Kapitel 22, Teil 2

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Paget

Bonnebelle rekelte sich hinter mir im Bett und sah mich abwartend an. Ich griff nach dem Brandyglas und stürzte den Rest des Glases in einem Zug hinunter. Mein Hals brannte wie Feuer und ich schloss die Augen, bis sich die Wärme in meinem Bauch ausbreitete. Eine Wärme, die abgesehen von Brandy nur Lavinia in mir hervorrief.

Ich schüttelte den Kopf über mich selbst. Mein Blick flog zu meinem Sekretär, auf dem der letzte Brief des Arztes auf mich wartete. Zu sagen, es ginge ihr schlecht, wäre die Untertreibung des Jahres. »Du hast den Brief noch immer nicht geöffnet?« fragte Bonnebelle vom Bett heraus und ich schüttelte stumm den Kopf.

Manchmal fragte ich mich, ob sie gelegentlich daran dachte, dass ich verheiratet war. Mit einem Kind, dass meinetwegen kaum mehr aus dem Bett kam. Ich schenkte mir nach. »Vielleicht sind es gute Neuigkeiten«, startete sie einen neuen Versuch, worauf ich schnaubte. Schließlich erhob sie sich und nahm mir die Brandyflasche weg.

»Kümmere dich doch um deinen eigenen Kram«

»Tue ich gerade«

Ich warf ihr einen bösen Blick zu. »Ich bin es leid!« fuhr ich sie plötzlich an, worauf Bonnebelle sich seufzend ins Bett fallen ließ.

»Ich kann doch nicht einfach warten, bis sie tot ist!«

»Sie ist bereits schwanger, Paget. Das Einzige, dass du tun könntest, ist ihr Kraft geben. Aber wir wissen beide, dass du das nicht ertragen kannst«

Ich nahm den letzten Schluck Brandy und starrte wieder ins Fenster. Wie anders es doch war, als ich mit Lavinia in einem Schlafzimmer geschlafen haben. Mit meiner Frau. Wütend stürmte ich aus dem Raum und schlug die Tür hinter mir zu. Ich hätte sie nicht berühren dürfen, bevor sie nicht kräftig genug für eine Schwangerschaft gewesen war. Aber ich Idiot konnte es nicht abwarten.

Die Ärzte sagen zwar, es seien noch keine Komplikationen anzunehmen, aber was wissen die schon. Ich musste bereits dabei zusehen, wie ein Kind einer Frau die Kraft nahm. Das war nur ein Kind und eine ältere Frau gewesen. Die Ärzte logen. Es war mit Komplikationen zu rechnen.

Lavinia

Gräfin Yorker schloss gerade mein Mieder und ich sah den Arzt abwartend an. Er rieb sich nachdenklich über die Stirn. »Es ist wichtig, dass Majestät regelmäßig essen« wiederholte er. Frustriert blies ich Luft aus. »Ich kann doch nicht für drei Essen!« - »Ganz sicher das Majestät nicht die Nachspeise für drei essen möchten?« Ich warf meiner Hofdame einen bösen Blick zu, worauf sie sich lachend daran machte Ordnung auf meiner Kommode zu schaffen.

»Majestät sollen mindestens fünf Mal am Tag etwas essen, dass nicht ausschließlich aus Zucker besteht«

»Wie Ihr meint«

Der Arzt verzog das Gesicht, zog sich aber zum Glück endlich mit einer Verbeugung zurück. Dieser Mann würde mich noch wahnsinnig machen. »Hat mir Nemours neue Dokumente geschickt«- »Ja Majestät« Zufrieden machte ich auf den Weg in mein Arbeitszimmer. Zumindest etwas lief in geregeltem Ablauf. Der Kaiser war zwar nicht begeistert, dass ich mich in politische Angelegenheiten einmischte, aber die Diplomatie gab er gerne an mich ab. Nemours meinte, das sei noch nie sein bevorzugtes Gebiet gewesen und am italienischen Empfang hätte ich bewiesen, dass es mir besser liegt. »Seine Majestät der Kaiser fragt an, ob er heute zum Dinner kommen darf«

»Was wünscht er?«

»Er kündigt sich lediglich an«

Ich nickte kurz. Vielleicht ergab sich die Gelegenheit anzusprechen, dass ich dringend einen neuen Arzt brauchte und Lehrer. Sobald ich zwei Kinder haben würde, hätte ich sicher nicht mehr die Zeit mich in den landesspezifischen Dingen weiterzubilden. Paget hatte mir nie erzählt, wie dieses Land eigentlich funktionierte. Es fühlte sich so an, als kenne ich den Boden unter meinen eigenen Füßen nicht.

***

»Eigentlich wollte ich über etwas ganz anderes mit Euch sprechen, aber gut« Mathew ließ sich auf die Sitzgruppe sinken und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Nachdem ich mich bereit erklärt habe mit dem Adel zu dinieren, hatte er jetzt hoffentlich ein offenes Ohr für mich. »An welchen Arzt habt Ihr gedacht?« - »Ich hatte einen großartigen schottischen Arzt, solange wir noch in England waren« Mathew legte seine Stirn in Falten, murmelte einen französischen Fluch, den ich zum Glück nicht verstand und nickte.

»Habt Ihr Neuigkeiten von Paget?«

»Ihm geht es gut. Er versucht gerade einige malheurer Adelsfamilie dazu zu überreden die Seite zu wechseln«

»Also ist er nicht im Krieg?«

»Nein. Vorerst möchte ich militärische Ausschreitungen noch vermeiden«

Wir verfielen in Schweigen. Also hatte ich mich die letzten Tage völlig umsonst damit gequält Paget nicht auf wiedersehen gesagt zu haben, da er gar nicht ernsthaft in Gefahr war. Das erklärte auch, warum in den Tageszeitungen kaum etwas über Mathews Kriegspolitik zu lesen war. Weil es noch gar keinen militärischen Krieg gab.

»Ihr wolltet mit mir über erneuten Unterricht sprechen« wechselte Mathew das Thema und ich nickte dankbar. Gräfin Yorker stellte Tee auf den Tisch und zog sich mit einem Knicks zurück.

»Ich würde sehr gerne mit Princesse Esposito Italienisch lernen und eventuell etwas über die Landesgeschichte«

»Euer Arzt hat gesagt Ihr sollt Euch ausruhen«

»Deshalb möchte ich auch einen neuen Arzt«


Vielen, vielen Dank für 6k! Als ich vor knapp einem Jahr das erste Kapitel hochgeladen habe,  konnte ich mir nicht vorstellen, jemals so weit zu kommen. Vielen Dank für eure Unterstützung

Lady Lavinia - das Mädchen unter VielenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt