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Nachtwache

Ich hatte beschlossen mein Haar ebenfalls zu waschen. Was bedeutete, das ich sie öffnen musste und damit Gefahr lief, auf einen Blick ertappt zu werden. Aber ich war der Meinung, wenn jemand meine Weiblichen Konturen sah, würden meine Haare das Kraut auch nicht mehr fett machen.

Das kleine Bächlein war erwartungsgemäß warm, denn die Sommersonne schien ja den ganzen Tag ununterbrochen darauf. Ich beeilte mich, bis in die Mitte, also dem tiefesten Punkt, zu waten. Allerdins ging mir das stille Wasser nur bis zum Bauchnabel. Deshalb kniete ich mich auf den schlammigen Boden und tauchte den Rest von mir ebenfalls unter.

Es war eine wohltat. Unter Wasser streckte ich meine Glieder aus und ließ die Luft aus meinen Lungen entweichen. Ich sank auf den Boden, das Wasser um mich schien mich überalls zu streicheln. Als ich wieder auftauchte um Luft zu holen, sah ich auf zu dem Vollmond und genoss mein kleines Glück.

"Nash!" Hörte ich in der Ferne Henry zornige Stimme. "Ich schwöre bei Gott, wenn ich dich finde, wirstdu wünschen nie geboren zu sein."

Davon war ich überzeugt. Und genau deshalb hatte ich es auch nicht eilig, zu ihm ans Feuer zurück zu kehren. Ich würde mich Henry erst Morgen früh stellen.

Ich tauchte wieder unter und verdrängte Henry und Nash und Raven und meine verstorbene Familie aus meinen Gedanken. Dabei währte sich Henry am heftigsten dagegen. Die Vorstellung, wie er seine Kleider von sich warf und zu mir ins Bächlein wahete, zu Elizabeth und nicht zu Nash. Wie er seine großen Hände an meine Schultern legte und es ihm gefiel wie Fraulich sie waren. Und nicht meckerte, weil sie nicht Männlich genug waren. Dabei drängte sich mir das Bild auf, wie er völlig Nackt vor mir stand und auch, als er sie über die Hure kniete.

Das war dann das Bild, das mir half, ihm aus meinen Gedanken zu verscheuchen. Jedoch nicht ohne meine selige Laune einzubüsen...

Ich kam aus dem Bach und verkroch mich hinter einen der Bäume. Sie wuchesen hier so nah an unseren Lager sehr düftig. Es waren vielleicht ei  dutzend junger Bäume mit noch dünnen Kronen, aber stark genug, das sie sich nicht durchbogen unter der Plane, die um vier gespannt war. Hinter einen der Bäume rieb ich mich trocken und wickelte meine Haare in das Laken.

***

Henry schliff seinen Dolch und mahnte sich zur Ruhe. Er war ein Hitzkopf, doch er hatte es unter Kontrolle. Und weil er die Nachtwache hatte, eine wichtige und gefährliche Aufgabe, musste er sich mehr den je Kontrollieren und Ruhe bewahren.

"Sieh an." Henry's Blut gefrohr in seinen Adern. Sein Kamerade Rotar sprang auf und machte einen kleinen Diener. Henry ließ sich mehr Zeit beim aufstehen. "Wie steht es, Rotar?"

"Alles ruhig, Kommandant. Kein neuer Hinterhalt."

"Was ist mit den Verwundeten. Hast du was gehört?"

"Die meisten sind zum Transport stabilisiert, doch manche sind schwer verletzt. Wir denken, zwei von ihnen werden heute Nacht das Zeitliche segnen."

"Namen?"

"Berthol und Frodo, Sir."

Der Kommandat nahm es gelassen das zwei Männer, zwei Menschen, heute Nacht aufhörten zu exestieren. Als hätte man ihm erzählt, man hätte zwei Schlachtrösser im Schlachtfeld die Kehle durchgeschnitten. Wobei er bei den teuren Pferden ganz bestimmt mehr getrauert hätte.

"Was ist Henry? Bist du nicht nüchtern?" Knurrte Theo angewiedert. Sowohl Rotar als auch Henry waren entsetzt. Nicht nüchtern zum Dienst zu erscheinen war ungeheuerlich. Besonders als Nachtwache in einen Lager, das schon einen Hinterhalt hatte standhalten müssen.

Mit dieser Anschuldigung wollte Theo Henry's Ruf zwar schaden, aber am meisten wollte er einen Grund haben, seinen Sohn wieder öffentlich vorzuführen. Am besten direkt vor dem König, mit dem Theo natürlich viel zu tun hatte. Dabei war der König ein Ehrenmann und würde niemals gutheißen was Theo tat, wenn er die Geschichte genauer gekannt hätte.

"Sir, ich hab den ganzen Tag noch kein Bier angerührt."

"Und Wein?"

"Nein, Sir." Henry musste sich zusammen nehmen, um erwachsen aber nicht aufmüpfig zu klingen. Er hasste es vor seinen Vater wie ein Bengel kuschen zu müssen. Er könnte kotzen. "Weder Wein, noch Bier. Ganz normaler, verdünnter Met. Und das ist erlaubt, weil es einen nicht trunken macht."

Der Mann mit der zweithöchsten Stellung im Lager, tart einen Schritt auf Henry zu und hob die Augenbrauen. "Willst du mich belehren, mein Sohn?"

Und schon fuhr er die nächst passende Karte aus. "Nein, Vater. Ich habe lediglich geantwortet."

Theo seufzte ergeben, wie ein ratlosere Vater der seinen störrischen Sohn nicht auf den rechten weg bringen konnte. Henry hätte alles gegeben, wäre Theo tatsächlich so ein Vater, der sich um seinen Sohn  sorgte. Dabei war er einfach nur ein Teufel. "Komm nach deiner Schicht in mein Zelt, Junge."

Er sagte es mild und nachsichtig. Es war der Ton, mit dem Theo Henry immer zu sich bestellte, wenn andere dabei waren, schon in seiner Kindheit. Und wenn er dann bei ihm war, war es vorbei mit der Milde. Dann fuhr der Teufel seine Hörner aus und quälte Henry.

Henry's Blut rauschte in seinen Ohren. "Ja, Kommandant."

Dieser drehte sich scheinbar ratlos um, legte Rotar eine Hand auf die Schulter und ging wieder in die Dunkelheit. Rotar sah Henry forschend an. Er war nicht dumm und begriff das hier etwas nicht stimmte, doch er würde nie auf die Idee kommen, das es an den verehrten Helden Theo Campbell lag, der schon als junger Ritter mit dem König ins Feld gezogen war. Nein, niemand war je auf die Idee gekommen, das der Mann, der ein perfekter und charmanter Ritter des Königs war, seine Söhne geiselte.

Mit anschwellender Galle, die ihm schon bis zum Hals gestiegen war, setzte sich Henry und hielt sich ab, sich tatsächlich zu übergeben. Das schlechte Gefühl, von einen nahenden Unglück, das auf ihm zukam, machte sich immer deutlicher spürbar.

***

Mein Haar war wieder trocken, ich hatte begonnen meine Brust abzubinden und genoss die letzte Stunde vor Sonnenaufgang. Dann würde ich zurück in unser Zelt gehen und mich Henry stellen. Denn auch als Frau war ich kein Feigling.

Zum letzten Mal, schüttelte ich mein Haar über den Kopf aus, warf es zurück und fuhr mit beiden Händen, wie mit einen Kamm durch mein Haar. Gerade als ich wieder zu Nash werden wollte, geschah das unvermeidliche. Eine Männerstimme direkt hinter mir, ließ mich abrupt inne halten...

"Erbarme dich meiner..."

Der Beginn der RitterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt