Meine Gedanken wirbelten durcheinander, während ich dem Weg folgte, den wir gekommen war. Mir war klar, dass Mareike mich hier leicht finden konnte, aber ich wusste auch nicht, wohin ich mich sonst wenden sollte. Irgendwo hier würde ich entweder auf eine Haltestelle oder zumindest Leute stoßen, die ich nach einer Haltestelle fragen konnte.
Der Schatten beherrschte meine Gedanken. Ich fragte mich, was das gewesen war. Wie zum Teufel hatte Mareike das bitte gemacht? Hätte ich etwas von ihr zu essen oder zu trinken angenommen, hätte ich ja gedacht, dass sie da irgendetwas hineingemischt und ich Halluzinationen hatte. Aber so einfach war es nicht.
Und dann Grit. Sie war wieder verschwunden, nachdem ich die Flucht angetreten hatte, aber ich hatte sie gesehen. Und nach dem Erlebnis mit dem Schatten glaubte ich nicht, dass ich mir das eingebildet hatte. Doch wie das alles sein konnte, konnte ich mir momentan nicht beantworten. Ich war mir nicht mal sicher, ob ich das jemals konnte oder ob es überhaupt jemanden gab, der das konnte.
Mit Geistern hatte ich mich nie beschäftigt. Ich glaubte nicht an sie und fertig. Aber was konnte Grit anderes sein als ein Geist? Sie war tot. Wenn ich sie also sah, musste sie ein Geist sein. Was hatte es dann aber mit Mareike und ihrem Schatten auf sich?
Als ich eine Frau mit drei Hunden um eine Ecke biegen sah, traten meine Überlegungen in den Hintergrund. Ich ging auf sie zu und legte mir einen Text zurecht, falls sie Fragen stellte, warum ich nicht wusste, wo hier die nächste Haltestelle war. Aber das wollte sie gar nicht wissen. Sie beschrieb mir den Weg und ging dann bereits mit ihren Hunden weiter.
Ich folgte ihrer Beschreibung und war froh, als ich die Haltestelle erreichte. Gleichzeitig überfiel mich Angst. Was, wenn Mareike bereits zu Hause auf mich wartete? Wenn sie meinen Eltern und Lena etwas angetan hatte? Ich holte mein Handy hervor, aber es war noch immer genauso tot wie zuvor.
Auf dem Plan in dem Haltestellenhäuschen schaute ich nach, wohin ich fahren musste. Ich wechselte auf die andere Straßenseite, da ich in die andere Richtung musste. Nach einigen Minuten kam der Bus und ich stieg vorne ein. Der Platz hinter dem Busfahrer war frei und ich blieb direkt hier.
Schaudernd verschränkte ich die Arme vor der Brust, um so ein wenig das Zittern zu unterbinden, das mich befallen hatte. Ich schaute aus dem Fenster und bemerkte einen roten Schimmer in meiner Spiegelung. Auch nach mehrmaligem Blinzeln blieb er und als ich mich auf mein verschwommenes Spiegelbild konzentrierte, sah ich Grits Züge in diesem.
Also war sie noch da.
War ich besessen? Ich hatte genügend Horrorfilme gesehen, dass mir dieser Gedanke Angst machte. Andererseits hatte Grit mir bisher nichts getan. Und wenn ich daran dachte, wie oft ich schon einen roten Schimmer in einer Spiegelung bemerkt hatte, war sie wohl schon eine Weile um mich herum. Jetzt wurde mir auch bewusst, dass dieser rote Schimmer ihre Haare waren, die sich so leuchtend spiegelten.
Nach einmaligem Umsteigen erreichte ich schließlich meine Haltestelle. Zögernd machte ich mich auf den Heimweg. War Mareike hier? Wartete sie irgendwo in der Straße auf mich und würde mich direkt wieder angreifen? Doch keiner der Wagen sah aus wie ihrer.
Ich erreichte unser Haus. Immer noch zögernd schloss ich auf und betrat vorsichtig den Flur. In Küche und Wohnzimmer brannte Licht und ich hatte die Tür kaum geschlossen, da waren meine Eltern bei mir und meine Mutter zog mich in eine feste Umarmung.
„Du bist wieder da, es geht dir gut", hörte ich sie schluchzen und sah über ihre Schulter hinweg verwirrt zu meinem Vater. Er sah besorgt aus. Hinter ihm entdeckte ich Jonathan und zwei junge Polizisten.
„Was ist denn los?" fragte ich verwirrt und tätschelte unbeholfen den Rücken meiner Mutter.
„Das hab wohl ich zu verantworten", begann Jonathan mit verlegener Miene. „Als du mir geschrieben hast, bin ich zwar gleich losgefahren, aber dann hab ich festgestellt, dass es keine Kamperstraße gibt. Auch keinen Kamperweg oder Pfad oder sonst eine Abwandlung. Ich konnte dich nicht erreichen und ... da bin ich hierhergefahren und hab deinen Eltern alles erzählt. Und sie haben die Polizei gerufen."
DU LIEST GERADE
Dreizehn Mädchen
Misteri / ThrillerGemeinsam Abitur machen und danach studieren - das war Paulas und Kiras Traum. Doch daraus wird nichts mehr, denn Paulas beste Freundin ist tot, ermordet. Ihr Mörder ist noch auf freiem Fuß und Paula wünscht sich momentan nichts mehr, als dass er ge...