»Meine Kinder, Sean. Ich flehe Euch an«, bettelte ich und Sean hielt einen Moment inne. Schloss die Augen und trat, ich traute meinen Augen kaum, einige Schritte zurück. »Sperrt sie für einige Tage in ihre Räume, Majestät. Eine Ohrfeige würde ihr auch nicht Schaden, damit sie in Zukunft solche Dummheiten unterlässt« riet Sean dem Kaiser und ich sah hilfesuchend zu Paget. Genau deshalb bin ich heute geflohen. Weil ich mich nicht länger beherrschen und unterdrücken lassen möchte.
»Lasst uns alleine, Lord Hawkins« erwiderte Mathew und ich bließ erleichtert Luft aus. Was immer jetzt kommen mochte, kann unmöglich so schlimm sein, wie Seans Nähe. »Du auch, Paget« fügte Mathew hinzu und ich sah überrascht zu ihm hinüber. War er am Ende doch nicht so sanftmütig, wie Paget immer behauptete. Wenn er genau gleich wäre wie Sean und ihn deshalb zu meinen Erzieher gemacht hätte?
»Setzt Euch, Lavinia«
Widerwillig nahm ich auf der Sitzgruppe platz. Ich wollte mein Glück nicht weiter herausfordern. Mathew trat hinter mich und sofort spannte ich mich an. Meine Kinder ... es war hoffentlich der Kronprinz in meinem Bauch. Mathew trat mit schnellen Schritten zurück in mein Sichtfeld und nahm gegenüber von mir platz.
»Ich werde Euch niemals körperlich angreifen, Lavinia. Aber ich muss wissen, was Ihr Euch gedacht habt«
»Bei Gott, ich wollte Euch keine Umstände machen, Majestät«
»Warum habt Ihr das Schlossgelände verlassen?«
Es war ihm völlig gleich, dass es mir leidtat. Aber zum Glück war er nicht wütend, höchstens ein wenig angespannt. Sein Blick war immer noch weich, wenn seine Haltug auch ein wenig steif war.
»Ich habe das Gefühl zu ersticken, Majestät. Alle starren mich an und ich habe das Gefühl permanent zu versagen und Paget ...« ich seufzte auf und sah weg. Das war wohl die zehnte Dummheit des Tages. Warum musste ich auch so ein ehrlicher Mensch sein? »Und Paget lässt Euch alleine?« vollendete er meinen Satz und ich sah alarmiert auf. So hätte ich das nie gesagt. Immerhin hatte er wohl die größte Last von uns allen zu tragen.
»Als ich sechszehn war, hatte ich ebenfalls das Gefühl, ich sei dem nicht gewachsen«, erzählte er und rang sich ein Lächeln ab, »Aber ich habe gelernt, dass uns das Leben die Entscheidung abnimmt. Ihr könnt Euch nicht aussuchen, ob Ihr stark sein wollt, Lavinia. Das Leben wird Euch stark machen«
»Seid Ihr und Paget mir böse?«
»Aber nein, Kind. In Zukunft sprecht einfach mit mir, bevor er es Euch zu viel wird. Paget kann manchmal ein richtiger Narr sein«
Überall glitzerte und funkelte es. Nervös strich ich über den schwarzen Stoff meiner Tracht. Einige Treppen trennten unseren Platz vom Ballsaal. Die Adeligen wurden zu einer einzigen, sich drehenden Masse aus schwarzen Roben, aus der immer wieder Familienwappen und auffälliger Schmuck in den jeweiligen Farben heraussprangen.
Die Musik schien nie zu enden, genauso wie der Champagner. Mathew hieß mich zu Beginn des Balles in einer kurzen Ansprache willkommen. Seitdem starrten mich alle unentwegt an. Ich schloss für einen Moment die Augen, um mich an das Rauschen der Blätter und das Lachen im Park zu erinnern. Aber das Gemurmel war zu Laut und die Blicke zu bohrend, um ihnen zu entkommen.
»Darf ich dich um diesen Tanz bitten?«
Ich zog überrascht die Augenbrauen nach oben, nickte aber schließlich. Mathew lächelte uns aufmunternd zu und die Menge teilte sich sofort, als wir herunter traten. Paget führte mich mit solch einer Selbstsicherheit durch den Saal, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Sofort schüttelte ich den Kopf über mich. Er hat ja wirklich nie etwas anderes gemacht.
»Sieh mich an Lavinia«
Sofort ruckte mein Kopf zu ihm herum und er wirbelte mich kurz im Kreis. Ich lachte auf. Paget strahlte über das ganze Gesicht und führte mich weiter, bis der letzte Ton verklungen war. Grinsend schüttelte ich meinen Kopf, als mir Paget einen Kuss auf den Handrücken drückt. Erneut hacke ich mich bei ihm unter.
Doch es war anders. Plötzlich drehte sich alles um mich herum. Das Stimmgewirr erhob sich in einem Moment zu einem Grollen und dann war es wieder ganz verklungen.
Ich konnte mit Paget nicht Schritt halten.
Stolperte.
Der Boden unter mir schien keine gerade Ebene zu sein.
Meine Gliedmaßen spürte ich kaum noch, als ich auf den Boden aufschlug.
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Lady Lavinia - das Mädchen unter Vielen
Historical Fiction»Ich habe dir erzählt, ich arbeite für die Krone« begann er schließlich und ich nickte. Vielleicht war es eine Kleinigkeit. Meine Schultern entspannten sich ein bisschen. »Ich habe nicht von der englischen Krone gesprochen. Oder überhaupt einem Kön...