»Mylady« der Jüngere der beiden Männer von gestern Abend verbeugte sich. Ich rang mir ein Lächeln ab und reichte ihm meine Hand. Ihn traf keine Schuld. Er hatte gestern bereits genügend meiner Launen abbekommen. »Bleibt Ihr noch bis zum Tee, Lord ...?« - »Grande Prince Nemours, Mylady« Ich spürte, wie mir ganz heiß wurde und schob mein Italienischbuch zur Seite. »Gerne, Mylady. Ich möchte Euch zu Eurer Schwangerschaft gratulieren. Euer Geheimnis ist bei mir sicher« versprach er und zwinkerte mir schelmisch zu. Ich wusste nichts von einem Geheimnis. Wollte Paget es verheimlichen, dass ich sein Kind erwartete? Bei allem das Recht ist, aber ... »Ich habe nicht vor meine Schwangerschaft zu verbergen oder zu verheimlichen!« erwiderte ich energisch und verschränkte meine Arme. Sollte Paget unser Kind verleugnen wollen, sollte er es mir wenigsten selbst ins Gesicht sagen und mir nicht diesen Grande irgendwem schicken!
Mein Gast legte seinen Kopf schräg und musterte mich einen Moment eingehend. Würde er mich gegenüber dem Kaiser als ein impulsives Wesen darstellen? Sei's drum! Ich würde nicht zulassen, dass Paget unser Kind verleugnete. »Ich brauche einen Moment Eurer Zeit, Mylady« sagte er schließlich und faltete nervös seine Hände.
»Seine Majestät dem Kaiser steht unter Umständen ein Krieg bevor« brachte er schließlich hervor und sah über meinen Kopf hinweg. Krieg? Ich verkrampfte meine Hände über meinem Bauch und gab es auf seinem Blick zu suchen. »Unter Umständen?« bohrte ich hoffnungsvoll nach. Vielleicht kam es nie dazu und ich würde mich jetzt nur unnötig aufregen. »Dorians Vater erhebt unrechtsmäßigen Anspruch auf Land« fuhr er schließlich fort. Mein Dorian? Deshalb wusste er überhaupt über Bonheur Bescheid. Weil es selbst seine Heimat war.
Ich presste meine Lippen zusammen. Weder Dorian noch Paget hatten gegenüber mir etwas erwähnt. Ich schätzte Grande Prince Nemours plötzlich mehr, als ich es für möglich gehalten hatte. Er war ehrlich. Zumindest hoffte ich, dass es der Wahrheit entsprach.
»Solange Seine Majestät der Kaiser keine Nachkommen hatte, wurde vereinbart, dass Erzherzog Dorian die Krone erbt« endete er. Im selben Moment sprang er von seinem Stuhl auf. »Es tut mir leid, Mylady« flüsterte er schließlich und zog sich mit einer raschen Verbeugung zurück.
Meine Gedanken begannen sich zu drehen und ich stützte verzweifelt meinen Kopf ab. Dorian wollte mich nicht, weil er mich liebte. Wollte er erben, brauchte er mich an seiner Seite. Wie konnte ich bloß so töricht sein zu glauben, da wäre mehr. Ich bettete meinen Kopf auf den Schreibtisch und starrte auf ein Landschaftsportrait. Ob das wohl Bonheur war? Grüne Wiese, zwei Pferde. Das könnte überall sein oder bei Paget zuhause.
Gott, Paget. Wie konnte ich bloß das wichtigste Glied in der Thronfolge sein und mich trotzdem so machtlos fühlen. Mein Mann hatte mit keinem Wort erwähnt, dass er unseren Sohn brauchte, um seinen Bruder an der Macht zu erhalten. Oder dass er mich in ein Land bringen wollte, dass jeden Moment den Wirren eines Krieges ausgesetzt werden könnte.
Erschrocken fuhr ich hoch, als ich plötzlich eine Hand in meinem Haar spürte. Ich fuhr herum und ich blies Luft aus. »Ihr habt mich erschrocken« - »Tut mir leid, Lavinia« Lady Asbury sah mich noch einen Moment mitleidig an, bevor sie sich auf die andere Seite des Schreibtisches setzte. »Paget hat mir erzählt, dass Ihr Euch weigert, norwegische Phrasen zu lernen« sagte sie und holte ein beschriebenes Blatt aus ihrer zierlichen Handtasche. Ich verzog mein Gesicht. Jetzt schickte er bereits Lady Asbury um seine Kämpfe auszufechten. Das war armselig. »Ihr könnt schmollen und Euch grämen oder Ihr verwendet Eure Zeit für etwas Sinnvolles« Sie zog ihre Augenbrauen nach oben und ich seufzte auf. Wenn ich erst in diese neue Welt gestoßen worden war, wird mir wahrscheinlich jede Kleinigkeit nützen. Und da Paget mit seinen Information geizte, sollte ich mir merken, was ich kriegen konnte.
Lady Asbury wollte nicht zum Dinner bleiben, deshalb würde ich heute eindeutig in der Minderheit sein. Obwohl es mich nicht wundern würde, wenn Paget abgereist wäre. Es war der richtige Zeitpunkt für eine Reise. Aber ich fand ihn lachend mit Grande Prince Nemours im Salon vor. Ich wusste nicht Recht, ob ich mich integrieren sollte und blieb unschlüssig in der Tür stehen.
»Lady Manches« der ältere grauhaarige Mann verbeugte sich vor mir und zog seine Lippen zu einem gepressten Lächeln, dass seine Sorgenfalten betonte. »Seine Lordschaft kennt Nemours, seit die beiden Kinder sind« erzählte er und bot mir seinen Arm an, »Sie sind beinahe unzertrennlich«
»Darling« Paget drückte mir einen Kuss auf die Stirn und ich rang mir ein Lächeln ab. Mir gefiel die Art nicht, wie er sich vor mir zurückzog. »Wir sollten mit Ihrer Ladyschaft über die Reiseroute sprechen« durchbrach der ältere Mann unser Schweigen und sah Paget mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich wandte mich überrascht zu Paget um, der seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammenpresste. Er schob verunsichert seine linke Hand in die Hosentasche und kniff seine Augen zusammen.
»Das ist nicht der rechte Zeitpunkt«
»Mylord, Ihr könnt Ihre Ladyschafte nicht länger außen vor lassen«
»Wollt Ihr meine Entscheidungskraft anzweifeln, Chevaliers?«
Chevaliers stotterte eine Verneinung und trat mit einer Verbeugung einen Schritt zurück. Ich beobachtete Paget genau, der wiederum Chevalier nicht aus den Augen ließ. Seine Reaktion schien ihn nicht zu überraschen. Er wandte sich ab, bevor sich Chevaliers überhaupt aufgerichtet hatte. »Lasst uns das Dinner einnehmen, bevor Chevaliers weiter Unruhe stiftet«
Ich verkrampfte meine Hände in meinem Rock, um Paget nicht von hinten anzufallen. Diese Männer sprachen von mir, als wäre ich nicht hier oder als wäre ich nichts Wert. Sie scheinen nicht zu wissen, wie knapp davor sie standen, mich zu verlieren. Hätte ich Dorian geheiratet, ... »Fühlt sich Ihre Ladyschaft nicht ...« - »Es reicht!« Pagets Kopf war gerötet und er schlug mit seiner Hand auf den Tisch. »Spielt nicht mit ihr, Chevaliers« warnte Paget und funkelte Chevaliers an.
Ich sah zwischen den beiden hin und her und trat einige Schritte zurück. Worum ging es hier? Mir stiegen Tränen in die Augen und ich zog meine Nase hoch. »Bitte entschuldigt mich« ich spürte Pagets Blick in meinem Rücken brennen und raffte meinen Rock um hier schneller wegzukommen. Welches kranke Spiel wurde hier gespielt?
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Lady Lavinia - das Mädchen unter Vielen
Historical Fiction»Ich habe dir erzählt, ich arbeite für die Krone« begann er schließlich und ich nickte. Vielleicht war es eine Kleinigkeit. Meine Schultern entspannten sich ein bisschen. »Ich habe nicht von der englischen Krone gesprochen. Oder überhaupt einem Kön...