Kapitel 1

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Mitten im North Blue lag eine kleine Insel mit dem Namen Bendei. Darauf gab es ein Dorf. Ein einziges nur, direkt an der Küste. Vom Meer aus konnte man es gut sehen und auch hinter den Dächern der letzten Häuser, die Bäume des Waldes. Über die Baumkronen erhoben sich rundherum gigantische Berge und formten etwas, wie einen Kessel, der zur Seite des Dorfes allerdings offen war.
Im Hafen des Dorfes, welches von den Bewohnern liebevoll Tarame genannt wurde, stand ein Mädchen. Sie war gerade einmal 10 Jahre alt, doch schon jetzt faszinierte das Meer und seine Wellen sie, dabei konnte sie nicht einmal schwimmen. Ihr Name, war Caro.
Gerade hissten die Männer, welche ihr Schiff beluden, die Flagge und ein leichtes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, als sie den schwarzen Stoff sah. Es gab einige Möglichkeiten auf See zu fahren, aber nur zwei, die Caro auch nutzen wollen würde.
Entweder ein Piratenschiff oder die Marine. Wenn sie hinausfuhr wollte sie die Welt entdecken. Jede Insel und jeden Winkel, den Mutter Erde zu bieten hatte und schließlich würde sie über allen anderen stehen, stolz und selbstbewusst.
"Hey Piratentochter!" riss eine Stimme sie aus ihren Gedanken "Warum segelst du nicht mit ihnen und stirbst?" Wenige Meter von ihr entfernt stand ein Junge und bei ihm noch einige Andere. Sie grinsten breit und unsicher machte Caro einen Schritt zurück, wobei sie die Gruppe nicht aus den Augen ließ.
Einer von ihnen, ihr Anführer, wog einen Stein in der Hand und erst da bemerkte das Mädchen, dass sie alle irgendwie bewaffnet waren. Nur kleine Sachen, wie Metallstangen und weitere Steine, keine Messer, aber auch diese taten weh, wenn man sie abbekam.
Schnell wirbelte sie herum und rannte. Nur ein Stück von ihr entfernt gab es lautes Klacken, als einer der Steine auf dem Boden aufkam, doch sie wand sich nicht um, um nachzusehen. Die Stimmen der Jungen hallten durch die Straßen, als sie ihr folgten, doch Caro war um einiges schneller und schaffte es bald sie abzuschütteln.
Sobald sie sie aus den Augen verloren hatten, gaben sie ihre Jagd auch schon auf und so wanderte Caro mit gesenktem Blick durch die Straße. Die wenigen Leute, die ihr entgegenkamen suchten möglichst großen Abstand, wenn sie an ihr vorbeigingen, doch sie bemerkte es kaum. Schließlich stand sie vor der Tür einer alten Kneipe und nach kurzem Zögern trat sie ein.
Es war vollkommen normal, dass sich dort ein großer Teil des Dorfes versammelte und nun stand Caro in der Tür und drehte in ihrer Tasche unruhig die Münzen, welche sie mit sich trug. Aus jeder Ecke waren feindselige Blicke auf sie gerichtet, doch das Mädchen versuchte ruhig zu bleiben und ging mit großen Schritten auf den Tresen zu.
"Verschwinde Piratenkind!" rief jemand, bevor sie auch nur die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte. Schweigend blieb sie stehen und biss sich auf die bebende Unterlippe. Jeder in diesem Dorf hasste sie, einfach jeder. Nachdem der Erste angefangen hatte, stiegen auch die Anderen mit ein. Wüste Beleidigungen füllten schon bald den Raum.
"Monster!"
"Teufelstochter"
"Soll die Pest dich holen!"
"Ruhe!" das letzte, war der Bürgermeister gewesen. Er saß an seinem Platz und sah die Männer nicht einmal an, als diese verstummten. "Wie oft muss ich euch noch sagen, dass ihr das Kind in Frieden lassen sollt?"
"Aber Bürgermeister" erhob einer von ihnen wieder das Wort "Sie ist die Tochter eines Piraten! Sie..."
Mit einem unterdrückten Schluchzen wand Caro sich ab und rannte nach draußen. Sie hätte gar nicht erst hineingehen sollen, aber jedes Mal hatte sie die Hoffnung, dass etwas anders war. Irgendwann mussten die Bewohner doch verstehen, dass ihr Vater kein Pirat war.
In ihrer Verzweiflung hätte sie beinahe den Schrei überhört, doch nach einigen Sekunden drang er zu ihr durch. Für einen Augenblick dachte sie, die anderen Kinder hätten sie wieder gefunden, dann merkte sie, dass es eine andere Art von Schrei war.
Es war der Schrei, den sie seit sie denken konnte zurückgehalten hatte. Es war ein Hilfeschrei.
Schnell sah das Mädchen sich um, doch weder vor ihr, noch hinter ihr, war irgendetwas, dann wurde ihr Blick von einer Bewegung eingefangen. Es war der kleine Körper eines Jungen, kaum 5 Jahre alt, welcher hilflos, weit oben, an einem Fenster hing.
Seine kleinen Finger krallten sich verzweifelt in das Holz des Fensterbrettes, während seine Füße irgendwo nach halt suchten, doch selbst Caro konnte sehen, dass seine Kraft ihn verließ. Entsetzt sah sie, wie er langsam immer weiter abrutschte, dann fiel er.
Im selben Moment rannte sie los. Ihr Füße trugen sie die Straße hinunter und sie sprang, um ihn irgendwie doch noch zu erreichen, doch es fehlte noch ein gutes Stück.
Nein dachte sie verzweifelt und schloss die Augen, um es nicht sehen zu müssen Passier doch etwas!
Es gab kein Geräusch. Die Straße um sie herum blieb still und als das Mädchen die Augen vorsichtig wieder öffnete, lag vor ihr, der Junge. Sie begriff nicht, was passiert war, denn normalerweise hätte er tot sein müssen, doch dort lag der Junge und setzte sich langsam auf, dann begann er zu weinen. Der Schock hatte nachgelassen.
"Jo" eine Frau kam aus dem Haus gerannt und auf sie zu "Jo, dir geht es gut!" erleichtert nahm sie den Jungen in die Arme "Danke Vielen-" sie wand sich Caro zu und als sie das Mädchen erkannte, stoppte sie und ihr Blick wurde wütend.
"Du!" rief sie und funkelte das Mädchen an "Verschwinde! Nimm deine Finger von meinem Sohn!" Wortlos stand sie auf und ohne noch einmal zurückzusehen ging sie weiter. Gleich darauf versiegte das Weinen des Jungen, während seine Mutter ihm beruhigend über den Rücken strich.
"Der Boden war plötzlich ganz weich Mama!" sagte er "Als wäre es Wasser... oder aus Gummi, aber ganz weiches Gummi!"
Als hätte sie den bösen Blick im Rücken gespürt, den die Frau ihr hinterherwarf, drehte das Mädchen sich kurz um, dann ging sie um die Ecke und verschwand damit aus ihrem Blickfeld. Diesmal hatte sie ein Ziel, wo sie hin wollte, und zwar nach Hause.
Als zwischen den Häusern die ersten Bäume auftauchten, setzte sie ein Lächeln auf. Weder ihr Vater noch ihre Mutter sollten wissen, wie die Leute im Dorf sie behandelten, denn das letzte Mal, als sie etwas gesagt hatte, war ihr Vater unglaublich wütend geworden.
Es ging ein gutes Stück bergaufwärts in den Wald hinein, dann kam eine Lichtung und dort stand ein kleines Haus. Nachdem ihr Vater mit ihrer Mutter auf die Insel gekommen war, hatte er das Haus gebaut. Dazu war es nötig gewesen, die Bäume zu fällen, welche damals auf der Lichtung gestanden hatten, dann hatte er daraus Bretter gemacht und Balken und ihr Zuhause gebaut. Jeder noch so kleine Teil daran war Handarbeit.
"Hey, die Piraten sind also weg?" wollte ihr Vater wissen, als er sie bemerkte. Er saß im Garten auf seinem Stuhl und legte gerade die Zeitung beiseite, die er gelesen hatte.
"Ja" nickte Caro "Sie haben die Segel gehisst und sind davon gesegelt!" Manchmal fragte sie sich, ob ihr Vater vielleicht doch ein Pirat war, weshalb sie ihn in solchen Momenten dann genau beobachtete, ob sich etwas in seinem Gesicht änderte, doch er wirkte lediglich zufrieden.
"Gut, sie haben für genug Unruhe gesorgt!" meinte er, als er aufstand.
Ein wenig enttäuschte es das Mädchen, dass er nichts mit den Vorwürfen zu tun zu haben schien. Sie glaubte, dass es sicher einfacher wäre mit den Vorwürfen zurechtzukommen, wenn sie wenigstens Wahr wären.
"Du wirst sicher die nächsten Tage wieder an der Klippe sitzen!" seufzte ihre Mutter und ließ dabei die Gartenschaufel in ihren Schoss sinken.
Ein wenig verlegen senkte Caro den Blick, doch dann nickte sie. Auf der Insel gab es drei Orte, neben ihrem Zuhause, die sie unglaublich liebte. Das eine war der Hafen, dann gab es einen alten Baum, in dessen Ästen man wunderbar fantasieren konnte und schließlich die Klippe.
Sie lag einige Meter über dem Dorf, weshalb man sowohl über die Häuser von Tarame blicken konnte, als auch über das Meer und solange kein Schiff im Hafen der kleinen Gemeinde lag, gab es für das Mädchen keinen Grund dorthin zu gehen.
Nur wenige Minuten später saß Caro dort und ließ ihren Blick über das unendliche Blau wandern. Die Meeresbrise wehte ihr durch die Haare und wirbelte sie auf, weshalb ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht erschien, dann entdeckte sie in der Ferne ein Schiff.
Aufgeregt griff sie ihr Fernglas und setzte es ans Auge. Einige Sekunden musste sie suchen, dann hatte sie es gefunden. Das Erste, was ihr auffiel, waren die großen, weißen Segel mit der in blauer Farbe aufgemalten Möwe und darüber der Schriftzug 'Marine', dann bemerkte sie auch den blauen Rumpf, auf dem das Wort ebenfalls geschrieben stand.
Begeistert sprang sie auf und rannte zurück zum Haus, um ihrem Vater Bescheid zu geben. Wie erwartet saß er noch immer mit ihrer Mutter im Garten, als sie kam.
"Da ist ein Marineschiff!" meinte sie etwas außer Atem und in ihren Augen lag ein fröhliches Leuchten, weshalb ihr Vater leise lachte.
"Dann viel Spaß!" meinte er und strich ihr über die Haare.
"Danke!" grinste sie, bevor sie sich auf Richtung Dorf machte. Am Dorfrand sah sie sich kurz um, dann entschied sie sich einen Umweg zu nehmen, um keinem der anderen Kinder zu begegnen. Zwar war der Weg dadurch ein gutes Stück länger, doch das Schiff war auch noch relativ weit entfernt.
Als sie schließlich in den Hafen kam, war auch das Schiff grade am Anlegen. An Deck stand ein Mann und gab Anweisungen, dann sprang er an Land und sah sich kurz um. Etwas erregte seine Aufmerksamkeit, weshalb er dorthin ging und Caro folgte ihm zögernd. Sie wollte wissen, was er auf Bendei wollte.
Möglicherweise war die Marine auf Grund der Piraten gekommen, die erst am selben Tag aufgebrochen waren, aber etwas sagte Caro, dass es nicht so war. Der Mann betrat ein kleines Lagerhaus in der Nähe des Schiffes, worauf das Mädchen stoppte.
Schnell lief sie ein Stück um das Haus herum, dann drückte sie ihr Ohr an das dünne Holz und lauschte. Der Lärm um sie herum übertönte die Stimmen von drinnen, weshalb sie die Augen schloss und sie nur darauf konzentrierte.
"Also, wo sind die Piraten?" hörte sie jemanden sagen und nahm an, dass es der Soldat von der Marine war.
"Sie wohnen ein Stück entfernt, im Wald, auf der Klippe!" die Worte ließen Caro schaudern. Es war klar, wenn sie mit Piraten meinten und das Mädchen verstand nicht, was gerade passierte.
Mit zitternden Beinen stand sie da und konnte sich nicht rühren, doch schließlich riss ein lautes Krachen sie wieder zurück. Sie musste zurück! Sie musste ihren Eltern Bescheid sagen! Schneller als jemals zuvor bewegten sich ihre Beine, doch ständig stolperte sie.
In ihren Augen standen Tränen, weshalb sie nicht sah, wo sie hintrat, dann stand sie endlich am Waldrand, doch sie konnte nicht anhalten. Als sie wenig später beim Haus ankam, sah ihr Vater ihr besorgt entgegen.
"D-die Marine!" das Mädchen schluchzte. Ihr Vater war kein Pirat, doch nun würden ihn die Soldaten dennoch holen. "Sie kommen hier her! Sie... sie sind deinetwegen hier! Einer von diesen dummen Dorfbewohnern hat ihnen erzählt... hat ihnen erzählt, du seist ein Pirat!"
"Wir müssen hier weg!" ihr Vater wirkte vollkommen ruhig und ernst. Er griff seine Frau an der Hand und Caro am Arm, dann lief er los, doch es war bereits zu spät. Aus dem Wald traten die Marinesoldaten und jeder von ihnen richtete sein Gewehr auf die kleine Familie.
"Papa" flüsterte das Mädchen "Was wollen die? Du bist doch kein Pirat, oder?" Bevor ihr Vater antworten konnte, trat der Mann vor, den Caro schon vorher gesehen hatte.
"Soul D. Dorm!" meinte er laut "Auch genannt 'black Devil'! Sie, und jene, die sich mit ihnen straffällig gemacht haben, sind hiermit festgenommen!"
"Ihr könnt meine Familie nicht mitnehmen!" antwortete Dorm wütend und stellte sich schützend vor seine Frau und Tochter.
"Deine 'Frau'" er sprach das Wort abfällig aus, so, als könne ein Pirat keine Frau haben, oder als habe sie damit ihr Recht so genannt zu werden verwirkt "hat Piraten wie dich geschützt und dein 'Kind'" der Blick, den er Caro zuwarf, ließ sie schaudern "hatte nie ein Recht zu existieren!"
Mit einem wütenden Aufschrei und einem wilden Funkeln in den Augen stürmte ihr Vater vorwärts. Sein ganzer Körper begann rot zu glühen und nun verstand das Mädchen auch, warum der Mann ihn Teufel genannt hatte. Es gab ein lautes Krachen und ihr Vater hatte mit einem Schlag eines der Gewehre verbogen.
Einen Augenblick lang glaubte das Mädchen, dass alles gut werden würde, dass keiner ihren Vater besiegen konnte, dann fielen Schüsse. Dreimal gab es diesen lauten Knall und ihr Vater sank zu Boden. Aus mehreren Einschusslöchern kam Blut.
"Ich hoffe doch, er stirbt nicht wegen euch!" meinte der Marineoffizier genervt "Für ihn ist eine Hinrichtung geplant!"
"Lass ihn in Ruhe!" schrie das Mädchen verzweifelt. Ihre Tränen verschleierten ihren Blick, als der Offizier langsam auf sie zu kam. Er packte sie an den Haaren, worauf ihre Mutter aufschrie, doch zwei Soldaten hielten sie fest, während er das Mädchen kalt musterte. Es tat weh, doch sie gab keinen Laut von sich. Nur die Tränen liefen ihr weiter über das Gesicht.
"Halt die Klapp! Du hast kein Recht zu Leben! Du widerst mich an!" meinte er wütend und stieß sie von sich. Sofort wurde sie von einem Soldaten am Arm gepackt und anschließend weggezerrt. Verzweifelt sträubte sie sich dagegen, doch es brachte nichts.
Die Soldaten brachten sie in den Hafen und vor dem Schiff der Marine stand zu ihrer Überraschung, der Bürgermeister. Der Marineoffizier nickte ihm kurz zu, dann ging er über eine Rampe auf das Schiff, doch das Mädchen konnte sich nicht rühren.
Die einzige Person im ganzen Dorf, die zu ihr gestanden hatte, hatte sie verraten. Der Bürgermeister sah sie ruhig an, er sah ihr direkt in die Augen und schließlich machte das Mädchen einen Schritt auf ihn zu.
"Warum?" flüsterte sie, doch er antwortete nicht "Warum?" fragte sie erneut, diesmal etwas lauter. Erneut bekam sie keine Antwort und konnte lediglich fassungslos den Kopf schütteln.
"Und sie nennen mich Monster!" ihre Augen funkelten plötzlich und nun sah der Bürgermeister weg "Ihr seid die Monster! Jeder von euch!"
Die Soldaten zogen sie weiter, dann war sie an Bord und bevor die Soldaten sie Deck zerren konnten krallte sie die Finger in die Reling. Wie automatisch huschte ihr Blick hinauf zur Klippe und zu ihrer Überraschung stand dort jemand.
Ein Junge, der zögernd eine Hand hob, so, als wolle er ihr winken, doch dann ließ er sie wieder sinken. Ein Stück hinter ihm stand seine Mutter und Caro hatte eine Ahnung, wer dieser Junge war. Der Sohn des Bürgermeisters, der Junge, den sie erst wenige Stunden zuvor gerettet hatte.  

One Piece - blutige Engel - ReWriteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt