Kapitel 11, Teil 1

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Sir Rye hatte mich durch das fremde Anwesen diktiert und die hektischen Fragen aller ignoriert. Ich war ihm dankbar dafür. Er bestand darauf, solange vor der Tür Wache zu stehen, bis Timophly oder Paget zu uns stießen. Lady Asbury wurde gleich in dem Zimmer neben mir untergebracht, doch eine Zofe übermittelte mir bereits die Nachricht, dass sie bereits zu Bett gegangen sei.

Ich versuchte vergebens meine Angst hinunterzuschlucken. Paget brauchte zu lange. Wenn Dorian an einem Kampf interessiert gewesen wäre, dann hätte er zu den Waffen gegriffen. Was hielt Paget solange auf?

Ich ließ mich in einen rot gepolsterten Sessel sinken und löste die Überreste meines Zopfes. Einzelne Tränen flossen über meine Wange.

»Mylady?« Rief Timophly und klopfte gleichzeitig hartnäckig an der Tür. Er wartete meine Antwort nicht ab, sondern schoss durch die Tür. Seine Haare waren zerstrubbelt und ich versuchte das Blut, dass seine blaue Uniform schwarz färbte, zu ignorieren. Mein Magen rebellierte. »Verzeihung, Mylady« sagte er und ließ seinen Blick über seinen eigenen Aufzug schweifen. »Seid Ihr wohlauf, Leutnant?« - »Ja, Mylady. Seine Lordschaft genauso«

Ich blies langsam Luft aus und ließ mich ein wenig zusammensacken. Es ging ihm gut. Er war nicht verletzt. Gott sei Dank. Ich richtete meinen Blick wieder auf ihn und sah ihn abwartend an. Wenn Paget gesund war, wo blieb er dann? »Selbst seine Lordschaf darf nicht in die Botschaft stürmen und die Botschafterin mit Erklärungen auf morgen vertrösten«

Ich schluckte.

Ich war bereits in Bonheur.

Erschrocken schlang ich meine Arme um mich und versuchte mein Zittern zu unterdrücken. Die Knalle der Bomben hallten in meinen Ohren wieder. »Kein Gebäude im Besitz seiner Lordschaft ist so gut bewacht, wie die Botschaft. Hier geschieht Euch nichts mehr« - »Danke Leutnant!« Timophly verstand den Wink und zog sich mit einer leichten Verbeugung zurück.

Paget ließ die Tür mit einem dumpfen Knall hinter sich zuschlagen und ich sprang von meinem Stuhl auf. Er sah erschöpft und niedergeschlagen aus, aber ihm fehlte nichts. Er hatte sich bereits entkleidet. Ein viel zu großer Morgenmantel hing um seine Schultern und zum ersten Mal, kam er mir schmächtig vor. Klein.

»Bitte nicht, Lavinia« er hob abwehrend seine Hand und ich trat erschrocken einen Schritt zurück. »Hebe dir deine Vorwürfe für morgen auf« setzte er hinterher und ich schluckte. Mit hängenden Schultern schlurfte er an mir vorbei und ließ sich auf seine Seite des Bettes sinken.

Seans Gesicht tauchte vor meinem inneren Auge auf und warnte mich davor, ihm mit meinen Fragen, die keine Vorwürfe sein sollten, weiter auf die Nerven zu gehen. Seans schwarze Augen waren zu Schlitzen verengt und ich konnte die Adern auf seiner Stirn pulsieren sehen. Verzweifelt rieb ich mir über die Augen und versuchte seine Stimme aus meinem Kopf zu verdränge. Er war nicht mehr bei mir. Würde nie wieder an mich rankommen. Paget hatte es versprochen.

»Du siehst nicht so aus, als ginge es dir gut« sagte Paget schließlich leise und rollte sich auf den Rücken. Hauptsache ihm ging es gut.

Du bist meine Zeit nicht Wert. Hinaus!

Ich täuschte ein Lächeln vor und legte mich mit viel Abstand zu ihm ins Bett. Meine Hände hielt ich verkrampft über meinem Bauch. Ich spürte keine Veränderung. Mein kleiner Prinz schien wohlauf zu sein. »Es tut mir leid, Lavinia« brachte er schließlich hervor und zog mich zu sich. Er zog meine Hände auseinander und küsste meine acht Fingerknöchel. Meine Augen begannen erneut zu brennen und ich seufzte auf.

»Du warst heute sehr tapfer« murmelte er schließlich und ich schmunzelte. Ich bin geflohen. Inwieweit das tapfer war, konnte ich nicht verstehen. »Hast du gegen ihn gekämpft?« wechselte ich das Thema und ich spürte wie sich Paget unter mir anspannte.

Egal was er behauptet, es machte ihm definitiv etwas aus, dass ich eine Beziehung zu Dorian habe. Er konnte es nur nicht zugeben. »Ein Kampf war das nicht« erwiderte er bitter und schob mich von seinem Oberkörper. Er flüchtete aus dem Bett und ich folgte ihm mit meinen Augen. Er hatte einige Abschürfungen am Rücken davongetragen. Seine Rückenmuskulatur zuckte, als er tief durchatmete. »Sie haben einige unserer Kutschen in Brand gesetzt. Es gab ein kleines Inferno. Aber es diente nur zu Ablenkung« Pagets Stimme troff vor Verachtung und er hatte seine Hände zu Fäusten geballt. Ich rutschte an das Kopfende des Bettes zurück und legte schützend meine Arme um meine Knie. Er wandte sich um und seine Augen funkelten. Beinahe so schwarz, wie die von Sean.

»Sie wollten dich«

Von einem Moment auf den anderen änderte sich seine ganze Haltung. Er sackte erneut zusammen. »Ich werde dir nicht wehtun. Niemals« versprach er schließlich und schritt herüber. Er rüttelte mich leicht, damit ich mich wieder entspannte. »Aber ich alter Narr bin nicht in der Lage, dich vor anderen Angreifern zu schützen«

Die Verzweiflung in seinem Blick schnürte mir die Kehle zu. »Uns geht es gut Paget« beteuerte ich und legte eine Hand auf meinen Bauch. Mit Sicherheit würde Paget einen Arzt herbeordern, der ihm genau das sagen konnte. »Solange du bei mir bist, bin ich sicher« sagte ich und griff nach seinen Händen. Er trug bei Gott keine Schuld an alledem. Immerhin war ich diejenige, die sie wollten und deshalb Paget angriffen. Könnte er das nur einsehen. »Timophly sagt, hier sind wir sicherer, als sonst irgendwo«

Paget sah mich zweifelnd an und rutschte zum Fußende des Bettes. Jetzt konnten wir einander in die Augen sehen. »Es war zu einfach, Darling. Dorian hat einen Trumpf im Ärmel und ich befürchte, dass wir den nächsten Angriff nicht mehr mit Waffen bekämpfen können«

Lady Lavinia - das Mädchen unter VielenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt