Ich öffnete beinahe lautlos die Tür zu dem Zimmer meines Psychologen. Meine Füße, an welchen ich nebenbei bemerkt keine Schuhe trug, glitten fast laut los über den Boden. Mein Psychologe sah auf.
„Ah 143 zu spät wie immer" meinte er, notierte sich etwas, ich schwieg, mein Blick glitt durch den kahlen Raum in dem nichts stand außer zwei Schränken, dem Schreibtisch und zwei Stühlen. In dem Schrank stapelten sich die Akten, teilweise konnte man die Nummern lesen aber oft waren die Beschriftungen zerkratzt oder ausgewaschen weil sie nass geworden waren. Wie auch immer das hier drinnen passieren konnte.
Erwartungsvoll streifte der Blick des Psychologen mich. Vor ihm lag aufgeschlagen meine Akte, ich war mir sicher, dass irgendwo vorne mein Namen drin stand aber das interessierte ihn sowohl als auch mich nicht.
Langsam setze ich mich in Bewegung, brachte die letzten Meter zwischen mir und dem Stuhl hinter mich, ehe ich den Stuhl zurück schob, man hörte deutlich das Schaben des Metalls über den Boden, es war mir egal, es war still im Raum, nur irgendwo tickte eine Uhr in dem fensterlosen Raum, das künstliche Licht tauchte den Raum in ein Steriles weiß. Ich war nichts anderes gewöhnt, aber die Uhr im Zimmer fand ich nicht. Also starrte ich den Schrank hinter dem alten Mann der mein Psychologe war an und versuchte die Ziffern zu entziffern.
„Gut, also willst du mich wieder anschweigen, so wie die letzten Jahre auch?" wollte er wissen, ich bewegte mich nicht. Auf der Akte direkt in der Mitte stand eine 50.
„Gut, dann schweigst du eben weiter, aber ob die Betreuer dann noch so nett zu dir sind weiß ich nicht" fuhr er fort, ganz links stand eine Akte auf der einen 90 oder eine 96 stand oder war es eine 69? Keine Ahnung.
Meine Gedanken strichen alles mögliche die Ziffern verschwammen vor meinen Augen und ich blickte den Psychologen dann doch an. „Ich kann schweigen, ich kann aber auch aufstehen und gehen, ich könnte aber auf einfach versuchen hier raus zu kommen, aus diesem Gebäude. Was werde ich als nächstes tuen? Keiner weiß es" Ich grinste leicht über das völlig verirrte Gesicht des Doktors. „Vielleicht lese ich auch einfach weiter die Ziffern auf den Akten. Vielleicht nehm ich meine Akte mit um mehr über mich zu erfahren, aber nein, das interessiert mich eigentlich nicht. Früher ja, jetzt nicht mehr" langsam erstarb mein Grinsen und mein Blick glitt durch den Raum.
„Vielleicht bin ich auch einfach zu abgestumpft für Ihre Psychologischen Tricks, wer weiß das schon so genau?" mit diesen Worten erhob ich mich und verließ den Raum. Meine Füße trugen mich wie von selbst unter den Neonröhren durch den Gang, mein Blick strich nur ab und zu die Füße anderer Insassen oder erfassten die Tätowierten Ziffern auf den Armen.
Mein Blick war für niemanden bestimmt, er strich die Körper und weißen Klamotten ganz normal, bis ich etwas entdeckte was meine Aufmerksamkeit auf sich zog, zwei stechend blaue Augen die mich anstarren. Ich ignorierte diese dann allerdings und verzog mich in mein Zimmer.
Ich legte mich aufs Bett und starrte die Unterseite des Bettes über mir an, da es ein Stockbett war in dem ich schlief. Dort oben waren Striche eingeritzt, ich hatte gedacht ich wäre nur eine Zeit lang hier, irgendwann hatte ich es aufgegeben die Striche fort zuführen. Zu mal man mir die Fingernägel gestutzt hatte weil ich meine Arme immer wieder aufgekratzt hatte. Was man bei den kurzen Ärmeln der weißen Klamotten gut sah, wo ich genau meine Haut zerstört hatte.
Inzwischen juckte es keinen mehr, dass sie dort waren, meine Fingernägel wurden dennoch regelmäßig gestutzt, dass dies auch ja niemals mehr vorkommen würde. Ich hatte einmal meine Pulsader aufgekratzt, deshalb wurden allen die Fingernägel und auch Fußnägel regelmäßig geschnitten. Diese Regel kam erst durch mich ins System.
Langsam schloss ich meine Augen um das Holz über mir nicht mehr sehen zu müssen, es machte mich krank hier dauernd zu liegen, nichts passierte, niemand sprach mit mir, es war fast schon eine Schande mit mir zu reden. Nicht mal mein Bruder sprach mit mir. Ich galt sogar unter den Insassen als der verrückte, als der, der sich die Pulsadern aufgekratzt hatte. Als der, den man hätte verrecken lassen sollen.
Das war auch der Grund warum das Bett über meinem Bett unbelegt war. Alle, auch die Betreuung, hatten Angst, ich könnte mir oder jemand anderem ernsthaft etwas antuen wenn ich nicht mehr alleine wäre.
Langsam kratzte ich mit meinen stumpfen Fingernägeln über das Holz zu kratzen, hinterließ feine Kratzspuren hörte das schaben in meinen Ohren und irgendwie erschien mir diese Situation surreal, mein Blick stur nach oben Gerichtet keine Ahnung wie lange ich hier war, keine Ahnung von irgendwas. Ich würde hier sterben, ob jetzt oder in 50 Jahren es war egal. Manchmal fragte ich mich was passieren würde wenn meine Eltern mich hier raus holen würden aber das würde nie passieren, denn laut meinem Bruder waren sie tot, aber ob das Stimmte, wusste ich nicht. Ich wusste nichts, es könnte alles gelogen sein, sogar das hier, genau diese Gedanken, ich könnte sie mir vorlügen.
Vielleicht war es so, vielleicht auch nicht. Wer wusste das schon?
Ich blieb an einem losen Holzstück hängen und quietschte leise auf, weil sich ein Splitter unter meinen Fingernagel bohrte. Ich riss das Stück Holz wütend aus dem Bett und besah es mir dann.
Ich blickte es an, als würde gleich ein Alien hinaus steigen und mir mit teilen, das alles wäre nur mehr ein Soziales Experiment gewesen und ich wäre jetzt frei.
Eigentlich könnte es ein Lösung sein hier weg zu kommen, es war angespitzt an der einen Seite, es war spitz und als ich meinen Fingernagel jetzt genauer besah, fiel mir auf, dass es ein ordentliches Loch hinterlassen hatte und der Nagel war teilweise von der Haut getrennt worden.
Wie mechanisch ließ ich das Stück probeweise über meinen blanken Arm gleiten, es ritzte die Haut ein wenig an, auch ohne, dass ich Druck ausübte.
Ein Lächeln Schlich sich auf mein Gesicht, manche hätte es als ein verrücktes Lächeln gedeutet, aber ich wusste ja nicht einmal genau die Definition von Verrückt.
Ich ließ das Holzstück unter meiner Matratze verschwinden und legte mich wieder zurück, ich besah mir erneut meinen Nagel, er hing an wenig Haut. Ohne Groß nach zu denken riss ich ihn komplett aus dem Nagelbett.
Ein erstickter Schmerzerfüllter Schrei entwich meiner Kehle. Und in diesem Moment wusste ich, dass ich lebte und in dieser Hülle auch Gefühle existierten.
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Numbers||Taddl x Wavvyboi FF
FanfictionDeinen Namen? Kennst du nicht, alles was du weißt eine beschissene Nummer, die deinen Namen darstellt. Alles was du je gesehen hast? Weiße Wände das Eintönige dieser Klinik, dieser lieblosen Klinik. Die Erinnerungen an die du dich Klammerst? Veralte...