Kapitel 9

95 8 26
                                    


Zum Glück hatte ich am nächsten Tag frei. Lena hatte nach dem ganzen Erlebnis nicht allein in ihrem Zimmer schlafen wollen und war zu mir gekommen. Wir hatten uns noch einen Film angesehen und über mein Auslandsjahr gesprochen. Mein Vater hatte auch nichts dagegen und ich wollte meinen Eltern gleich morgen mehr Infos zeigen, deswegen hatte ich noch ein wenig im Internet gesurft, als Lena schon schlief. Ich fand kaum Platz, als ich ins Bett kroch, Lena streckte Arme und Beine weit aus und Vino sah mich beinahe strafend an, weil nicht ich in meinem Bett lag.

Mein Schlaf war auch ein wenig unruhig. An Vinos leichte Bewegungen war ich gewöhnt, sie störten mich nicht, aber meine Schwester war da etwas anderes. Größer, schwerer und deutlich zappeliger auch im Schlaf. Dass ich wirre Träume von Kira und Grit hatte, wunderte mich nach dem Aufwachen nicht. Ich blieb noch einen Moment liegen, bevor ich mich aufrichtete und herzhaft gähnte. Lena war bereits weg, sie musste heute immerhin zur Schule.

Noch immer etwas verschlafen ging ich ins Bad, um mir die Zähne zu putzen und zu duschen. Ich hatte mir mein Handy mitgenommen und Musik angemacht, wie ich es oft machte, wenn ich duschte, aber nach wenigen Sekunden machte ich die Musik wieder aus. Nach dem Einbruchsversuch bei uns war ich nervös und ich wollte es hören, falls jemand draußen herumlief oder an Türen oder Fenstern rüttelte. Im Moment war ich allein im Haus, meine Eltern waren arbeiten und Lena noch bis mittags in der Schule.

Ich schüttelte die Gedanken ab. Der Einbrecher würde es wohl nicht direkt heute wieder versuchen. Dennoch ertappte ich mich dabei unter der Dusche die Ohren zu spitzen und mich zu beeilen. Da ich nun endlich wieder Zeit hatte, wollte ich auf den Reiterhof. Fergus fehlte mir und ich wollte mich heute um ihn kümmern. Zum Glück hatte ich für die Zeit meiner Prüfungen jemanden auf dem Hof gefunden, der das übernommen hatte.

Meine Haare ließ ich offen, sie konnten auch an der Luft trocknen, und eilte nur in ein Handtuch gewickelt rasch in mein Zimmer, um mich anzuziehen. Auch hier lauschte ich weiter auf verdächtige Geräusche, obwohl ich mir langsam albern vorkam. Vermutlich räumte der Einbrecher gerade eine Straße weiter ein Haus aus, während ich hier angespannt auf jede Kleinigkeit achtete. Aber ich konnte mich einfach nicht entspannen. Lenas Erlebnis gestern hatte deutlich gezeigt, dass wir genauso wenig sicher waren wie die Nachbarn, bei denen bereits eingebrochen worden war. Und auch der Gedanke an Kiras Tod - den Mord an ihr - ließ mich nicht los und spukte in meinem Hinterkopf herum.

Fertig angezogen ging ich runter in die Küche und machte mir ein Brot. Erst als ich aß, merkte ich, wie hungrig ich war, so dass noch zwei Brote folgten, bevor ich mich auf den Weg zum Reiterhof machte. Vorher ging ich jedoch noch einmal durch das Haus und schaute nach, ob überall die Fenster verschlossen waren. Natürlich waren sie das, meine Mutter hatte sicher darauf geachtet, bevor sie zur Arbeit gefahren war. Auch die Terrassentür war verriegelt und so verließ ich endlich das Haus.

Fergus freute sich mich zu sehen, zumindest deutete ich sein Verhalten so. Er stupste mich mit den Nüstern sacht gegen die Schulter und den Bauch und prustete leise, als ich ihn zwischen den Ohren kraulte. Da wir gutes Wetter hatten, beschloss ich mit ihm auszureiten. Rasch gab ich in der Verwaltung Bescheid, bevor ich Fergus putzte und sattelte. Er schüttelte den Kopf, als ich anfing, stand dann aber still und genoss wohl das Putzen.

Der Ausritt machte Spaß. Ich hatte es vermisst mit Fergus den Reiterweg entlangzutraben. Ein Stück ließ ich ihn auch galoppieren, verlangsamte dann aber wieder. Die Natur um mich herum, der warme Frühlingstag, Fergus' vertraute Bewegungen, das alles ließ mich für einen Moment vergessen, was alles passiert war. Nur Kiras Fehlen erinnerte mich doch daran. Wir waren gerne zusammen ausgeritten.

Eine Weile ließ ich Fergus im Schritt gehen und hing meinen Gedanken nach. In den letzten Wochen hatte sich so verdammt viel verändert. Meine beste Freundin war tot, sehr wahrscheinlich umgebracht. Ihr Mörder lief noch immer frei herum und vielleicht hatte er noch andere Morde begangen. Ich hatte mein Abi in der Tasche, würde ein Auslandsjahr machen und mein Leben damit noch weiter umkrempeln. Ein wenig machte mir das alles Angst, stellte ich fest. Etwas, was ich bisher niemandem außer Kira gesagt hatte. Ihr war es genauso gegangen. Unser Leben als Schülerinnen endete und auch wenn wir uns auf das Studium gefreut hatten, waren wir auch beide nervös gewesen.

Dreizehn MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt