"Und, was machen die Prüfungen?" Jonathan sah mich fragend an und ich schnaufte leise, während ich mich zu ihm setzte. Wir hatten uns auf einen Kaffee verabredet, wie so oft in den letzten Wochen. Es tat uns beiden gut über Kira und ihren Tod zu reden, hatten wir festgestellt, und so hatten wir viel telefoniert oder uns getroffen. Manchmal kam er auch auf den Reiterhof mit, aber vor Pferden hatte er doch so einigen Respekt und näherte sich ihnen kaum. Sie waren ihm einfach zu groß und er fürchtete immer einen Biss oder einen Tritt. Ich fand es angenehm, dass er so ehrlich diesbezüglich war. Mein Exfreund hatte immer groß getönt, dass er keine Angst vor Tieren hatte und als er einmal mit mir auf dem Hof gewesen war, hatte er sich keine drei Meter an Fergus heran getraut, dabei war der Wallach das friedlichste Tier auf dem Hof. Henrik, mein Ex, hatte hinterher noch behauptet, er hätte mich bloß nicht stören wollen, aber der Ausdruck in seinen Augen hatte Bände gesprochen.
"Sie sind böse", antwortete ich und Jonathan lachte leise.
"Das kommt mir bekannt vor. Es sind sicher Verwandte von meinen Prüfungen", sagte er amüsiert und ich grinste.
"Das kann gut sein", stimmte ich zu. Wir bestellten beide Kaffee und unterhielten uns ein wenig über Belanglosigkeiten, bis er kam. Als wir unsere Tassen vor uns hatten, holte Jonathan eine kleine Schachtel aus seiner Tasche.
"Hör mal ... ich weiß, das klingt total komisch, aber ... na ja ...", begann er herum zu drucksen und schob mir schließlich die Schachtel zu. "Die hatte ich für Kira geholt. Ich kam nur leider nicht mehr dazu sie ihr zu geben und ... ich wollte ihre Eltern auch nicht fragen, ob ich sie ihr mit ins Grab geben kann. Das kam mir so ... na ja ... unpassend vor. Wir waren ja noch nicht wirklich so lange zusammen und sie wollten das vielleicht auch nicht und ich wollte sie nicht stören ..." Neugierig nahm ich die Schachtel und öffnete sie. In ihr lag eine schlichte Silberkette mit einem kleinen Anhänger, dessen Motiv mir bekannt vorkam. Diese Schnörkel hatte ich doch auf jeden Fall schon mal irgendwo gesehen. Vielleicht war mir die Kette ja mal in einem Laden aufgefallen?
"Wow ... Die ist hübsch. Kira hätte sich gefreut", stellte ich fest und schluckte den Kloß runter, der sich in meiner Kehle bildete.
"Das hatte ich gehofft", sagte Jonathan leise. "Ich hatte ihr schon mal ein Armband geschenkt mit einem ähnlichen Motiv und dachte mir, dass die Kette gut dazu passt."
"Ihr Armband, klar!" Auf Jonathans fragenden Blick lächelte ich verlegen. "Ach, ich dachte gerade nur, dass ich das Muster auf dem Anhänger kenne. Bestimmt von Kiras Armband. Du glaubst gar nicht, wie sie von dem geschwärmt hat. Du hast ganz genau ihren Geschmack getroffen." Jonathan lächelte erfreut, aber auch ein wenig traurig.
"Es freut mich, dass es ihr so gefallen hat", murmelte er.
"Hat es", bekräftigte ich und sah ihn schließlich fragend an. "Und was ist mit der Kette?" Er fuhr sich kurz durch die Haare.
"Na ja ... Würdest du sie aufbewahren wollen für Kira? Meine Mutter hat sie neulich entdeckt und meinte, ich solle sie wieder verkaufen. Kira ist doch schließlich tot und wird sie nicht mehr tragen und ... na ja ..." Er zuckte mit den Schultern. "Versteh mich nicht falsch, ich liebe meine Mutter, aber manchmal fehlt ihr echt das Mitgefühl."
"Das ist wirklich hart. Immerhin ist Kiras Tod noch gar nicht so lange her", sagte ich und Jonathan nickte.
"Eben. Ich weiß nicht, ob ich die Kette nicht vielleicht in einem Jahr oder so doch verkaufen würde, aber jetzt will ich das noch nicht. Deswegen dachte ich mir, dass ich dich frage", meinte er und lächelte schief. "Niemand würde sich wundern, wenn er bei einem Mädchen eine Kette entdeckt."
"Wahrscheinlich nicht", stimmte ich zu und schloss die Schachtel wieder. "Ich kann sie gerne aufbewahren. Und wenn du sie doch irgendwann zurück haben möchtest, sag einfach Bescheid."
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Dreizehn Mädchen
Tajemnica / ThrillerGemeinsam Abitur machen und danach studieren - das war Paulas und Kiras Traum. Doch daraus wird nichts mehr, denn Paulas beste Freundin ist tot, ermordet. Ihr Mörder ist noch auf freiem Fuß und Paula wünscht sich momentan nichts mehr, als dass er ge...