XVIII

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Ich schlief die Nacht über unruhig und lauschte jedem noch so kleinen Geräusch, welches von der belebten Straße in mein Zimmer hinauf drang. Gegen 2:00 Uhr morgens schaffte ich es, mit der Hand um den Griff meiner Waffe, einzuschlafen. Mein Handywecker holte mich gegen 9:00 Uhr aus meinen unruhigen Träumen, ich setzte mich auf die Bettkante und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Ich zog mich um und begab mich nach unten in die Lobby des kleinen Hostels. Ich hatte beim Einchecken gestern Abend festgestellt, dass es hier auch ein kleines Frühstücksbuffet für die Gäste gab. Ein Schild an der Rezeption wies den Weg zum Frühstücksraum und ich folgte der Beschilderung, bis ich vor einer gläsernen Doppeltür stand, die in einen mittelgroßen, mit mehreren kleinen Tischen ausgestatteten Raum führte. An der gegenüberliegenden Wand war auf langen Tischen das Frühstück aufgebaut. Vor dem Eingang stand ein Mann vom Hotelpersonal und fragte mich nach meiner Reservierung. Ich sah ihn entschuldigend an und sagte ihm, dass ich nicht reserviert hätte. Er warf einen prüfenden Blick in den Raum, in dem nur eine Handvoll Leute saßen, und winkte mich dann herein. „Wir werden heute wohl eine Ausnahme machen können. Aktuell haben wir sowieso nicht so viele Gäste, als das sie irgendjemandem den Platz wegnehmen würden." Ich bedankte mich bei dem Mann und setzte mich an einen der Tische in der Nähe des Eingangsbereiches. Von dort aus konnte ich alle anderen Tische im Raum beobachten. Der Mann hatte recht gehabt, außer mir saßen nur noch zwei ältere Ehepaare und eine kleine Gruppe aus fünf jungen Leuten im Raum. Der Kaffee roch stark und das Essen sah so weit o.k. aus, mit Ausnahme der Spiegeleier, um die ich vorsorglich einen Bogen machte. Die Eier waren noch fast roh und komplett kalt. Ich hatte mir den Teller mit Brot, Schinken und Pancakes beladen und balancierte diesen in der einen und eine Kaffeetasse in der anderen Hand zurück zu meinem Platz. Während ich mein Essen verspeiste, ging ich in meinen Gedanken noch einmal das durch, was ich meinen Plan für mein Vorhaben nannte. Im Grunde genommen war es wie schon bei meinem Besuch auf Seth Anwesen kein richtiger Plan, sondern eher eine reine Verzweiflungstat. Es ging darum den nächsten Zug vor Davian zu machen und ihm somit nicht noch eine Gelegenheit zu geben mich umzubringen. Fairerweise musste man sagen, dass mein Vorhaben geradewegs zu ihm zu marschieren eigentlich auf das Gleiche hinauslief aber, ich wollte, wenn ich schon dabei draufgehen sollte, wenigstens selbst die Entscheidung dazu treffen. Mein sogenannter Plan bestand bis jetzt darin, zum Hauptsitz von Davians Unternehmen zu fahren und ihn dort ausfindig zu machen. Ich war mir relativ sicher, dass eine Konfrontation im Signum unvermeidlich war. Dämonen waren zwar mächtige Wesen, die sich jedem menschlichen Wesen vollkommen zurecht überlegen fühlten, aber sie waren nicht so überheblich, als das sie eine ernsthafte Gefahr ignorieren würden. Davians Dämon wusste von meiner Existenz, lange bevor ich von seiner wusste. Selbst wenn er nichts von meinen Qualitäten als halbwegs professioneller Arschtreter für Dämonen gewusst hätte, bewies ich ihm dies spätestens, als ich anfing, die von ihm gesandten Dämonen einem nach dem anderen umzulegen. Er musste eigentlich schon nach unserem Aufeinandertreffen und meiner Flucht aus der Millennium High School gemerkt haben, dass ich mehr als nur ein einfacher „Viator" - ein Reisender zwischen den Welten war. Ich beendete mein Frühstück und machte mich ohne große Umwege auf den Weg zur Rezeption, um das Frühstück nachzubezahlen. Nachdem dies erledigt, war trat ich auf die Straße hinaus und rief auf meinem Handy die Karte von Google Maps auf, um mich zu orientieren. Mein Ziel lag etwa fünf Blocks von meiner nächtlichen Unterkunft entfernt und so beschloss ich, den Weg zu Fuß zurückzulegen. Der stetige Strom der New Yorker Menschenmassen trug mich beinahe von alleine in die Richtung meines Ziels und nach etwa zwanzig Minuten Fußmarsch stand ich auf der anderen Straßenseite der 703 Third Avenue und blickte an dem gigantischen Gebäude auf der gegenüberliegenden Seite empor. Es war an sich kein überdurchschnittlich großes Gebäude für New Yorker Verhältnisse und es reihte sich nahezu perfekt in die es umgebenden Wolkenkratzer ein, aber für mich hatte es in diesem Moment etwas Abnormales an sich. Es war das Wissen, dass an seiner Spitze etwas stand, was nicht von dieser Welt war und das dieses Etwas mit aller ihr verfügbaren Macht danach trachtete, ungeheuren Schaden für die Menschheit anzurichten. In meiner Wahrnehmung wirkten die schwarz getönten Glasfenster, welche die Fassade in regelmäßigen Abständen säumten, wie zahllose schwarze Augen die mit ihrem unermüdlichen Blick die Straßen unter sich absuchten. Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich riss meinen Blick von dem vor mir aufragenden Gebäude. Stattdessen richtete ich meinen Blick auf die schwere Eingangstür, welche aus demselben schwarz getönten Glas wie die Fenster darüber gemacht war und hinter der man gerade eben noch die Umrisse einer Person in Uniform erkennen konnte. Ich war mir sicher, dass es sich bei der Person um einen Angestellten von „New Age Security" handelte. Der Vordereingang fiel somit wie erwartet aus, da ich nicht daran interessiert war, schon bei dem Versuch in das Gebäude zu gelangen Chaos auszulösen. Ich wartete auf eine Gelegenheit die Straße zu überqueren und lief dann weiter am Gebäude vorbei und um die nächste Straßenecke herum. Kurz darauf stand ich neben dem Eingang einer kleinen Seitengasse, welche mich zur Rückseite des Gebäudes führte. Die Leute um mich herum würdigten die Gasse keines Blickes und so trat ich nahezu unbemerkt in den Schatten zwischen den Gebäuden. Der Weg, der durch die Gasse führte, war mit dem üblichen Müll aus Papierfetzen von Werbeblättern und den Plastik- und Papierverpackungen diverser Fast Food Läden verschmutzt. Ein Müllcontainer an der Rückwand des gegenüberliegenden Gebäudes quoll über vor alten Aktendeckeln und unzähligen Stapeln Altpapier. Nach einigen Schritten in die Gasse hinein fand ich bereits, wonach ich gesucht hatte. Zu meiner Linken offenbarte sich mir eine kleine Tür, über der das kleine grüne Schild mit dem internationalen Symbol für den Notausgang leuchtete. Ich schaute mich kurz nach etwaigen Überwachungskameras um, die das Geschehen hätten aufzeichnen können, konnte aber keine entdecken. Nach dem ich vor die Tür getreten war und das elektronische Schloss begutachtet hatte, versuchte ich einer Eingebung folgend einfach die Tür aufzuziehen. Meine spontane Eingebung, welche besagt hatte, dass eine verschlossene Fluchttür extrem sinnlos war, bewahrheitete sich und die Tür schwang nach außen hin auf. Was ich bei dieser Aktion nicht bedacht hatte, war das ich durch das Öffnen der Tür wohl den Hausalarm ausgelöst haben musste. Nahezu im gleichen Moment, in dem die Tür aufschwang, ertönte irgendwo aus dem Inneren des Gebäudes das laute Heulen einer Sirene. Ich verfluchte mich kurz für mein unüberlegtes Handeln, beschloss dann allerdings alles auf eine Karte zu setzten und schlüpfte durch die Tür in den dahinter liegenden Raum. Der Raum war dunkel und wurde, nachdem die Tür wieder hinter mir zugefallen war, nur noch von dem Licht der auf dem Boden aufleuchtenden roten Lämpchen erhellt, die im Falle eines Feuers den Weg durch die vor mir aufgereihten Aktenschränke wies. Ich tastete mich durch das Halbdunkel auf die Umrisse der Tür auf der anderen Seite des Raumes zu, als diese sich plötzlich zu bewegen begann und nach innen aufschwang. Das plötzlich in den Raum fallende Licht ließ meine Augen schmerzen und ich musste diese kurz zusammenkneifen. Glücklicherweise war ich geistesgegenwärtig genug, um mich hinter eine der vielen Regalreihen zu verstecken, als eine Person den Raum betrat und die Tür hinter sich schloss. Kurz darauf flammten an der Decke Neonröhren auf und tauchten den Raum in ein kaltes blaues Licht. Der Alarm war inzwischen verklungen und ich hörte nun nur noch die langsamen Schritte der Person, die mit mir im Raum war. Ich hielt den Atem an und versuchte zwischen den Regalen hindurch einen Blick auf die Person zu erhaschen, die den Raum betreten hatte. Die Schritte bewegten sich in meine Richtung, als sie auf meiner Höhe waren, sah ich im Parallelgang einen Mann in der mir inzwischen bekannten Uniform von Seth Sicherheitsfirma. Er passierte mich und ging hinüber zu der Tür, durch die ich zuvor das Gebäude betreten hatte. Nach ein paar Augenblicken hörte ich den Mann in ein Funkgerät sprechen und danach hörte ich eine undeutliche Stimme, die von dem statischen Rauschen des Funkgeräts begleitet wurde. Der Mann von der Security teilte der Person am anderen Ende der Leitung mit, dass sich jemand an der Tür zu schaffen gemacht hatte. Ich hörte, wie der Mann das Gespräch beendete und das Funkgerät an den Gürtel hängte. Danach bewegte er sich mit langsamen Schritten zurück in meine Richtung. Ich hielt erneut den Atem an, als er langsam an der Regalreihe neben mir vorbei schritt. Genau in diesem Moment begann die Leuchtstoffröhre über mir zu flackern und veranlasste den Mann dazu, sich instinktiv in meine Richtung zu drehen. Für einen kurzen Moment blickten wir uns durch einen kleinen Spalt zwischen den in den Regalen lagernden Akten direkt in die Augen. Der Mann war von seiner Entdeckung wesentlich länger überrascht, als ich von der Tatsache, dass ich, wenn ich nicht schnell handelte, ein riesiges Problem hatte. Ich warf mich mit der Schulter gegen das vor mir stehende Regal und verursachte dadurch einen Aktenregen, der sich auf den Mann ergoss. Ich nutzte die Zeit, in der der Mann außer Gefecht gesetzt war und sprintete um das Regal herum. Der Mann hatte sich bereits erholt und griff nach dem Funkgerät, das an seinem Gürtel hing. Bevor er die Taste zum Senden drücken konnte, grub sich meine rechte Faust in seine Magengegend. Er ließ das Funkgerät fallen und taumelte ein paar Schritte rückwärts, griff aber zeitgleich schon nach dem sich an seinem Gürtel hängenden Pistole. Bevor er diese ziehen konnte, setzte ich ihm nach und trat mit voller Kraft nach seinem linken Knie. Der Mann schrie kurz auf und knickte zur Seite weg, da er die Hand bereits am Griff seiner Waffe hatte, konnte er den Sturz nicht mit den Armen abfangen und viel hart zu Boden. Mit einem schnellen Schritt nach vorne beugte ich mich über ihn und ließ meine Faust auf seine Schläfe krachen. Die Wucht des Schlages schleuderte seinen Kopf auf den Boden und er blieb bewusstlos liegen. Ich griff nach dem Funkgerät an seinem Gürtel, nahm die Batterien heraus und lies diese in meine Tasche gleiten. Ich betrachte kurz den bewusstlosen Körper des Mannes und verfluchte mich erneut für meine Dummheit. Jetzt war die Situation doch schon beim Betreten des Gebäudes außer Kontrolle geraten und würde nur alsbald in komplettes Chaos ausarten. Selbst wenn der Sicherheitsdienst des Gebäudes, mit Ausnahme des vor mir liegenden Mannes, nicht wusste, dass sich überhaupt ein Eindringling im Gebäude befand, so musste Davian oder vielmehr sein Dämon dies schon beim Auslösen des Alarms begriffen haben. Wie aufs Stichwort begannen die Narben auf meinem Arm zu brennen, als ob sie jemand mit einem glühenden Messer nachzeichnen würde und der ganze Raum um mich herum begann, sich aufzulösen.

The Demons MirrorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt