32 - Ich schreie auf, gemeinsam mit all den Stimmen in meinem Kopf

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Am nächsten Tag denke ich über meine Therapiesitzung nach.
Der Name meines Therapeuten ist Jan Hayfield. Ich mag ihn, aber die Therapie mag ich nicht.
   Ich glaube, dass Lennox mir viel mehr hilft als sein Gerede darüber, wie es mir gerade geht.
   Aber Jan Hayfield hat sich ganz viele Notizen gemacht, als ich ihm erzählt habe, wie ich fast in meinen Gedanken ertrunken bin.
   Vielleicht kann er mir ja wirklich helfen.
   Dass ich nicht verrückt bin, den Gedanken habe ich aufgegeben. Aber dass ich schnell wieder nachhause kann, das hoffe ich immernoch.
   Auch wenn ich Lennox gerne mitnehmen würde. Vielleicht kann ich ihn ja auch einfach entführen.
   Aber nur wenn er einverstanden war. Also eigentlich keine Entführung.
   Weil ich an Lennox gedacht habe, will ich ihn jetzt sehen.
   Ich könnte ihm ja wieder beim lesen zuschauen. Also springe ich auf und laufe in den Garten.
   Aber unter den Apfelbäumen sitzt Lennox nicht.
   Verwirrt schaue ich mich um. Ist er etwa gerade nicht am lesen? Ich überlege, ob schon Zeit fürs Abendessen ist. Aber das ist es nicht.
   Dann überlege ich, in welchem Zimmer Lennox eigentlich schläft. Das weiss ich nicht.
   Also beschliesse ich, Marek zu fragen.
Ich laufe wieder ins Gebäude hinein und finde bereits da Marek.
   "In welchem Zimmer schläft eigentlich Lennox?", frage ich ohne Begrüßung.
   "Im Himmelzimmer. Das ist das mit der weissen Tür, gleich gegenüber von deinem."
   Ich nicke und laufe die Treppe hoch.
   "Ist denn etwas passiert?", ruft Marek mir nach.
   "Ich will ihm nur beim lesen zuschauen", rufe ich zurück und überspringe die letzten paar Stufen.
   Ich habe fast vergessen anzuklopfen. Ich kann mich aber noch bremsen und schlage meine Knöchel gegen das weisse Holz.
   Auf eine Antwort mag ich aber nicht warten sonder stosse die Tür sofort auf.
   Als erstes fällt mir auf, dass Lennox nicht hier ist. Dann fällt mir mein Buch auf, dass offen auf dem Boden liegt.
   Dann stelle ich fest, dass sein Zimmer zwar schön ist, mit den hellblauen Wänden und weissen Bettwäsche. Aber es wirkt so leer. Die persönlichen Gegenstände scheinen zu fehlen.
   Aber eigentlich suche ich ja Lennox, ich will das Zimmer schon wieder verlassen, da sehe ich, dass die Badezimmertür etwas offen steht.
   Durch den Spalt kann ich Lennox' blonden Wuschelkopf sehen. Er sitzt auf dem Boden.
   "Was machst du da?", frage ich verwirrt.
   Ich komme näher und als Lennox nicht reagiert, stosse ich die Badezimmertür ganz auf.
   Sofort habe ich das Gefühl, dass mein Kopf platzt. Es ist plötzlich so laut und die Stimmen in meinem Kopf schreien alle auf einmal los.
   Lennox' sitzt auf dem Badezimmerboden, den Kopf gegen die Wand gelehnt. Eine Hand umklammert eine weisse Scherbe, die andere ist blutrot.
   Er sitzt in einer Pfütze aus seinem eigenen Blut und hat die Augen geschlossen. Seine Arme sind von zahlreichen Schnittwunden übersäht.
   Ich schreie auf, gemeinsam mit all den Stimmen in meinem Kopf.

Leise ApfelblütenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt