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Aufreibender Morgen

Als ich am nächsten Morgen mit frischen Wasser in unser Zelt zurück kehrte, stand Henry vor mir. Wie Gott ihm schuf. Zum Glück mit den Rücken zum Zelteingang. Wieder wurden meine Wangen heiß und ich wäre beinahe in Ohnmacht gefallen. Ich war noch keinen Tag hier und zweifelte schon an meinen Überleben...

Dezent räusperte ich mich. "Ich hab Wasser, Sir."

Henry drehte sich zu mir um, Gott steh mir bei, und griff nach dem Eimer. Er hatte einen blauen Fleck ums Rechte Auge, es war aber nicht geschwollen. "Wo warst du die ganze Nacht?"

Zieh dir doch was an! "Woher wollt Ihr wissen das ich nicht hier war?"

Henry kippte sich das eiskalte Wasser über den Kopf und packte dann ein Tuch um sich zu trocknen. "Nash..."

"Ich war bei Euren Cousin Raven. Da durfte ich übrigens auf einen Bett schlafen."

"Gewöhn dich nicht daran. Wir bekommen heute einen Zimmergenossen." Ich suchte schon nach einer Ausrede, wieder das Zelt zu verlassen, da stieg Henry endlich in seine Hose. "Kannst du eine Waffe schleifen?"

"Vermutlich nicht..."

Henry stellte die zwei Schemel nebeneinander und bedeutete, mich neben ihn Platz zu nehmen. Was nicht ganz angenehm war, da ich noch das Bild im Kopf hatte, wie weit Henry auch Nackt ausgestattet war. Dann reichte er mir das Schwert und einen Schleifstein.

"Hier hälst du es fest. Nicht hier, da... halt schon fest! Gut, mit dem Stein machst du das... Gott, willst du mein Schwert zerkratzen? So. ... genau. Schneller und mit mehr druck."

Dann drosch er mir auf die Schulter und fuhr sich mit den Händen durch das nasse Haar. "Du musst mehr Essen. Du hast schmale Schultern, wie ein Mädchen." Ich tat so, als hätt ichs nicht gehört und konzentrierte mich weiter. "Kannst du Fechten? Reiten? Bogenschießen?"

"Ich kann Reiten. Denke ich."

Henry sah mich skeptisch an. "Wie kam es eigentlich dazu, das du nun Knappe bist? Wo du doch absolut keine Annung davon hast?"

In dem Punkt konnte ich bei der Warheit bleiben. "Bevor ich verhungere oder stehle, bleibe ich besser bei Arbeit. Und Ritter haben mich immer schon beeindruckt."

Henry nickte ernst. "Warst du in einen Heim? Oder war es die Pest?"

"Die Pest."

Der Mann dem immer noch nackten Oberkörper, der mich ziemlich zittrig machte, sah auf seine Füße und zog sich seine Stiefeln an. Beinahe nebenbei bemerkte er: "Meine drei Brüder starben auch an der Pest."

"Tut mir Leid."

Er zuckte mit der Schulter. "Es waren Schweine, die mich von Klein auf immer wieder spüren ließen, das ich der Jüngste war."

"So sind Brüder doch, oder?"

Henry schüttelte den Kopf und stand auf. Das Thema war beendet. Dafür wurde die Zeltplane zurückgeworfen. Raven und ein braunhaariger Mann traten ein.

"Meine Goldganz! Guten Morgen." Henry grinste finster, sagte aber nichts. "Rufus sucht nach dir. Er will eine Revange."

"Für was? Er verliert ja doch wieder."

Raven hockte sich neben mir auf den Schemel und korrigerte mich unauffällig. Doch schon im nächsten Augenblick, kickte mich der braunhaarige Hühne vom Stuhl.  Ich funkelte zirnig zu ihm auf. "Mach Platz für die Männer, Bengel."

Raven schlug ihm gegen die Schulter. "Pass doch auf du, Schwachkopf! Wenn er sich das Schwert reinrammt, ists aus mit ihm!"

Der Schwachkopf schlug mich hart ins Gesicht. "Sieh mich nicht so an!"

Henry starrte ihm zwar zornig an, sagte aber dann an mich gewandt: "Geh zum Lagerfeuer, wir kommen gleich. Lass das Schwert hier."

Ich spürte wie meine Gesichtshälfte glühte und biss grantig die Zähne aufeinander. Henry nahm sein Schwert und gab mir einen leichten stoß. "Geh schon."

Der Schwachkopf trat nach mir. "Hörst du nicht was dein Herr sagt!?"

Und dann war es raus, ehe ich mich hindern konnte  "Wollt Ihr nicht endlich Eurer Maul halten!?"

Der Hühne sprang vom Schemel und trat vor mich. Ich reichte ihm gerade mal bis zur Brust. Er packte meinen Kragen und zerrte mich soweit an sichm das ich auf die Zähenspitzen stand. "Ob du nach einer Tracht auch noch so mit Erwachsenen redest?"

Gerade als ich antworten wollte, riss mich Henry rüde zurück und schleifte mich mit sich aus dem Zelt. Doch anstatt zum Lagerfeuer zu gehen, wo das Frühstück verteilt wurde, stampfte er in die entgegengesetzte Richtung, bis wir bei den Pferdelager ankamen. Dort stießer mich hart gegen die die provisorische Wand.

Vor Angst beinahe gelähmt, wandte ich mich zu ihm um. Mit den Händen in die Hüften gestemmt, fu kelte er zornig. "Ich dachte wir hätten Gestern was besprochen?"

"Was hätte ich tun sollen? Dieser Schwachkopf ist weder mein Dienstherr noch König. Er hatte kein Recht mich zu schlagen, zu tretten und so mit mir zu reden!"

Henry hatte zornig den Kopf geschüttelt und kam auf mich zu. "Wenn es mich stört, dann werde ich es auch beenden. Du bist noch lange nicht in einer Position, wo du was beenden kannst."

Es war Himmel schreiend ungerecht. Deshalb wurde ich wieder mutiger. "Muss ich mich denn von jeden herum schubsen lassen!?"

"Es liegt aber nicht in deiner Hand! Sondern in meiner! Und ich habe nicht vor, mit meinen Kameraden zu diskutieren, während mein Knappe anwesend ist!"

Ich wollte schon etwas erwiedern, da fiel es mich auf. Henry hätte also was getan? "Desshalb habt Ihr mich vorgeschickt..."

"Ganz Recht. Aber du hast nicht gehorcht. Hättest du es getan, wäre es so weit nicht gekommen."

"Es tut mir leid."

Henry war immer noch nicht versöhnt. "Ich musste mich wegen dir genieren."

Seine Augen waren Hellbraun. Sein schwarzes Haar kurz und voll. Seine ganze Statur zeugte von stundenlangen Reiten und Schwertkampfübungen. Wäre ich nicht in der Patsche, könnte ich ihm den ganzen Tag betrachten. Denn es fühlte sich an, als zoge mich seine Erscheinung näher an sich ran.

Henry merkte das etwas komisch war und schüttelte irritiert den Kopf. "Du kannst mich so nicht bloßstellen, ist das klar!?"

"Ja, Sir."

Er packte wieder meinen Oberarm und schubste mich Richtung Frühstück.

***

Engelbert keuchte und verzog sein Gesicht. "Verdammt, Campbell..."

"Du hast meine Dinge nicht anzufassen."

"Mein Gott, wegen einer Ohrfeige. Der Bengel muss gehorchen." Engelbert richtete sich langsam auf und hielt sich an seinen Gaul fest. Henry saß bei seinen auf und sah ihm vernichtend an. "Was?"

"Er muss nur mir gehorchen, nicht dir oder sonst wem. Fass ihm nochmal an und ich brich dir den Arm." Und das, musste Henry verblüfft feststellen, war sein bitterer Ernst. Denn irgendwie entlockte der Junge ihm seinen Beschützerinstink. Warum verstand er nicht. Und was sich da in der windschiefen Scheune zugetragen hatte, stritt er stoisch ab. Da war nichts. Keine Spannung, keine Anziehung. Nur Zorn eines Dienstherrn. Ende.

Engelbert knurrte beim aufsitzen. "Fehlt nur noch, das ich mich bei ihm entschuldigen muss."

Raven schnaufte entnervt. "Halt die Schnauze, Engelbert und komm in die Gänge!"

Henry prüfte seinen Bogen. "Wer am meisten fängt?"

Obwohl Engelbert wohl der schlechteste Jäger war, stimmte er am lautesten ein. Er würde ja sehen, was er davon hatte.

Der Beginn der RitterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt