Kapitel 32

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Da ich nicht besonders tief schlief in dieser Nacht, wurde ich wach, als meine Eltern und Lena aufstanden und sich fertigmachten. Ich blieb noch einen Moment liegen, dann stand ich auf und ging nach unten. Meine Mutter war noch da und beendete gerade ein Telefonat mit „Danke, Kathrin". Ich sah sie fragend an und sie seufzte leise.

„Ich weiß, ich weiß ... Du bist erwachsen und alles. Aber ich habe mir heute freigenommen. Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken dich jetzt ganz allein zu Hause zu lassen."

„Okay." Ich lächelte schwach. Wenn ich ehrlich war, war ich froh darüber, auch wenn ich nicht glaubte, dass die Anwesenheit meiner Mutter Mareike von irgendwas abhalten würde. Vermutlich musste sie nicht einmal ins Haus kommen, um mir etwas anzutun. Ich schauderte bei dem Gedanken und griff dankbar nach der Tasse mit Kaffee, die meine Mutter mir reichte.

„Friedrich bringt Lena zur Schule. Wir können sie dann nachher gemeinsam abholen." Ich stimmte zu. Allein bleiben wollte ich nicht, bis ich nicht wusste, wo Mareike steckte. Allerdings fragte ich mich auch, ob die Polizei sie wirklich einsperren konnte. Der Gedanke ließ mich erneut schaudern.

Wir setzten uns und tranken schweigend unseren Kaffee. An Frühstück konnte ich gerade nicht denken. Die Angst vor Mareike verknotete mein gesamtes Inneres. Selbst an meinem Kaffee nippte ich nur gelegentlich, sodass er schon bald kalt war.

Als meine Mutter vorschlug, dass ich mich noch ein wenig hinlegen sollte, nickte ich nur. Ich bezweifelte, dass ich schlafen konnte. Tatsächlich lag ich auch nur wach im Bett und starrte zum Fenster rüber. Vino war irgendwo im Haus unterwegs, sodass ich nicht mal seine beruhigende Nähe hatte.

Wann immer ich etwas hörte, zuckte ich zusammen, aber es war jedes Mal meine Mutter, die irgendwas im Haus machte, und in einem Fall ein Spatz, der auf dem Fenstersims landete und darauf herumhuschte.

Würde ich jetzt ewig mit dieser Angst leben, dass Mareike hier auftauchen könnte?

Als es an der Haustür klingelte, fuhr ich im Bett hoch. Ich wartete kurz ab, dann verließ ich mein Zimmer und ging nach unten. Meine Mutter stand mit zwei Polizisten im Wohnzimmer, den beiden von gestern Abend, und ich schluckte, als ich ihre bleiche Miene sah.

„Ist was passiert?" War dieses Krächzen meine Stimme? Sie musste es sein, keiner der drei hatte seine Lippen bewegt. Ich trat neben meine Mutter und sie ergriff meine Hand.

„Frau Michels, wir müssen noch einmal Ihre Aussage den gestrigen Abend betreffend aufnehmen." Ich brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass ich mit Frau Michels gemeint war. So offiziell wurde ich selten angesprochen und ich verband „Frau Michels" immer noch mit meiner Mutter.

Während meine Mutter den Polizisten etwas zu trinken anbot, was diese ablehnten, nahm ich auf dem Sofa Platz und auf die Einladung meiner Mutter hin setzten die beiden sich mir gegenüber. Wieder war es die Frau, die das Gespräch übernahm.

„Sie waren mit Frau Langer allein im Park?" begann sie und ich nickte. Dann erzählte ich ihr noch einmal meine abgeänderte Version dessen, was passiert war. Ich versuchte möglichst genau wiederzugeben, was Mareike alles gesagt hatte, während ich bei dem Angriff natürlich nicht von dem Schatten sprach, sondern Mareike als Angreiferin nannte. Wenn man es genau nahm, stimmte das ja auch. Als ich davon erzählte, wie Mareike neben ihrem Wagen zusammengesackt war, sah die Polizistin mich fragend an.

„War noch jemand im Park? Oder auf dem Parkplatz?"

„Nein. Erst später bin ich der Frau mit ihren Hunden begegnet und hab sie nach der Haltestelle gefragt. Aber im Park ist mir sonst niemand aufgefallen."

„Sie sagten, Sie hatten sich in einem Café mit jemandem treffen wollen." Die Polizistin sah auf ihren Notizblock. „Der Besitzer eines Antiquariats. Herr Weiners."

Dreizehn MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt