Kapitel 22

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Zu Hause fiel ich erst einmal ins Bett. Ich war hundemüde und wollte ein wenig von dem Schlaf nachholen, der mir in der Nacht verwehrt geblieben war. Vino döste in der Küche auf dem Fensterbrett und ich ließ ihn auch da.

Eingeschlafen war ich schnell, zumindest konnte ich mich später nicht daran erinnern, lange wach gelegen zu haben. Aber erholsam war der Schlaf nicht. Wieder träumte ich von dem Angriff beim Abiball.

Der Schatten türmte sich vor mir auf, jagte mich über den dunklen Rasen, während in der Entfernung Musik spielte. Ich kam kaum von der Stelle, während der Schatten näherkam und nach mir griff. Als er mich berührte, spürte ich, wie ich das Gleichgewicht verlor und abstürzte, hinab in die Tiefe hinter mir ...

Genau in diesem Moment erwachte ich und lag für einen Moment reglos da. Kein Schatten stand vor mir, niemand starrte zu meinem Fenster hinein und doch fühlte ich mich wieder beobachtet. Mein Herz raste und meine Hände waren schweißnass. Vermutlich waren das Nachwirkungen dieses Traums.

Leise stöhnend richtete ich mich auf, wischte die Hände an meiner Decke ab und fuhr mir durch die Haare. Das war mal nichts gewesen mit dem Schlaf. Ich hoffte, dass es heute Nacht besser gehen würde. Es musste doch Ablenkung geben. Vielleicht sollte ich einen Film gucken. Irgendwas Lustiges. Ich konnte mir auch einen von Lenas Filmen angucken, die waren harmlos.

Eine Weile saß ich noch reglos im Bett. Meine Gedanken wanderten zu dem Ladenbesitzer. Ich wusste gar nicht mal, was ich mir erhoffte, aber ich wollte in den Laden. Immer noch. Dieser Wunsch bestand ja schon eine Weile und bisher hatte ich ihm nie nachgegeben. Zumindest war ich bisher nicht in den Laden gegangen, dort gewesen war ich ja schon. Vielleicht sollte ich noch einmal hinfahren und einfach reingehen.

Ich nahm mein Handy. Noch war es früh genug, der Laden würde offen sein. Vielleicht sollte ich Mareike informieren, was ich vorhatte. Nur zur Sicherheit. Ein Schauder lief mir über den Rücken.

Nur zur Sicherheit.

Der Ladenbesitzer würde mich ganz sicher nicht in seinem Laden umbringen. Er hatte einen Mitarbeiter, es konnten Kunden kommen und er musste befürchten, dass es irgendwelche Spuren hinterlassen würde, die die Polizei finden konnte.

Ich stand auf und ging ins Badezimmer. Nachdem ich die Toilette benutzt und mich etwas frisch gemacht hatte, sah ich in den Spiegel. Die dunklen Ringe unter meinen Augen erschreckten mich beinahe, auch wenn sie mich nicht wundern sollten, so schlecht wie ich die letzte Zeit geschlafen hatte.

Seufzend nahm ich mein Make-Up, um meine Augenringe zumindest ein wenig zu kaschieren. Ich wollte nicht, dass meine Eltern sich Sorgen machten. Als ich zufrieden war mit meinem Aussehen, packte ich mein Make-Up weg und ging nach unten. In der Küche war niemand, aber meine Mutter und Lena sollten eigentlich zu Hause sein. Vermutlich war Lena in ihrem Zimmer und meine Mutter kümmerte sich um die Wäsche.

Ich fand sie tatsächlich im Keller, wo sie gerade Wäsche aufhing. Sie lächelte, als sie mich sah.

„Wie schön, du willst mir helfen."

„Eigentlich wollte ich dir nur sagen, dass ich etwas spazieren gehe." Es war ja keine direkte Lüge, ich fühlte mich dennoch mies. Aber hätte ich meiner Mutter erzählt, was ich plante, hätte sie bestimmt versucht mich aufzuhalten.

„Willst du auf den Hof?"

„Hm? Oh, nein. Ich will einfach etwas raus. Morgen fahr ich hin." Ein Ausritt mit Fergus hätte mich wohl auch gut abgelenkt, andererseits wären die einsamen Reitwege sicher nicht gut für meine Fantasie. Morgen würde ich wohl auch nur eine kurze Runde mit ihm drehen. Ich nahm mir eines der Handtücher, um es aufzuhängen.

Dreizehn MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt