Kapitel 11

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Zu Hause angekommen ging ich direkt in mein Zimmer und versuchte mich mit einem Buch abzulenken, was mir jedoch nicht gelingen wollte. Immer wieder musste ich an den Laden und meinen Verdacht denken. Auch wenn Mareike dort nichts entdeckt hatte, wollte ich selber immer noch hin. Zumindest ließ diese innere Stimme nicht locker.

Irgendwann schob ich mein Buch beiseite. Ich konnte mich eh gerade nicht darauf konzentrieren. Ein Kratzen an meiner Tür ließ mich zusammenzucken, aber dann wurde mir bewusst, dass es wohl Vino war, der in mein Zimmer wollte, vielleicht auch eine der anderen Katzen. Es war Vino, maunzend strich er an mir vorbei und sprang auf meinen Schreibtisch, um mich von dort auffordernd anzusehen. Ich setzte mich wieder und nahm ihn auf den Schoß.

Schnurrend rollte er sich zusammen und ließ sich von mir kraulen. Er lenkte mich besser ab als das Buch und ich war froh über seine Gesellschaft. Als es schließlich zu dämmern begann, streckte ich mich etwas, um meine Schreibtischlampe anzumachen. Mein Herz machte einen kleinen Satz, als ich mein Spiegelbild im Fenster sah, und Vino maunzte leise.

„Alles gut, Süßer, ich bin bloß schreckhaft. Ich muss dich mal kurz absetzen, Schatz." Er protestierte maunzend, als ich ihn auf den Tisch setzte, und beobachtete mich, als ich die Jalousien herunterließ. Sonst störte es mich nicht sie oben zu lassen, aber irgendwie fühlte ich mich gerade unwohl bei dem Gedanken, dass jeder in mein Fenster schauen konnte, wenn er in unseren Garten kam. Viel würde derjenige wohl nicht sehen können, da mein Zimmer im oberen Stockwerk lag, aber dennoch jagte mir die Vorstellung einen kalten Schauer über den Rücken.

Das so versperrte Fenster beruhigte mich tatsächlich ein wenig und ich ging ins Badezimmer, um mir die Zähne zu putzen. So konnte ich mich gleich mit Vino ins Bett legen. Als hätte er meine Idee geahnt, erwartete Vino mich auch bereits auf dem Bett und begann direkt zu schnurren, als ich mich zu ihm legte.

„Du Schlingel, du weißt auch immer, was ich mache, hm?" Er kuschelte sich in meine Arme und ich lächelte. „Schon recht, Katzen können sowas. Ihr seid ja nicht umsonst als Helfer von Hexen verschrien, hm?" Er schnurrte und ich nahm das mal auch Zustimmung seinerseits. Träge kraulte ich Vinos Hals, wobei meine Augen immer schwerer wurden. Ich blinzelte und blickte zu meiner Schreibtischlampe. Eigentlich sollte ich sie wohl ausmachen, aber das Licht störte mich nicht. Und ich war schlicht zu faul und zu müde, um jetzt noch aufzustehen.

Grits schulterlanges Haar hing ihr offen ums Gesicht und ließ sie jünger wirken als sie ohnehin war. Sechzehn Jahre war sie nur geworden, bevor ein tragischer Unfall sie aus dem Leben gerissen hatte – oder ein kalter Mörder. Es tat mir leid um sie.

„Das muss es nicht", erklärte sie mit einem Lächeln, das Lebensmut und Optimismus ausstrahlte, auch wenn sie nun tot war. Eine erstaunlich warme Hand legte sich an meine Wange. „Es war kein Unfall. So wie Kira sich auch nicht selber das Leben genommen hat. So wie auch Aylin und Isabelle nicht aus freiem Willen gestorben sind." Eine Bewegung neben Grit zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Kira trat an mein Bett heran und tauschte den Platz mit Grit. Vino schnurrte sie an und sie strich ihm mit einem Lächeln über den Kopf.

„Sie hat Recht. Ich wollte nicht sterben." Ihre Hand verließ Vinos Kopf und legte sich sanft auf meinen Arm. „Sei vorsichtig, Paula. Bitte. Ich will nicht, dass dir etwas passiert." Vino wand sich aus meinen Armen, um an Kiras Kinn zu schnuppern und sie lachte leise, ein vertrautes Lachen, dass mir so sehr fehlte. Ich blinzelte ein paar Mal, um die Tränen zu verscheuchen, die mir die Sicht nahmen. Kira und Grit wurden blasser und verschwammen, wurden zu undeutlichen Schemen vor mir, die mich betrachteten. Vino schnurrte, als sich eine verschwommene Hand hob und ihn an den Ohren kraulte.

Dreizehn MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt