-5-

767 50 4
                                    

Johannes Oerding - Kreise

Ey, wenn sich alles in Kreisen bewegt

Dann gehst du links, dann geh' ich rechts

Und irgendwann kreuzt sich der Weg

Wenn wir uns wieder sehen

Ich öffnete die große Tür zu der Lagerhalle, und richtete meinen Blick auf den Boden.

Mika drängte sich an mir vorbei, zu allen hin die gerade in der Halle waren. Kurz ließ ich meinen Blick über das Geschehen vor mir streifen, absichtlich den Punkt in der rechten Ecke des Raumes meidend, da ich die Ahnung hatte, das dort Jake stand.

Die Lagerhalle hatte sich sehr verändert. Die Sofaecke war verschwunden, und mit einem riesigen, grauen Besprechungstisch, mit vielen weißen Stühlen um ihn herum, die alle besetzt waren ersetzt worden. An der Wand hing ein großes Whiteboard. Der Teppich war verschwunden, die Küche sah, ausgenommen von der Kaffeemaschine, unbenutzt aus. Irgendwie hatte die Lagerhalle nicht mehr den Flair wie noch vor zwei Jahren. Es hatte nun nicht mehr die Ausstrahlung meines zweiten Zuhauses. Etwas war in Ungleichgewicht geraten.

Ich senkte meinen Blick wieder etwas, doch glücklicherweise viel ein Schatten in mein Gesicht, und außerdem war meine Kapuze ziemlich groß, weshalb man mein Gesicht nicht sofort erkennen konnte. Ich wusste, das meine Bemühungen zum größten Teil vergeblich waren. Eine Person in diesem Raum konnte spüren, das ich da war. Doch diese Person ließ sich nichts anmerken, als sich manche Leute in dem Raum zu uns Neuankömmlingen umdrehten. Er verschwendete noch nicht einmal einen Blick an uns.

Er setzte stattdessen ungerührt seine Rede fort:

"Wir haben unsere besten Leute darauf angesetzt, herauszufinden, was Theodor in Hawaii vorhat." Ich bemerkte Mike, Lilly und Phina an dem Tisch, neben ihnen mir unbekannte Leute. Phina beachtete Jake nicht, sondern musterte stattdessen mich interessiert, während Mike und Lilly ungerührt nach vorne schauten.

"Allerdings müssen wir auch ein paar Jäger danach ausfragen. Ich würde vorschlagen, das wir im Laufe der nächsten Tage einen Großangriff starten, ein paar Jäger als Geiseln nehmen und sie dann befragen." Die Männer und Frauen um den Tisch herum nickten einverstanden, doch ich verdrehte nur die Augen, trat ein Schritt vor, zog mir meine Kapuze herunter und hob die Stimme: "Ein Großangriff wäre unsinnig."

Um mich herum wurde Geflüster laut, aber Jake schaute mich nur unbeeindruckt an.

Oh Gott, diese Augen.

Zwei Jahre lang hatte ich mir erträumt, diese Augen wieder zu sehen. Die Wärme und die Liebe in ihnen zu erkennen, dieses meerblau mit den grünen Sprenkeln in ihnen.

Doch jetzt schlug mir nur Kälte und Abweisung entgegen. Ich widerstand dem Drang, mich umzudrehen und wegzulaufen.

"Theodor würde das erwarten. Er würde ahnen, das wir zu minderbemittelt sind, das Geheimnis um Hawaii herauszubekommen. Er erwartet nicht, das wir es einfach so hinbekommen würden, ohne die Hilfe von Geiseln. Wir können zur Not unsere Spione etwas herumhören lassen, doch jetzt würde ich mich erstmal auf die Bibliothek verlassen."

Jake machte ein überhebliches Gesicht. "Und wer gibt dir den Grund zu Annahme, das du hier noch etwas bestimmen kannst?"

"Ich bin einer von euch. Und außerdem würde ich an Theodors Stelle genauso handeln. Wer gibt sich heute schon noch die Mühe in Büchern zu blättern? Man will alles sofort mit Gewalt lösen."

"Wie der Vater, so die Tochter, oder was?" Dieser Satz, und die Kälte in seinen Augen die mir entgegen schlug, ließ mich zusammenzucken. Sam trat im Hintergrund ein Schritt näher auf mich zu, hoffentlich um seine Unterstützung mir gegenüber zu zeigen.

Jakes Blick wurde, wenn das überhaupt noch möglich war, noch eisiger. Dann wand er allerdings seinen Blick ab, atmete tief durch, und widmete sich dann seinen Unterlagen vor ihm, bevor er zu mir sagte: "Danke für diesen Vorschlag," Die Ironie war aus seinem Ton stark herauszuhören, "allerdings bleiben wir bei meinem Vorschlag."

"Jake! Du weißt das ich Recht habe."

Sein Blick, den er mir danach zuwarf - obwohl es bestimmt kein positiver war - brachte mein Herz zum Klopfen, vor Nervosität oder vor Liebe ließ sich schlecht sagen. Vielleicht war es auch einfach ein Herzklopfen der 'Ich schmelze gleich weg und werf' mich in seine Arme' Art.

"Du hast dich vor zwei Jahren dazu entschieden abzuhauen, und seitdem haben sich hier einige Sachen geändert. Unserer Freundes- und Unterstützerkreis besteht nicht mehr aus Menschen, die egoistisch sind und nur an sich denken, du 'Blume des Himmels'. Du hast dich vor zwei Jahren dazu entschieden, uns hier im Stich zu lassen, und meinetwegen hättest du auch einfach in dem Loch bleiben können, in das du dich verkrochen hattest! Es ist Schwachsinn, hier mit geheuchelter Hilfsbereitschaft aufzutauchen, und sich vorzustellen, das sich nun wieder alles um die eigene Nase dreht!"

"Du weißt doch gar nicht, warum ich-"

Ich hörte auf etwas zu sagen, sondern atmete tief durch, als sich Sams Hand auf meine Schulter legte. Es würde rein gar nichts bringen, mich hier noch weiter aufzuregen. Deshalb sagte ich so ruhig wie möglich, und plötzlich ziemlich erschöpft: "Mach was du willst. Ich sage nur, das es nicht gut für euch alle wäre.

Du hast deine Taten mal gut überdacht, Jake, und wie ich mich erinnere sind dort auch keine verheerende Dinge passiert. Ich komme morgen wieder und ich hoffe, bis dahin hast du deine Meinung geändert."

Dann drehte ich mich um, und ging mit Sam im Schlepptau durch die große Tür. Ich hörte wie das Geschnatter in der Halle wieder einsetzte, hörte Mikes Stimme, wie er sagte: "Hey Jake, vielleicht hat sie gar nicht so Unrecht...", ich hörte Stuhlrücken, und kurz danach spürte ich zwei Hände auf meinen Schultern, die mich zum glücklichen Aufseufzen brachten, obwohl mir gerade zum Heulen zumute war.

Ich brauchte gerade wirklich meine beste Freundin.

○ ○ ○

Bei wem fängt heute auch wieder Schule an?😒

AeternitasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt