Kapitel 12, Teil 2

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Das gesamte Anwesen verfiel in Hektik. Das bekam ich selbst von meinen abgelegenen Räumen mit, aus denen ich mich nicht mehr hinauswagte. Es war lächerlich, aber ich vergrub mich gerne in den Büchern über Geschichte. Seit dem ich mich wieder bewegen durfte und ich das Kind in mir zu spüren begann, prägte ich mir auch alles viel besser ein. Die Wölbung meines Bauches erinnerte ich daran, dass ich nicht länger alleine war.

»Ich muss nochmal mit dir über Dorian sprechen« sagte Paget und beobachtete mich mit einem Lächeln. Ich lehnte in der Fensternische und streichelte verzückt über meinen Bauch, während ich mir die Struktur des Hofes einzuprägen versuchte. »Wie kann ich dir helfen?« fragte ich und deutete einladend auf die Sitzgruppe. Kurz verändert sich etwas in Pagets Blick, bevor er sich niederließ. Ich nahm gegenüber ihm platz und lächelnd ihn aufmunternd an. Ich dachte nochmal kurz an das Kapitel für Verhalten im Salon nach und befand, dass ich mich ganz ordentlich machte.

»Er erkennt deine Schwangerschaft nicht an« fuhr er fort und ich schnappte erschrocken nach Luft. Welchen Sinn machte es für ihn mich an ihn binden zu wollen, obwohl ich ganz deutlich zu Paget gehörte? »Wir sind dabei den Vertrag anzufechten. Aber dazu bräuchten wir Dorians genaues Geburtsdatum, damit wir es mit dem Datum des Vertrages vergleichen können. Sollte Dorians Mutter zu diesem Zeitpunkt bereits ein Kind erwartet haben und Somalia hätte trotzdem mich gewählt, wäre die Rechtslage eindeutiger« - »Dorian hat am 18. August Geburtstag« Mein Mann riss seine Augen auf und ich rang mir ein Lächeln ab. »Bist du dir sicher?« - »Aber ja« Ich lachte über seinen verblüfften Gesichtsausdruck. Im Laufe unserer Bekanntschaft hat er uns öfters an diesem Tag besucht. Ophelia und ich backten ihm immer einen Kuchen, wenn er uns rechtzeitig Bescheid sagte. Die Erinnerung daran lastete bleischwer auf mir.

»Damit sollte der Vertrag nichtig sein« verkündete Paget und ich versuchte meine Freude mit einem höflichen Lächeln zu kaschieren. So schien es sich zu gehören. Mein Mann erhob sich und ich sah ihm verwundert an. »Ich habe mich nicht in eine kühle Hülle verliebt, Lavinia. Sondern in dich, mit allen Unvollkommenheiten!« flüsterte er und zog mich auf die Beine. »Werde ich damit durchkommen?« - »Ich weiß es nicht, Lavinia. Aber dich selbst für ein Protokoll aufzugeben ... das wäre grausam«

Ich schmiegte meine Brust an ihn und hörte sein Herz gleichmäßig in seiner Brust schlagen. »Du liebst mich also?« fragte ich nach und spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigt. Er drückte mich fester an sich, sagte aber nichts. »Bitte, Paget. Ich habe Angst« - »Ja, Lavinia. Ich liebe dich« Ich schluchzte kurz auf, aber Pagets Hemd unterdrückte jedes Geräusch. »Gut« murmelte ich und hob meinen Kopf. In seinen Augen stand ein Lächeln, dass hundert Versprechen verkörperte. »Denn ich bin gerade dabei dir in eine neue Welt zu folgen«


Ich wandte mich unsicher in meiner neuen Kajüte um. Überall waren Goldverzierungen angebracht, in denen sich das Licht bricht. Schützend schlang ich die Arme um mich. Das Licht blendete und verwirrte mich. »Geht Euch gut?« ein junge Frau stand besorgt in der Tür. Ein großes hellrosa Stück Stoff hing über ihren Arm und ich rang mir ein Lächeln ab.

»Bitte verzeiht, Majestät« sie sank vor mir in einen tiefen Knicks und ich schlang meine Arme noch eine Spur enger um mich. »Bitte« würgte ich heraus und sie erhob sich. »Seine Majestät ist in wichtigen Gesprächen, soll ich Euch sagen. Ich darf Euch auf das Dinner vorbereiten« erklärte sie und ich riss meine Augen auf. Dinner? Wir waren bereits in den frühen Morgenstunden aufgebrochen und in einem halsbrecherischen Tempo zu diesem Schiff gerast. Ich war mir nicht sicher, ob ich ein Dinner jetzt auch noch durchstehe.

Das Mädchen führte mich in den hinteren Bereich des Zimmers und öffnete eine weitere Tür. »Das ist Euer Ankleidezimmer, Majestät« erklärte sie und zeigte in den Raum hinein. »Könnt Ihr mich einen Moment alleine lassen?« fragte ich und bemerkte, wie sich ihre Haltung unmerklich verändert. Sie schien sich zu sträuben. »Ich warte hier auf Eure Befehle, Majestät« erwiderte sie schließlich und trat einige Schritte zurück.

Keinen Moment später schlug ich die Tür hinter mir zu und ich stürmte zum Fenster. Verzweifelt rüttelte ich an den Fensterläden, die sich aber nicht öffnen ließen. Verzweiflung schlang sich wie eine Faust um mein Herz. »Majestät?«, ich hörte sie an der Tür klopfen und biss die Zähne zusammen. Während immer mehr Tränen meine Wangen hinunter kullerten, gab ich keinen Mucks von mir. Ich war eine verdammte Erzherzogin. Verzweifelt ließ ich mich an der Wand abgleiten, bis ich am Boden saß und meinen Kopf auf die Knie stützen könnte.

Ich fuhr zusammen, als die Türklinke doch hinuntergedrückt wurde und sich das Mädchen von vorhin durch die Tür drückte. Sie knickste erneut vor mir, aber anstelle einer Antwort kam nur ein Schluchzen über meine Lippen. Das ganze Gold hier erdrückte mich. »Ich bin Gräfin Yorker, Eure Hofdame« stellte sie sich leise auf und ließ vor mir auf die Knie sinken. »Trocknet Eure Tränen, Majestät. Ich bin hier, um Euch zu helfen«

Lady Lavinia - das Mädchen unter VielenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt