Kapitel 92

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Dragonlight P. o. V.

Mit zitternden Händen versuche ich schwerfällig den Brief, welchen Zayn mir vor ungefähr einer Viertelstunde in die Handgedrückt hat, zu öffnen. Als ich es dann nach gefühlten Jahren endlich geschafft habe, muss ich erstmal schwer schlucken. Es ist nicht irgendein Brief, nein. Es ist genau jener Brief, welchen ich Zayn damals im Krankenhaus hinterlassen habe, als ich beschloss, London mit sofortiger Wirkung zu verlassen. Es ist schon einige Zeit her, Monate, um genau zu sein. Doch Zayn hat diesen verdammten Brief immer noch. Mehr aus eigener Interesse lese ich ihn mir noch einmal durch, scheine die geschriebenen Worte allerdings erst jetzt richtig wahrzunehmen.

Lieber Zayn,

Wenn du diesen Brief findest, hast du sicherlich schon festgestellt, dass ich nicht mehr da bin! Ich kann es dir nicht selber sagen, da ich dir dann nicht mehr in die Augen blicken könnte. In Sachen Abschiednehmen war ich noch nie sonderlich gut und es fiel mir schon immer unheimlich schwer und bei dir wäre es schon fast schlimmer, als bei Liam. Ich würde mich in deinen wundervollen Augen verlieren und könnte es dir nicht sagen. Ich bin in dieser Hinsicht ein Feigling!

Bitte versuch nicht mich zu finden und vergiss mich! Es ist das beste. Du kannst meinen Kumpel Ben fragen, er ist auch in der Gang, er kennt mich und Liam schon so lange und weiß, dass, wenn ich nicht gefunden werden will, es zwecklos ist, nach mir zu suchen. Ich brauche Abstand, von Liam, von dir, von London! Die Tatsache, dass Liam mich nicht erkennt, mich für eine Fremde hält, zerreißt mich innerlich. Es brennt sich durch mein Fleisch, zerschmettert meine Knochen und zerstört mein Herz mit jeder Sekunde mehr. Ich kann das nicht mehr!

Ich bitte dich, diesen Brief NIE meinem Bruder oder wem anders zu zeigen, wenn du es unbedingt willst, zeige ihn Dr. Breu, aber niemand anderem! Ich vertraue dir Zayn.

Das unsere Eltern sich seit Anfang 2013 nicht mehr gemeldet haben, hatte seinen Grund. Sie sind mit ihrem Auto frontal in einen LKW gefahren, die Geschwindigkeit war zu hoch, als das sie hätten bremsen können. Sie starben sofort!

Liam seit 2010 weg und mich allein gelassen, Eltern Tod und nur falsche Freunde durch meinen berühmten Bruder.

Ich kann nicht mehr Zayn! Bitte vergiss unsere Zeit und vor allem mich! Vielleicht werden wir uns irgendwann wiedersehen, doch dann wirst du mich vermutlich nicht wiedererkennen. Ich bin gebrochen! Ich weiß, ich darf es eigentlich nicht, aber ich habe Gefühle für dich! Egal was ich gemacht habe, ich konnte es nicht abstreiten, weshalb mir der Abschied so unendlich schwerfällt! Ich liebe dich Zayn, ich habe es damals schon, tue es jetzt und werde es auch immer tun! Bitte vergib mir! Ich kann dich nicht weiter in Gefahr bringen.

In Liebe, deine Hope

Wütend auf mich und meine eigene Dummheit, Zayn sowas zu gestehen, will ich ihn schon weglegen, als mir auf einmal eine schwarze Schrift unten auffällt. Und dieser Satz lässt mich kreidebleich werden.

"Dann schätze ich, dass mein Leben ab diesem Moment in deinen Händen ruht. Ich habe dir vor langer Zeit schon versucht zu erklären, was ich fühle, doch ich schreibe es dir gerne noch einmal. Hope, ich liebe dich! Mit jeder Faser meines Körpers, doch ich kann nicht ohne dich! Finde mich an meinem "Todesort". Du entscheidest. Entweder zusammen, oder gar nicht"

"Nein!" meine Stimme ist nur ein Hauchen und dennoch so fest. "NEIN!" Panisch springe ich von meinem Stuhl auf und stürme aus meinem Büro. In voller Panik raufe ich mir meine Haare und drehe mich, während ich versuche herauszufinden, was er mit "seinem Todesort" meint. Während ich immer noch halb am Weinen und hektisch durch die Halle stürme, stehe ich bereits am Rand der Verzweiflung, als mir plötzlich der Tag des Kampfes gegen die Polizei durch den Kopf schießt. Sofort bleibe ich stehen und reiße meine Augen auf, ehe ich mich einmal um mich selbst drehe und die unzähligen Treppen nach oben aufs Dach hechte. Er kann nur das Dach der Gang meinen. Damals, beim Kampf gegen die Polizei hat er sich mit Johns Hilfe hoch aufs Dach zu unserem Scharfschützen geschlichen und hat eine ihm gleiche aussehende Puppe an den Rand des Daches gestellt, um in mir den starken Willen hervorzurufen, ihn zu schützen. Letzten Endes habe ich mich dann von den Beamten losreisen und wieder ins Getümmel schmeißen können, doch die Puppe ist letztendlich doch gefallen, ohne, dass ich es mitbekommen habe. Ist damals auch besser so! Jedoch kann er nur das Dach, die Stelle, wo sie die Puppe damals haben fallen lassen. Denn "Todesort" ist in Anführungsstrichen gesetzt.

Mit Wucht stemme ich die schwere Dachluke auf und renne die letzten paar Treppenstufen nach oben. Hektisch suchend drehe ich mich wieder im Kreis und stoppe abrupt nach einer halben Drehung. Wie erstarrt sehe ich auf die ruhig atmende, schwarzhaarige Person, welche am Rand der Halle sitzt und die Beine über dem Rand hängen hat. Langsam und schwer atmend gehe ich auf ihn und den Abgrund zu. Er hat sich bis jetzt noch nicht einmal bewegt, außer seiner ruhigen Atemzüge. Entweder hat er mich tatsächlich noch nicht bemerkt oder er lässt es sich nicht anmerken. Bedacht gehe ich die letzten Schritte auf ihn zu und will mich schon neben ihn setzen, als er plötzlich aufsteht und mich wie aus dem nichts fest an sich zieht.

"Tu mir das nie wieder an Hope! Nie wieder, hörst du?! Ich hatte so eine scheiß Angst um dich, mein ganzer Körper war am Zittern und ich war eine wandelnde Leiche! Du kannst alle der Gang fragen, sie werden es dir bestätigen! Als ich dich da mit diesem Jungen im Gang fest umschlungen und kraftlos sah, zerbrach mein Herz und ich wollte nichts weiter, als dich wieder bei mir zu wissen! Ich liebe dich und werde es auch immer tun, Hope!" Heulend kralle ich meine Finger noch stärker in seinen Pullover, drücke ihn noch näher an mich und vergrabe mein Tränenüberströmtes Gesicht an seiner Brust. Auch er hält mich fast noch fester an sich gedrückt und scheint nicht mal annähernd daran zu denken, mich loszulassen. Genau wie ich!

"Verdammt ich liebe dich auch, Zayn Malik! Ich liebe dich! Bitte bleib bei mir!" schluchze ich immer noch und versuche meine Atmung unter Kontrolle zu bringen, was dank Zayns Händen an meinem Rücken auch nach und nach geht. Sachte schiebt er mich etwas von sich und blickt mir fest und doch so liebevoll, in die Augen. Während seine eine Hand weiterhin an meiner Hüfte ruht, wandert die andere rauf zu meinem Gesicht und legt sich so vorsichtig wie nur möglich, an meine Wange, während auch ihm einige Tränen entweichen. Bevor ich sie jedoch wegstreichen kann, fängt er an zu sprechen. "Immer. Ich werde dich nicht mehr gehen lassen, das habe ich dir bereits versprochen, Hope! Weil ich dich liebe!" Und noch bevor ich ihm antworten oder anderweitig reagieren kann, spüre ich schon seine weichen Lippen auf meinen, welche ein Feuerwerk der Gefühle in mir auslösen. Ja, ja verdammt, ich liebe diesen jungen Mann!

Eine Maske, ein Name und alles ist anders...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt