Akt VIII - Eagle

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Wir haben über alles mögliche geredet. Aber was mir am meisten im Gedächtnis geblieben war, war was er über seine Familie erzählt hatte.

Nachdem seine Mutter Namjoon und seinen Vater zurückgelassen hatte, wurde sein Vater unausstehlich. Namjoon bekam Privatunterricht zuhause, durfte sich nicht mit seinen Freunden treffen und sollte in die Fußstapfen seines Vaters treten -was er überhaupt nicht wollte.

Natürlich wusste er ebenso, dass sein Vater das tat, weil er nicht auch noch seinen Sohn verlieren wollte. Doch ihn einzusperren war nicht die beste Methode, um dies zu beweisen. Das gleiche tat er mit seiner jüngeren Schwester.

Sein Vater schickte ihn auf eine Universität in Neuseeland, weit weg von allem. Ein halbes Jahr ließ er das mit sich machen, dann hatte er es satt
wie ein Vogel im Käfig zu leben und rebellierte. Er packte seine Sachen und kam in eine Stadt in der sein Vater ihn nicht so leicht finden und zurückholen konnte. Deshalb ging er auch nicht in ein Wohnheim der Universität, sondern kam zu uns.

Als ich ihm zuhörte begriff ich etwas. Wieso es ihn störte, wie ich lebte. Er musste hart kämpfen, um frei sein zu können. Und ich, die alles tun könnte was sie wollte, sperrte mich selber weg. Nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Es machte allmählich Sinn.

Mit schmerzendem Körper erwachte ich und spürte wie steif meine Gliedmaßen geworden waren. Eine dünne, mir unbekannte Decke lag auf mir, die ich abstriff, als ich realisiere wo ich war. Ich war alleine in der Küche, als ich auf meinem Handydisplay 04:06 las. Vorsichtig erhob ich mich und ächzte laut. Mein Rücken fühlte sich schrecklich verkrampft an.

Schlaftrunken watschelte ich ins Badezimmer, machte die Tür auf und war gleich darauf hellwach.

"Wird das zur Gewohnheit?"

Namjoon, der außer einer Boxershorts nichts an hatte, lehnte lässig am Spülbecken und putzte sich die Zähne.

"Warst du um diese Uhrzeit etwa duschen?", fragte ich überrascht und verwirrt zugleich. Schließlich begann die erste Vorlesung Morgens erst um neun. Für beide von uns.

Ich blendete aus, dass er halbnackt vor mir stand, spürte jedoch trotzdem wie in mir die Scham kochte und meine Wangen glühten dabei wie Kohle.

"Ich schlafe immer nur zwei Stunden am Stück. Habe so 'nen Zeitplan fürs schlafen.", erklärte er, während ich beobachtete wie die Wassertropfen seines nassen Haares auf seine Schultern fielen.

"Jetzt ernsthaft?", ich runzelte meine Stirn, weil ich so etwas noch nie zuvor gehört hatte.

"Schau mal, wir verschlafen so viel Zeit unseres Lebens. Ich nutze den Tag immer fürs faulenzen, weil ich in der Nacht alles erledige. Projektarbeit, Präsentationen. Krativität kommt bei mir mit der Nacht."

Es klang eigentlich ganz plausiebel.

"Verstehe...Und wie viel schläfst du insgesamt?"

"Sechs Stunden."

Deshalb sah es auch immer so aus, als würde er absolut nichts machen. Ich schlief, wenn er an seinen Hausarbeiten dran saß.

"Das ist ganz schön schlau.", fiel mir nachdenklich auf.

Er lachte, nachdem er fertig war.

"Du bist die Erste, die das so sieht."

Naja, es klang ja auch ein wenig befremdlich.

"Übrigens... Danke für die Decke. Das ist deine, oder?"

Namjoon nickte zustimmend.

"Kannst du die vielleicht eben auf mein Bett schmeißen?"

memento mori - knjWo Geschichten leben. Entdecke jetzt