1 - Schneeflocken im Juni

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Ich sitze auf meinem Bett und starre aus dem Fenster hinaus. Ich höre meinen Vater unten mit Nella spielen. 
Irgendwie bin ich nervös.
Ich weiss nicht, an was es liegt, aber in letzter Zeit bin ich das öfters. Wirklich angefangen hat es, als Nella auf die Welt kam. Also vor nicht ganz einem Jahr.
Mein Blick verschwimmt. Dann höre ich leise Stimmen. Und das Gefühl, dass jemand vor meiner Tür steht und flüstert, werde ich auch nicht los.
Es könnte Mara sein. Vielleicht telefonierte sie ja gerade.
Meine Stiefmutter hatte mich noch nie sonderlich gemocht, aber damit kann ich leben. Denn das beruht auf Gegenseitigkeit. Ich mag Nella, meine kleine Halbschwester, aber ich habe schon ganz lange nicht mehr mit ihr gespielt.
Daran ist Mara schuld. Sie behauptete immer, ich sei gefährlich für Nella. Was totaler Schwachsinn ist, als ob ich meiner kleinen Halbschwester etwas tun würde.
Aber das kann ich Mara so oft sagen, wie ich will, sie glaubt mir einfach nicht. Sie ist verrückt.
Und mein Vater ist zu verliebt, um es zu merken oder mir zu helfen, es ihr klar zu machen.
Ich seufze leise. Die Stimmen gehen weg und ich höre die Dielen knarren. War also doch Mara.
Ich habe so lange aus dem Fenster gestarrt, dass meine Augen zu brennen beginnen und ich Schneeflocken tanzen sehe. Ich blinzle ein paar mal. Es hört auf zu brennen und die Schneeflocken verschwinden. Ich muss grinsen.
Schneeflocken im Juni.

Leise ApfelblütenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt