~Kapitel 7~

19 7 0
                                    

~Warum ich~

Es regnet auf mich herab, sobald ich aus der Tür gehe.

„Nimm einen Regenschirm mit", höre ich meine Mutter rufen, doch heute möchte ich das nicht.

Mir macht es heute nichts aus nass zu werden, ich möchte von jedem einzelnen Regentropfen berührt werden und ihn an meiner Haut herunterlaufen lassen. Ich bin nicht gut gelaunt. Es war weder ein guter Tag, noch eine gute Woche für mich.

Nach einem Wochenende zu Hause muss ich wieder in die Schule gehen. Ich bin so überhaupt nicht bereit dafür. Ich war nie eine schlechte Schülerin, eher durchschnittlich, außer in Deutsch und Psychologie, dort war ich die Klassenbeste. Dieses Schuljahr werde ich wahrscheinlich wiederholen müssen, wenn sich meine Mathematiknote nicht bessert.

Die Zugfahrt zum Gebäude kommt mir heute länger vor, als normalerweise. Ich beobachte die Regentropfen an der Fensterscheibe herablaufen. Das beruhigt mich etwas.

Wir wohnen in einem kleinen Dorf, namens Meson, weshalb ich in eine andere Stadt fahren muss, um eine höhere Schule besuchen zu können. In Ellinia gibt es zwar nur eine kleine Einkaufsstraße, aber meine Schule liegt direkt neben einem der bedeutendsten Parks der Welt. Er ist nur so berühmt, weil er einer der größten auf der Welt ist, er ist ziemlich atemberaubend, nur die Mücken nerven im Sommer.

Erste Stunde Englisch mit Herr Professor Davis, er ist sehr jung und könnte mit diesem Aussehen selbst noch Schüler sein. Er trägt eine dunkelblaue Brille auf der Nase und hat braunes Haar. Ich bin ganz gut in Englisch und verstehe mich auch gut mit ihm. Er ist einer meiner Lieblingslehrer und das bringt mir viele Sympathiepunkte im Unterricht. Da er aus England kommt und als Native Speaker bei uns angefangen hat, ist sein Englisch selbstverständlich besser als sein Deutsch.

„Sit down please", sagt er, während er in die Klasse spaziert.

Sonst bin ich immer neben Chiara gesessen, aber ich habe mich heute extra auf den leeren Tisch niedergelassen, damit sie merkt, dass ich noch sauer auf sie bin.

„Wir haben einen neuen Schüler, den ich vorstellen soll. Warum bleibt der ganze Blödsinn immer an mir hängen?", er war meist sehr direkt und sarkastisch, weshalb sich schon viele gemobbt gefühlt haben. Dazu hat er dann nur gemeint, dass es nicht seine Schuld sei, dass dumme Leute keinen Sarkasmus verstehen. Dies war natürlich auch nur als Scherz gemeint.

„Nick Sterling, meine Damen und Herren!"

Ich kann es nicht glauben. Nick tritt herein und lächelt, er sieht irgendwie besser aus als sonst, sind es seine Haare? Nein, seine Augen leuchten heute noch mehr als an jedem anderen Tag.

„Ach ist der süß", höre ich Lena neben mir flüstern.

„Schau Lay, dein Freund ist hier", sagt Chiara mit einem sarkastischen Unterton.

„Setz dich doch neben Ms. Atkins, neben ihr ist noch ein Platz frei und sie ist sehr freundlich."

„Ich weiß, wir kennen uns bereits", sagt Nick und kommt zu mir rüber.

Er setzt sich rechts neben mich und stupst mir in die Hüfte, weil ich ihn nicht angesehen habe.

„Hallo, Ms. Atkins", sagt er spöttisch.

„Lass das!", entgegne ich.

Warum hat er wirklich Schule gewechselt, warum tut er nur so etwas?

Thomas, sein Vater ist in England geboren und aufgewachsen, seine Mutter war Österreicherin, glaube ich. Jedenfalls spricht er gut Englisch, sein Vater übt mit ihm von klein auf. Bereits in der ersten Stunde hat er sich selbst zum Streber gemacht, aber es war allen egal, wie oft er sich meldete und Pluspunkte bekam, jeder war von ihm fasziniert. Es wirkte so, als wollten die Jungs er sein und die Mädchen bei ihm. Er zog alle auf Anhieb in seinen Bann.

„Was tust du hier?", sage ich nach der Stunde, während ich ihn an seinem Arm in den Gang zerre. Er wirkt nicht mal überrascht, er grinst mich nur an und ich beginn ebenfalls, obwohl ich es nicht möchte.

„Ich hab was Neues entdeckt."

„Was meinst du?"

„Ich kann was mit meinen Augen, keine Ahnung warum aber seit heute Morgen kann ich es."

„Ich meine, warum bist du in dieser Schule?"

Er ignoriert meine Frage gekonnt und geht auf eine Gruppe Jungs zu, die auf der anderen Seite des Gangs stehen.

„Sieh zu!", ruft er mir rüber.

„Hei Leute, ich bin Nick. Ich finde echt, du solltest mir deine Uhr geben."

„Ich soll was?", sagt der größte unter ihnen. Was versucht Nick bloß, er sollte aufpassen, bevor er geschlagen wird.

„Deine Uhr", entgegnet er, während er ihm seine Handfläche zeigt.

Danach war es still, der Junge sah ihm tief und lange in die Augen. Dann öffnet er den Riemen und Nick hat die Uhr in der Hand.

„Bro, was soll das?", fragt ein anderer verwirrt.

Ich verstehe selbst nicht, wie er das getan hat.

„Ich weiß nicht. Ich finde, ihm steht sie besser", antwortet dieser beschämt.

„Nimm sie wieder", meint Nick.

Der Junge starrt ihm wieder einige Sekunden, wenn nicht sogar Minuten in die Augen. Ich bin so fasziniert, dass ich mein Zeitgefühl verliere. Dann nimmt er die Uhr, macht sie an seinem linken Handgelenk fest und die Jungs reden so, als wäre das nie passiert. Nick spaziert lächelnd zu mir rüber.

„Was war das?"

„Ich hab keine Ahnung, ich würde es irgendeine Beeinflussung nennen. Jetzt hat er alles wieder vergessen."

„Wow", ist das Einzige, was ich dem hinzubringen kann.

„Wir müssen herausfinden, was du kannst und wie du deine Fähigkeiten einsetzen kannst, damit wir Christian zurückbringen können."

„Wo ist er überhaupt?"

„Felipe und Papa haben recherchiert, er ist bei denen."

„Bei wem?"

„Die einzigen Personen, die ihren Namen kannten sind gezeichnet, sie können weder sehen, hören oder reden. Wir haben versucht mit einem Mann zu kommunizieren, er ist in der Fords-Psychiatrie, aber wie willst du jemanden verstehen, der dich nicht versteht. Wir haben Zeichnungen erhalten, auf denen komische Gestalten in schwarzzusehen waren, es sah aus wie Umrisse von Menschen, nur auf eine gewisse Art und Weise anders. Schwer zu beschreiben, ich werde sie dir noch zeigen. Jedenfalls stand auf diesen Zeichnungen überall mit rot „DIE" geschrieben, anfangs konnte der Mann noch sprechen, aber er schrie immer nur. In der Nacht wachte er meist auf und gab „Sie waren es, die sind die Einzigen, die an allem schuld sind!" von sich. Aber mit der Zeit hörte er auf und nahm sein Schicksal an."

„Das ist ja furchtbar gruselig, wie konnte er bloß zeichnen, wenn er blind ist?"

„Er wird wohl einen Pfleger gefragt haben, welche Farbe das ist und einfach losgelegt haben."

Nach diesem Satz lief mir ein kalter Schauer über den Rücken und ich bekam am ganzen Körper Gänsehaut. Es waren schon wieder sie, DIE von denen Christian ebenfalls sprach, von denen Susi eine ist.

„Ist Susi eine von ihnen?"

„Sie war es, aber du hast etwas in ihr verändert. Sie ist anders, seit dem du bei ihr warst."

Vielleicht hatte Christian recht und wir sind die Einzigen, die eine Chance gegen SIE haben.

I'm not only HumanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt