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Warriors - Imagine Dragons

Wir waren auf dem Weg zurück nach Hause. Jake und ich hatten uns zwar voneinander gelöst, doch unsere Hände waren immernoch ineinander verschränkt, als wir zu den anderen an die Tische zurückkehrten. Dort hatten uns alle mit großen Augen empfangen.
Nach einer Weile legte sich der kleine Schock der anderen uns so nah zu sehen, wieder, und wir beschlossen recht schnell, wieder nach Hause zu gehen.

Jake hatte sich mir mittlerweile ganz entzogen, und mir war ohne seinen Körper, sogar nur ohne seiner warmen Hand in meiner, so kalt wie in einer Winternacht.
Doch die Kälte verbreitete sich nicht durch einen frostigen Wind oder Schnee, der vom Himmel herab schwebte. Es war so, als ob die Kälte aus mir selbst hinausströmen würde. Aus meinem Herzen. Aus meiner Seele.

Auch Sam verhielt sich mir gegenüber auf dem Heimweg frostig.
Was hatte ich gemacht? Ich hatte doch nur mit Jake getanzt.
Wenn ich auf unserem Weg nach Hause versuchte, mit ihm zu sprechen, schaute er mich nur immer wieder mit diesem "Ich bin wirklich maßlos enttäuscht von dir"-Blick an, und anwortete sehr einsilbig. Deshalb sonderte ich mich recht schnell von den anderen ab, und gesellte mich alleine an die Spitze unserer Truppe.

Vielleicht hörte ich dieses komische Zischen, das plötzlich von allen Seiten kam, deswegen als erste. Weil ich niemanden hatte mit dem ich redete. Oder ich war einfach nicht so angetrunken wie die meisten der anderen, die sicher ein paar zu viele Cocktails intus hatten. Oder mein Gehör hatte sich über die Zeit einfach verbessert. Das Leben als Erdenengel barg viele Überraschungen.

Aufjedenfall war dort dieses Zischen.

Ein Zischen, das aus allen Ecken der Straße kam, ein Zischen das geflüsterte Sätze beinhaltete, die ich aber bei bestem Willen nicht endziffern konnte.
Das Zischen wurde so laut, dass das Gelächter der anderen in den Hintergrund trat.

Konnten sie es denn nicht auch hören?

Ich hatte das plötzliche Bedürfnis, meine Hände auf meine Ohren zu pressen, um diesem Zischen endlich ein Ende zu bereiten.
Das Geflüster kam nämlich immer näher, und jetzt konnte ich auch zerrissene Wortfetzen hinaushören.
Sie erzählten von Tod und Lügen und meiner traurigen Seele, und ich hatte das Verlangen zu schreien, da mein Schrei vielleicht diese grässlichen Stimmen überdecken würde, bis - es einfach verschwand.
Das Zischen verschwand so schnell wie es gekommen war, und es herrschte wieder Stille um mich herum, außer dem Gelächter der anderen, das ich wieder warnahm.
Sie hatten nichts bemerkt.
Außer vielleicht Jake, denn als ich mich umdrehte, musterte er mich aus seinen unerschütterlichen blauen Augen. Er wusste natürlich, dass mit mir etwas nicht stimmte. Er kannte mich schließlich sogar besser als seine Westentasche.
Er löste sich von Mika, die ihm gerade lachend etwas erzählte. Er lächelte nicht.
Er trat einige Schritte auf mich zu, bis er vor mir stand, doch bevor er auch nur irgendetwas aus seinem Mund bekommen konnte, waren wir umzingelt.

Das Gelächter erstarb, als es auch die anderen bemerkten.
Bei genauerem Hinsehen könnte ich erkennen, das wir von dutzend Abbildern Theodors umzingelt waren. Diese unzähligen Theodors bildeten um uns einen Kreis, rissen ihre Arme in die Höhe, in die Richtung des von Sternen übersähten Nachthimmels, und begangen synchron einen Spruch aufzusagen.
Um uns herum bildete sich ein Wind, der sich rasch zu einem leichten Sturm entwickelte. Und ehe wir uns versahen, waren wir in der Luft, und wurden von einem Tornado davongetragen, ohne uns dagegen wehren zu können.

×××

Wir landeten auf einem Hochhaus.
Auf dem Dach eines Wolkenkratzers.
Man kann sich denken, das wir nicht gerade erfreut waren.

Um uns herum war es dunkel, und ein feiner Nebel umschwaderte uns.

"Willkommen."

Theodors Stimme kam hinter uns hervor. Blitzschnell drehten wir uns um, um gerade noch zu sehen, wie Theodor seine Hände wieder erhob. Zeitgleich, wie seine Hände den höchsten Punkt erreichten, flammten um den Rand des Gebäudes Fackeln auf, vor denen eine Reihe mit Jägern stand, jeder bekleidet mit einem Umhang und den Blick zu Boden richtend.

"Lasst das Spiel beginnen."

×××

"Lani." Sagte Theodor in feierlicher Stimme. "So lange habe ich dich nicht mehr gesehen."
"Doch jetzt," er lachte. "Jetzt ist es perfekt."
"Weißt du, lange habe ich überlegt, wie ich dich besiegen sollte. Doch jetzt habe ich eine viel bessere Idee: Ich töte dich nicht. Ich benutze dich."
er fing an, um uns herumzugehen. Uns einzukreisen.

"Denk nur daran, was für Möglichkeiten du hättest, wenn du dich mir anschließen würdest.
Du müsstest nicht gegen sie kämpfen.
Du müsstest dich ihnen nicht beweisen.
Ich könnte dich schützen.

Du müsstest nicht mehr mit diesem Schmerz leben. Diesen unerträglichen Schmerzen, die dich von innen auffressen.
Du könntest Macht haben. Macht über all diese minderwärtigen Winzlinge." Er zeigte nach unten auf die belebten Straßen Honolulus.

"Und denke doch daran, Leilani: Ich bin dein Vater."

In seinen Augen glitzerte der Wahnsinn. Ich schluckte kurz und antwortete dann: "Du bist nicht mein Vater, Theodor. Und ich werde mich dir nicht anschließen."

Aus den wahnsinnigen Augen meines Erzeugers wurden wütende.
"Tut mir leid, Leilani, aber du musst."

Auf einmal fingen die Jäger um uns herum an, einen Sprechgesang zu murmeln.

"Die Kraft des reinsten Geschöpfes es braucht, um ihn zu fesseln.
Ein Stück der Seele noch hinzu, um ihm es zu rauben.
Und zuletzt, das Blut eines Menschen, eines Werwolfs, eines frischen Toten und einer Nekromantin, um ihn zu zerstören."

"Lieber würde ich sterben."

Theodor lachte.

"Dann soll es so sein!"

Und somit streckte die Arme in unsere Richtung aus, und mit einer unbändigen Kraft wurden wir von dem Wolkenkratzer geschleudert. Kurz blieben wir noch in der Luft hängen. Theodor schwebte blitzschnell an mich heran, und flüsterte in mein Ohr:
"Es hat dich erreicht, nicht wahr? Das Zischen.

Sie werden dich ohne Gnaden holen kommen."

Ich riss meine Augen auf. Ich wusste wen er meinte. Es war so weit.

Doch bevor ich mich mit diesem erschütterden Gedanken auseinandersetzen konnte, fielen wir schon in die Tiefen.

Doch ich war ein Erdenengel, nicht wahr?
Ich war stark. Ich war so machtvoll wie ein Engel. Und ich musste uns retten.
Somit streckte ich mitten in unserem Fall die Arme zu beiden Seiten aus. Ich merkte, wie mir warm wurde, wie meine Augen anfingen zu lodern, und sich zu einem reinen Gold verfärbten.
Ich merkte, wie mein ganzer Körper gold erstrahlte, und ich bemerkte die Kraft, die durch mich hindurchströmte, und mich zum lächeln brachte.

Ich konnte das schaffen.

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AeternitasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt