Kapitel 14, Teil 2

1.5K 83 3
                                    

»Gwen erwartete uns zum Dinner« berichtete ich Paget, um das entstandene Schweigen zu brechen. Es fühlte sich falsch an, nichts zu sagen. »Es gibt noch etwas, worüber ich mit dir sprechen muss« erwiderte Paget und erhob sich vom meinem Schreibtischstuhl. Sein Glas Whisky war bereits beinahe geleert.
»Ich habe eine Tochter« brachte er heraus und ich zog überrascht eine Augenbraue nach oben. Paget war bereits Vater? »Ich erwarte nicht, dass du dich um mein Kind kümmerst« verteidigte er sich sofort und ich schluckte. Hoffentlich sprach er über unser Kind nicht auch so, sollte ich einmal nicht mehr die Möglichkeit haben, mich um es zu kümmern. »Wie lange weißt du das schon?« - »Seit acht Jahren« Ich schloss meine Augen und nickte langsam. Da war er gerade Mal achtzehn gewesen. Ein bisschen älter als ich. Aber so wie ich Paget kannte, war er damals noch nicht Mal in der Lage sich um seine Pferde zu kümmern.

Ich verkniff mir die Frage, warum er es mir nicht gesagt hatte. Das würde zu nichts führen. »Wer ist ihre Mutter?« - »Sie ist tot, du musst dir keine Gedanken machen«

Paget war also Vater einer Halbwaisin, die ihm nicht besonders am Herzen zu liegen schien. Ein bisschen Selbstmitleid wird in diesem Moment erlaubt sein.

»Ich möchte sie kennenlernen«

»Lavinia, das musst du nicht«

»Liebst du deine Tochter?«

»Natürlich, sie ist mein Kind«

»Gut, dann werde ich sie auch lieben«

»Kennt Ihr Paget Tochter, Gwen?« etwas an ihrer Gesichtsfarbe ändert sich und Nemours neben ihr schien einer Ohnmacht nahe. »Ich will dem Mädchen nichts Böses« verteidigte ich mich und schüttelte entsetzt den Kopf. Paget hatte es mir erzählt. Alleine deshalb musste ich mich zusammennehmen. Immerhin war es das erste Mal, dass er mir etwas berichtete, ohne das die dringende Notwendigkeit dazu bestünde. Außerdem war sein Kind ein Teil von ihm. Zumindest stellte ich es mir so vor. Und ich wollte Paget so gut ich konnte, kennenlernen.

Nemours hatte mir vorhin die ersten Dokumente zu der Gestaltung von öffentlichen Anlässen gegeben. Plötzlich fielen mir die vielen Kleinigkeiten in der Planung des Dinners von heute und dem von gestern auf und ich musste meinen Hut vor Gwendolin ziehen. Sie hatte versprochen, das gesellschaftliche Leben zu gestalten, solange wir auf der Überfahrt waren.

Ich hatte keine Ahnung, wie ich das selbst einmal schaffen sollte.

»Fehlt Euch England?« fragte mich ein junges Mädchen und ich zog überrascht die Augenbrauen nach oben. »Manchmal« wich ich aus. Es wäre sicherlich unhöflich, diese Frage zu bejahen. Immerhin war meine neue Heimat Bonheur. »Ich mochte das Haus meines Onkels besonders zur Weihnachtszeit sehr gerne« setzte ich hinterher. Das war Princesse Solei. Mit ihren neunzehn Jahren war sie mir altermäßig am nächsten. Gwen hatte mich ihr als Erstes vorgestellt und sie nahm mich sofort liebevoll in ihre Kartenrunde auf.

»Ihre Majestät und Lady Hawkins pflegten sich mit Mehl zu bewerfen, anstatt Kekse zu backen« berichtete Paget und alle lachten auf. Überrascht lachte ich mit und schüttelte den Kopf. »Wenigstens schmeckten unsere Kekse nie nach Mehl« - »Davon war wahrscheinlich nicht viel übrig« Princesse Solei lächelte mich an und langsam löste sich meine Zunge. Nemours half mir, die richtigen Themen für eine Unterhaltung mit ihr zu finden und sie stieg auf alles ein, dass ich ihr bot.

Princesse Solei war meine erste Freundin.

»Darling« Paget griff nach meiner Hand und ich wandte mich überrascht um. Gwen trat einige Schritte zur Seite, blieb aber trotzdem in meiner Nähe. »Würde es dich stören, wenn ich heute in meinen Räumen schlafe?« ich zog überrascht die Augenbrauen nach oben. War etwas geschehen? »Freitags findet ein traditioneller Herrenklub statt. Es wird spät, ich werde betrunken sein und will dich nicht wecken«, erklärte er und ich lachte auf. Ein Klub also. Vielleicht unterscheidet sich Bonheur doch nicht zu stark von England.

»Somit können wir solange im Salon bleiben, wie wir möchten« verkündete Gwen laut genug, dass es sowohl Paget, als auch ihr Mann Nemours hörten. Dieser drückte ihr nur schweigend einen Kuss auf die Wange. »Stört es Euch?« - »Nicht im Geringsten!« Ich konnte mir nur schwer ein Lachen verkneifen. Gwen nahm mich an der Hand und führte mich in den Salon.

Lady Lavinia - das Mädchen unter VielenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt