~Kapitel 8.2~

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Tag 5.948

Seit den letzten zwei Nächten bin ich anders. Eine unendliche Leere durchdringt meinen Körper und frisst mich von innen heraus auf. Wie geht man damit um, nichts zu fühlen? Wenn man traurig ist, macht man Dinge, die einem mit Freude erfüllen. Doch was mach ich in dieser kalten aber gleichzeitig warmen Hülle meiner selbst. Ich will mich einfach nur in eine Decke kuscheln, einen Tee trinken und mit keinem reden, einfach hier allein in meinem Zimmer, im Bett liegen und nichts machen. Mich nicht zu irgendetwas oder irgendjemanden verpflichtet fühlen, doch so läuft das leider nicht.

Mama glaubt, ich hätte einen Rückfall und sollte erneut die Klinik aufsuchen. Ganz ehrlich? Ich glaube es auch. Es ist einfach schwerer, träger zurzeit. Mit Nick habe ich mich so leicht gefühlt, als ob ich schweben könne, doch jetzt bin ich gefallen, in ein tiefes Loch, aus dem ein Endringen unmöglich scheint. Ich weiß nicht mal so richtig, was ich schreiben soll oder kann. Ich bin erschöpft, von der ganzen Situation, vom Leben, ich weiß es nicht genau, aber was es auch ist, es ist kurz davor mich zu bekommen. Mich in einen Käfig zu sperren und nur die dunklen Gedanken hinauszulassen. Was hat das alles für einen Sinn, wenn er nicht da ist! Ihm ist wahrscheinlich nicht mal bewusst, was diese Nacht mit mir gemacht hat, ich bin mir ja auch nicht sicher deshalb. Vor allem sollte ich ihn nicht mit meinen Gedanken und Gefühlen nerven, wenn es ihm noch schlechter ergangen sein muss. John, der Mann, der Nick zu einem Gezeichneten gemacht hat. Der, der seiner Mutter den Tod geschenkt hat. Kann man das überhaupt so sagen? Geschenkt, war es ein Geschenk oder doch eher ein Fluch?

Wie kann ich nur hier sitzen, in dieses Buch schreiben und dabei Tränen vergießen, wenn er irgendwo da draußen ist und mit sich selbst nicht mehr klar kommt. Was bin ich für eine Freundin? In einer der schlimmsten Momente seines Lebens konnte ich ihn nicht mal beschützen. In der Situation, wo er am zerbrechlichsten war, konnte ich ihn nicht heilen, ich bin bloß da gestanden und habe gehofft, dass sich das Problem von selbst löst. Hat es dann auch irgendwie. John liegt noch im Krankenhaus, Thomas hat das herausgefunden, er sei stabil, aber noch kann sich sein Zustand verschlechtern. Nick ist einfach gegangen. Thomas hat mich am nächsten Tag angerufen und gemeint, er sei nicht nach Hause gekommen. Ich habe einfach zugelassen, dass er mich verlässt. Wird er jemals zurückkommen? Warum steh ich nicht auf und mache mich auf die Suche?

Ich finde nicht die richtigen Worte, um das, was ich gerade erlebe, beschreiben zu können. Es fühlt sich an wie Ertrinken nur, dass man in jedem Menschen um sich herum Sauerstoff sieht. Man will diesen ebenfalls, aber gelangt einfach nicht zu ihnen, in ihren mentalen Zustand. So als ob du kein Teil mehr dieser Welt wärst, wie etwas anderes. Und genau das bin ich auch - anders, werde ich das jemals ändern können? Ich denke nicht, kann man sich dabei überhaupt sicher sein? Ich habe Angst vor mir selbst, Furcht davor, wieder jemanden zu verletzen, oder nicht genug zu sein, um andere zu beschützen. Werde ich mich selbst verlieren? Kann ich denn überhaupt noch Layla sein, mit diesen Kräften? Ich denke nicht, dass ich sie steuern kann. Dazu war ich an diesem Tag ebenso nicht fähig. Ohne Nick werde ich niemals lernen können, wie ich meine Seele und meinen Körper verbinde. In diesem endlosen Kreis aus Angst und Leere möchte ich nicht gefangen sein. Ich möchte mich nicht selbst verlieren. Ich brauche dich, ich brauche dich mehr, als alles andere. Du bist unter meiner Haut, alles was wir haben, lässt mich frei sein. Aber das kann ich eben nur mit dir, bitte komm zurück. Lass mich nicht alleine in dieser Kälte und mit diesem Schmerz. Ich bin nicht dafür gemacht dagegen anzukämpfen und er soll nicht wieder die Oberhand gewinnen.

Das Schlimme daran ist nicht, dass du weg bist, sondern, dass ich nicht weiß, wann und ob du jemals wiederkommst. Du könntest gerade überall sein, im verlassenem Gebäude, am Ende der Straße, bei jemandem aus der Schule oder in einem Hotel. Aber du könntest auch an unserem Platz sein, doch komme ich dort nicht ohne dich hin. Deine Hand in meiner zu spüren wäre gerade das beste Geschenk der Welt und einfach in deine wunderschönen Augen zu schauen. Doch aus deiner Perspektive sind wir bloß Freunde, obwohl du für mich alles bist.

Geliebter Nick, ohne dich ist die ganze Welt nur noch schwarz-weiß, weil deine Augen, wenn du gehst die Farben mitnehmen. Weil ohne dein Lachen die Sonne nicht scheint und der Wind zum Sturmregen wird. Ohne dich fehlt jedem Kampf, den ich kämpfe, der Grund und meinem Herzen das Feuer. Ich kann dich nicht zwingen, dass du zurückkommen sollst. Ich bitte dich mit allem was ich hab und was mir etwas bedeutet. - Deine Lay.

Ich habe noch nie so einen Text geschrieben, weshalb alles was mir gerade einfällt der Liebesbrief für Vanessa, aus dem „die wilden Kerle" Film ist. Dir das zu geben, wäre unmöglich für mich, darum bleibt es einfach hier, sicher verschlossen in diesem Buch, welches meine Geschichte erzählt. Und du hattest recht, schreiben entspannt wirklich, nur habe ich immer die Befürchtung, mich nicht gut genug auszudrücken. Doch was ich noch loswerden möchte ist, bitte komm zurück, ich brauche dich mehr als jemals zuvor.

XOXO, Layla

I'm not only HumanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt