*4*

3.9K 202 8
                                    

Wehwehchen

"Hau ihm eine rein, Joshua!" Die jungen Knaplen drängelten sich in einen Kreis um zwei halbwüchsige Knappen, die sich wegen irgendeinen Schwachsinn prügelten. "Komm schon, Gero! Zeigs ihm!"

Ich stand mitten unter ihnen, einer größeren weil ich ja keine elf mehr war. Spitze Ellenbogen stießen mich ständig an, wenn die Jungs versuchten weiter nach vorne zu kommen um besser sehen zu können. Die zwei Raufbolde waren vielleicht vierzehn Jahre und lagen rangelnd am Boden.

"Ja, Gero! Stopf ihn das Maul!" Ich stieß den Jungen neben mir an, der so eifrig mit fieberte.

"Was ist das Problem?"

"Was weiß ich."

Was zum... "Kennst du einen davon?"

Der Junge grinste über beide Ohren. "Nein. Ich ruf einfach die Namen die alle Rufen. Macht doch Spaß."

Lachend starrte ich ihm an. Wo er Recht hatte. Und weil keiner hier war, der mein wahres alter kannte, schloss ich mich den Jungen an und brüllte Joshuas Namen. So hatten wir beide einen ganz eigenen Wettkampf am laufen.

Als Joshua die schlägerei gewann und Gero kammeradschaftlich auf die Beine half, nachdem er sich ergeben hatte, sah ich meinen Konkurenten grinsend an. "Gewonnen."

Der Junge zeigte mit den Finger lächelnd auf mich und öffnete den Mund um was zu sagen, doch da unterbrachen ihn drei Reiter die tosend an uns vorbei preschten. Einer hatte einen Pfeil im Rücken stecken. Als ich Henry erkannte, stobte ich hinterher.

Raven und Henry hielten an unseren Zelt. Der große Cousin schimpfte aufgebracht, Henry verdrehte genervt die Augen und trat ergeben ins Zelt. Natürlich folgte ich sofort.

"Raven, reg dich ab."

"Was auch immer der Komandant zu Engelbert sagen wird, du bleibst hier."

"Das werden wir ja sehen." Henry lehnte seinen Köcher und den Bogen an die Zeltwand. Der Pfeil ragte aus seiner rechten Schulter, ansonster schien er unverletzt.

Raven legte einer seiner Pranken auf meine Schulter. "Geh und hol Wein, Nash. Er wird es brauchen, wenn ich den Pfeil raushole."

Henry schüttelte den Kopf. "Vergiss es. Wenn ich Wein getrunken habe, kann ich kein Schwert führen."

"Das kannst du sowieso nicht." Knurrte Raven ungehalten und deutete auf seine Schulter.

"Ich kann auch mit Link ein Schwert nutzen, das weißt du. Du hast es mir beigebracht."

Ich schüttelte verwirrt den Kopf. "Was ist hier los? Warum braucht Ihr ein Schwert? Woher kommt der Pfeil?"

Raven wollte antworten, da versuchte Henry sich das Hemd auszuziehen. Wir mussten ihn beide helfen, obwohl er von sich selbst angewieder knurrte. Das Blut rann aus der Wunder über seinen Rücken und es würde harte arbeit werden, den Pfeil herauszubekommen.

Henry legte sich mit verzerrter Miene bauchlings aufs Bett und sah zu Raven auf. "Ich bin soweit."

"Du bist ja nicht normal, Henry! Das wird scheiße weh tun, auch mit dem Wein. Ohne wird es kaum auszuhalten."

Er ignorierte Raven und sah mich an. "Bring mir nen Ast oder nen Löffel. Ich muss wo draufbeißen."

Ich tat es, denn ob oder ohne Wein, er würde sich ansonsten die Zähne ausbeißen. Ehe Henry sich den dicken Ast in den Mund schieben wollte, wurde die Plane stürmisch augerissen und Theo trat ein. Ohne Rücksicht, packte er Henry am Rechten Arm und zerrte ihm auf die Beine. Ich sah wie Henry der Blick kurz entglitt, als wäre ihm Schwarz vor Augen. Doch er rang wieder um Beherrschung, bis sein Vater ihn rüde gegen den Zeltmast in der Raummitte stieß. Zum Glück landete er nicht auf dem Pfeil, aber verdammt nach daneben. Sein Kiefer spannte, sein Oberkörper schien wie aus Stein so angespannt war er. Und als ihm ein schmerzhaftes Keuchen entglitt, sah man ihn an wie sehr er sich dafür verabscheute.

Und Theo legte nach, indem er abfällig den Blick über ihn gleiten ließ. "Schwächling. Das ist ein Pfeil, keine Axt die dir den Arm abtrennt." Theo hob angewiedert den Blick. "Steh gerade! Du stehst vor deinen Vater und Kommandanten!"

Henry vergaß seinen Schmerz und sah rebellisch auf. Doch ehe er was sagen konnte, kam Raven ihm zuvor. "Es ist ernst, Sir. Es ist bei der Jagd geschehen."

Theo nickte und richtete seine Aufmerksamkeit auf Henry. "Brauchst du eine extra Aufforderung?"

"Es ist ein Französischer Pfeil. Als wir bei der Jagd waren, traf er mich in den Rücken. Wir versuchten die Spuren zu verfolgen, aber sie waren schon zu weit Weg. Deshalb kamen wir zurück um bericht zu erstatten. Ich denke wir müssen jeden Moment mit einen Angriff rechnen."

Theo wandte sich Grußlos ab, erst jetzt sah ich Engelbert am Zelteingang stehen. "Du bist in zehn Minuten in meinen Zelt, Henry."

Raven wurde blass. "Bei allen Respekt, Henry kann nicht Kämpfen! Und in zehn Minuten schon gar nicht!"

Theo grinste, zum erstenmal seit ich diesen Mann kannte sah er ehrlich erheitert aus. "Armer kleiner Henry. Wenn er mit seinen kleinen wehwehchen nicht seinen Kommandanten folgen kann, muss er in Schande zu seiner Amme nachhause. Hinter ihren Röcken ist immer ein Platz für ihren kleinen Jungen."

Der Stolze Henry wurde blass vor Zorn, seine sonst so hellen Augen wurden schwarz. Ich sah den Hass in ihnen und musste schlucken. Das war kein einfacher Zorn, das war jahrelanger Hass.

Theo ergözte sich an diesem Anblick und tätschelte ihm hart die Wange. "Dein Vater versteht das Junge. Ich hab ja nie was anderes von dir erwartet." Dann ging er.

Raven spuckte auf den Boden und packte Henry am linken Arm. "Leg dich hin." Sein Tonfall ließ keinen Wiederspruch zu. Henry plagte sich auf die Liege und schien wie ausgewechselt. Jetzt war mir auch klar, warum er mich Gestern beinahe geschlagen hatte, als ich ihn mit Theo verglich.

Er legte sich den Ast in den Mund, ballte die Hände zu Fäusten und stierte einen Punkt am Boden an. "Knie dich vor mich, Nash." Er packte mit der Linken Hand meine Schulter und blickte auf, um sich konzentrieren zu können.

Doch als unsere Blicke sich trafen, geschah etwas in seinen Augen. Ich konnte nicht beschreiben was, aber der Hass verschwand. Auch die härte. Sie wirkten plötzlich verletztlich. Doch ehe ich mehr sehen konnte, wandte er den Blick eillig ab.

In der zwischen Zeit, hatte Raven seinen Dolch an Feuer gelegt, das er entzündet hatte und wusch sich die Hände.

Der Beginn der RitterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt