muss man Menschen loslassen. Auch wenn man sie liebt. Erst recht wenn man sie liebt. Diese Liebe kann echte Liebe sein aber auch auf freundschaftlicher Ebene. Das spielt keine Rolle. Es kann sich um eine Beziehung oder eine Freundschaft handeln, egal. Ich möchte damit nicht sagen, dass man gleich jede Person gehen lassen muss, die man liebt. Auf keinen Fall. Man muss es nur tun, wenn man droht unter der Last zusammenzubrechen. Es gibt schöne Momente, die einen zum glücklichsten Menschen der Welt machen und bei denen man die schlechten vergisst. Aber sobald die schlechten zur Gewohnheit werden, sollte man es langsam in Frage stellen. Sobald man sich Fehl am Platz fühlt oder Angst hat gewisse Dinge auszusprechen, weil man keinen Streit verursachen will, ist es an der Zeit sich zu distanzieren. Natürlich wird man immer versuchen das Verhalten zu entschuldigen, das der Streit ja nicht der Fehler des anderen war, sondern der eigene. Irgendwann kommt der Punkt an dem man anfängt sich deshalb zu verändern. Doch es bringt nichts, denn die andere Person wird sich nie ändern. Warum auch? Es war ja nicht ihr Fehler. Für eine Zeit wird es gut laufen. Irgendwann kommt aber wieder der nächste Fehler und es geht von vorne los. Klar, lassen die guten Zeiten all das vergessen, nur das ist nicht der Sinn. Und sobald man versucht die schlechte Beziehung mit: "Wir haben auch schöne Zeiten" zu entschuldigen, ist es zu spät. Man sollte nicht an Erinnerungen festhalten, weil das hier und jetzt scheiße ist. Man sollte anfangen all das in Frage zu stellen. Liegt es wirklich an mir? Oder hat die andere Person vielleicht Fehler gemacht, die sie nicht zugeben will? Ist es wirklich immer meine Schuld? Und sollte ich mich immer ändern? Die Antwort ist nein. Man sollte verstehen, dass man von dieser Person nicht abhängig ist, nur weil man sie liebt. Liebe allein reicht manchmal nicht aus. Wenn man keinen Schlussstrich zieht und man so weitermacht. Verliert man irgendwann sich selbst, doch die Beziehung zu der Person ist trotzdem nicht gerettet.
Jetzt war es an der Zeit für mich loszulassen. Ich nahm den Koffer, ging zu Tür und schloss sie hinter mir, bereit alles hinter mir zu lassen.

Ende Buch 1

(B)Romance? ~CurrbiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt