30 - Ich suche mein 'Ich' in mir

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Beim Essen bleibe ich still. Ich denke über Lennox' Aussage nach, dass sie uns gar nicht gesund pflegen wollen.
   Augenblicklich frage ich mich, ob das überhaupt möglich ist.
   Auch wenn ich es nicht wahrhaben will, tief in mir drin weiss ich es dennoch. Ich bin verrückt.
   Ich sollte mich wirklich mal über Schizophrenie informieren. Manchmal funktionierten meine Gedanken ganz normal, so wie jetzt. Dann gab es wieder Phasen wie zuvor in meinem Zimmer, in denen ich gar nicht merke, dass in meinem Kopf alles falsch läuft. Und dann gibt es es selten noch, dass ich merke, dass ich wieder verrücktes Zeug rede, aber mich selbst nicht daran hindern kann.
   Als ob mein Hirn in zwei Teile gespalten wäre - zusätzlich zu den zwei Hirnhälften, versteht sich - und dass mal die eine, mal die andere gerade arbeitet.
   Die normale Hälfte, und die verrückte Hälfte.
   Ich frage mich, welche wohl produktiver ist?
   Und welche Hälfte arbeitet wohl gerade jetzt?
"Kim, bist du fertig?" Ich werde von Lennox aus meinen Gedanken gerissen.
   Ich werfe einen Blick auf meinen Teller. Nurnoch Erbsen sind darauf, also ja.
   Ich nicke und Lennox bedeutet mir mit dem Kinn, das Tablet abzuräumen.
   Er bringt mich danach gleich zu den Therapiezimmern.
   "Ich weiss nicht bei wem du bist, ich frag rasch nach, warte hier", erklärt mir Lennox und verschwindet in einem Zimmer ganz zuvorderst im Gang.
   Es dauert nicht lange, bis er wieder hinaus kommt. Er läuft voraus den Gang entlang, aber meine Beine wollen mir nicht gehorchen und ich bleibe einfach vor Ort stehen.
   Bereits nach wenigen Schritten hat Lennox gemerkt, dass ich ihm nicht folge, und er dreht sich wieder nach mir um.
   "Kim?", fragt er.
   Aber auch mein Mund gehorcht mir nicht. Kein Ton kommt über meine Lippen.
   Ich kann nicht mal meine Augen von meinen Füssen lösen und sehe desswegen auch Lennox' Gesicht nicht, der wieder zu mir zurück kommt.
   "Gehts dir gut?", erkundigt er sich.
   Noch immer stehe ich steif da und ignoriere ihn. Aber keinesfalls absichtlich.
   Kein einziger Muskel meines Körpers will mir gehorchen.
   Es ist, wie als wären mein Hirn, das verzweifelt nach Hilfe schreit, und mein Körper, der gerade alles fleissig ignoriert, nicht Teil des selben Menschen. Nicht beides Teil von mir.
   Ich fühle mich gerade in meinem eigenen Körper gefangen. Irgendwo zwischen verrücktem Hirn und verrückten Körper hängt mein 'Ich' fest und ist machtlos.
   Ich suche mein 'Ich' in mir.

Leise ApfelblütenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt