Kapitel 29

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Verwirrt sah Caro sich in dem Raum um, dann horchte sie auf. Da war ein leises Piepsen gewesen, doch sie konnte nicht sagen, woher es kam. Schließlich sah sie hinunter zu ihren Füßen und entdeckte dort ein kleines, orange-rotes Eichhörnchen, dass sie ebenso verwirrt umsah, wie sie eben noch.

Es dauerte eine Sekunde, bis sie begriff, dass dieser kleine Fellball ihr Gegner war, dann fing sie an zu lachen. Das Tierchen zuckte zusammen und wirbelte herum.

Er starrte auf zwei riesige Schuhe, dann wanderte sein Blick langsam daran hinauf und seine Augen weiteten sich ängstlich, als er das Mädchen vor sich sah. Mit einem breiten Grinsen beugte sie sich zu ihm hinunter und griff nach ihm, worauf er zurücksprang und beide überrascht feststellen mussten, dass er dadurch tatsächlich aus ihrer Reichweite gekommen war.

Das Eichhönchen gab erneutes Fiepsen von sich, doch diesmal hörte es sich an, als würde der Mann lachen, worauf sie eine Wutfalte auf ihrer Stirn bildete.

"Du kleines Miststück!", knurrte sie, während er anfing durch den Raum zu hüpfen, "Komm sofort her!"

Er gab ein erschrockenes Quicken von sich als sie erneut nach ihm griff, dann flüchtete er sich in die Kiste, aus der er vorher die Teufelsfrucht genommen hatte. Ein wenig verwundert sah Caro auf die Holzschachtel hinunter, dann klappte sie den Deckel runter und hob sie hoch.

"Ah, was machst du?", kam eine dünne Stimme von drinen, "Lass mich raus!"

"Warte kurz!", meinte sie mit einem fiesen Grinsen, dann fing sie an, die Kiste zu schütteln.

Es gab gedämpftes Klopfen, als der kleine Körper gegen das Holz schlug und das Kratzen von Krallen, dann wurde es ruhig. Vorsichtig hob sie den Deckel ein Stück an und griff hinein, dann hob sie den völlig fertigen Nikata am Nackenfell heraus.

"Verdammt...", stöhnte das Fellbündel, "Ich hatte doch... eine Trumphkarte..."

Fragend legte Caro den Kopf schief, dann seufzte sie kopfschüttelnd. Irgendwo in dem Gerümpel fand sie ein leeres, verstaubtes Glas, welches sie vorsichtig auspustete, dann steckte sie das noch immer benommene Eichhönchen hinein und drehte den Deckel, den sie vorher mit Löchern versehen hatte, drauf.

Nachdem sie einige Zeit damit verbracht hatte sich ihren Weg zurück zu suchen, kam sie wieder in den Saal, wo sich inzwischen abgemagerte und niedergeschlagene Dorfbewohner sammelten. Cloud stand unter ihnen, den leblosen Körper eines Mädchens in den Armen und Caro wusste sofort, um wen es sich nur handeln konnte. Mit einem tiefen Atemzug setzte sie sich in Bewegung, bis sie zu ihm kam und ihm tröstend einen Arm um die Schultern legte.

"Ich habe es nicht geschafft!", flüsterte er.

"Sie wird voller Freude auf ihr Dorf hinunter blicken, dass endlich wieder frei ist!", antwortete sie leise.

"Wenn es einen Himmel gibt...", man konnte die Düsternis des Mannes deutlich spüren.

"Vielleicht keinen Himmel", gab Caro nachdenlich zu, "Sie könnte auch ein Geist sein oder eine Seele, die jetzt auf uns herunter schaut! Wer weiß schon, was nach dem Tod kommt, aber ich bin mir sicher, dass sie froh ist, dass ihr Volk in Sicherheit ist!"

"Danke...", murmelte Cloud und sah auf das Gesicht der Toten hinunter, dann lächelte er, 

"Deshalb hat sie sich bedankt!"

Ein leichtes Lächeln erschien auf Caros Gesicht, dann wand sie sich ab und ging zu ihren beiden Kameraden. Jo und Teel wirkten ernst, viel ernster als sonst und sahen Caro mit finsteren Blicken an.

"Ich hoffe doch, du hast diesen Mistkerl ordentlich leiden lassen!", meinte Teel, worauf Caro leise seufzte.

"Ich hab ihn mitgebracht!", meinte sie ruhig.

"Mitgebracht?", die beiden sahen ihren Käpt'n verwirrt an und dann im Raum um, doch sie konnten den Orangehaarigen nicht entdecken.

"Hier!", sie holte das Glas heraus und ihre beiden Kameraden starrten ungläubig auf das darin gefangene Tier.

"Ist das wirklich...", wollte Teel wissen und klopfte leicht gegen den durchsichtigen Behälter.

"Ist er!", bestätigte das Mädchen, "Ich will ihn behalten!"

"Bist du verrückt?", rief Jo aufgebracht, senkte jedoch gleich wieder seine Stimme, als er die beunruhigten Blicke der Leute bemerkte, "Der Typ ist ein Monster!"

"Ich bin der Käpt'n!", meinte sie leise, "Ich bestimme, wer an Bord kommt!"

"Tzz... wenn du den mitnimmst gehe ich!", warnte Jo, worauf das Mädchen leicht lächelte.

"Ich hatte überlegt ihn zum Haustier ab zu richten!", erklärte sie, "Männchen machen! Pfötchen geben! Glaubt ihr, das kann er lernen?"

Einen Moment lang starrte ihr Bruder sie fassungslos an, dann fing er an zu kichern.

"Im Ernst?", prustete er, "Das ist ja noch grausamer als ihn elendig in irgendeiner dunklen Kammer verrecken zu lassen!"

Nachdem Caro ihnen diesen Teil ihres Plans offenbart hatte waren sie der Idee den Mann mitzunehmen nicht mehr so abgeneigt. Im Gegenteil, sie freuten sich auf lange, ausgefeielte Trainingsstunden mit dem Eichhörnchen.

Gemeinsam führten sie die befreiten Bewohner nach draußen, wo sie sich nach und nach zerstreuten, um in ihre Häuser zurück zu kehren. Nur Yunas Mutter blieb bei der Gruppe von Piraten und Cloud, der noch immer ihre Tochter in den Armen hielt. Jo und Teel boten sich an, ein Loch zu graben, damit sie sie zu Ruhe betten konnten und ihre Mutter nahm dankend an. Sie selbst hatte keine Kraft mehr und sank müde zu Boden. Auch die beiden Jungen waren ein wenig erschöpft, doch sie schoben ihre eigenen Bedürfnisse beiseite und arbeiteten verbissen weiter.

Als das Loch tief genug war legte Cloud den kleinen Körper vorsichtig hinein und stellte sich davor aufrecht hin.

"Yuna! Du warst ein tapferes Mädchen und es tut mir leid, dass du so von uns gehen musstest. Es tut mir leid, dass wir keinen Sarg für dich haben, aber ich weiß, dass du es verstehen wirst! Dein Opfer war nicht umsonst!", Tränen liefen ihm über die Wangen und er schluchzte auf, "Ich... ich weiß nicht, was ich sonst sagen kann! Es tut mir so leid, dass ich nicht früher da war!"

Jo und Teel standen neben dem Grab und auf Caros Nicken hin begannen sie, die Erde wieder hinein zu schaufeln. Stück für Stück verschwand das Mädchen, bis man nur noch ihr Gesicht sah, dann war sie entgültig fort. Freudlich halfen Teel und Jo der vor Kummer und Unterernährung geschwächten Mutter auf und begleitete sie zurück zu ihrem Haus.

"Was wirst du jetzt tun?", wollte Caro von dem Schwertkämpfer wissen.

"Ich weiß nicht...", murmelte der Mann, "Ich habe keine Erinnerung an meine Vergangenheit, keinen Ort an den ich gehen kann!"

"Komm mit uns!", meinte das Mädchen ernst.

"Ich weiß nicht...", er schüttelte leicht den Kopf.

"Hah... wir werden noch ein paar Tage hier bleiben! Sag bescheid, wenn du dich umentscheiden solltest!", sie lächelte freundlich, worauf der Mann lediglich schweigend nickte.

One Piece - blutige Engel - ReWriteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt