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Ich sah ihn nicht an, denn ich konnte nicht. Er war ständig auf meinem Radar. Ich konnte seine Präsenz spüren. Nicht ungewöhnlich, auch er besaß diese Aura, aber es war nicht das, was mich auf ihn aufmerksam machte.

Ich lehnte mich zurück an die Wand der Schule. Die erste Pause war fast zu Ende und ich scannte den Pausenhof ab. Die Leute standen in kleinen Gruppen und lachten, aber das war mir dann doch zu langweilig anzusehen. Einen Moment schloss ich die Augen und scannte die übernatürlichen Auren.

Es gab in der Nähe nur zwei, die ich aber ignorierte und streckte meine geistigen Fühler weiter aus. Zu Hause befanden sich die Clanmitglieder, weniger als normalerweise, ein paar wuselten durch das große Haus, ein paar patrouillierten in der Gegend.

„Sieh mal einer an." Die Worte rissen mich unangenhem aus meiner Erkundung, als würde ich gewaltsam aus einer anderen Welt gerissen, und ich öffnete leicht die Augen. Natascha stand ein paar Meter vor mir. Ihre schwarzen Haare glatt frisiert und ein nuttiges Outfit am Körper. Sie kam näher auf mich zu, wie eine Raubkatze. Ich beobachtete sie nur teilnahmslos dabei, wie sie sich lasziv über ihre Hüfte strich und die Haare mit einer Kopfbewegung nach hinten warf.

„Was willst du?", fragte ich sie und sie kam so nah, dass ich ihr zu starkes und süßes Parfüm riechen konnte. Sie stand direkt vor mir und berührte mich am Arm. Ich sah sie unbeteiligt an und versuchte den Reflex zu unterdrücken meinen Arm wegzuziehen. „Caenen, Schätzchen, ich glaube das weißt du ganz genau." Sie blinzelte mich mit ihren lang geschminkten Wimpern an, wohl in der Absicht betörend zu wirken.

„Lass es, Natascha. Ich habe es dir schon einmal gesagt." „Komm schon, Caenen. Du weißt doch genauso gut wie ich, dass du das unmöglich ernst gemeint haben konntest." Ihre Lippen waren viel zu stark und in einem grässlichen Rotton geschminkt. Aber nicht das schreckte mich so von ihr ab. Ihr Verhalten ließ schließen, dass sie keinen Respekt gegenüber ihren Mitmenschen und deren Entscheidungen hatte. Sie zog rücksichtslos durch, was sie plante. Sie tat so, als wäre sie das Zentrum des Universums. Die Meinung anderer waren egal. Sie nervte mich.

„Natascha, ich werde mich nicht wiederholen. Lass es." Ihr Augenaufschlag und der Schmollmund waren beharrlich, beschworen aber kein Mitleid in mir herauf. Ihre spitzen Fingernägeln berührten mich an der Brust und sie zog eine kleine Linie herunter. Ich zog die Braunen zusammen, ließ sie aber noch gewähren. Sie folgte mit dem Blick ihrer Hand.

„Du hast es doch noch gar nicht versucht, mein Lieber." Sie sah zu mir auf und ich nahm ihre Hand und hielt sie fest, bevor sie noch tiefer rutschen konnte. „Versuch es erst gar nicht, Natascha. Ich lasse mich nicht umstimmen."

Da lehnte sie sich zu mir vor, ihr heißer Atem an meinem Ohr und die Süße ihres Parfums drang mir unangenehm in die Nase. „Denkst du etwa ich weiß es nicht?", fragte sie und kam noch näher, ihr Oberkörper an meinem.

„Ich kenne dein Geheimnis, Caenen."

Eine Gänsehaut überlief meinem Rücken, doch ich stand unbewegt da. „Ich weiß nicht wovon du sprichst." Sie lachte leise auf. „Das weißt du sehr wohl, Schätzchen. Denkst du niemand merkt es, wie du den Star der Schule heimlich betrachtest?" Schrecken durchlief mich, aber ich blieb äußerlich ruhig.

„Leugne es nicht. Ich weiß, dass es stimmt. Bei so etwas liege ich nicht falsch." Ihre Lippen berührten mich am Ohr und ich verhinderte ein Zucken. Sie sollte nicht wissen, was in mir vorging.

Dann kam sie mit ihrem Gesicht vor meines. Sie war einen halben Kopf kleiner als ich, aber auch nur dank ihrer Mörderhacken. „Deshalb", flötete sie leise, sodass ich mich anstrengen musste sie zu verstehen, „lass es mich versuchen und ich verrate niemandem, dass du eigentlich vom anderen Ufer bist." Sie biss sich kurz auf die Lippen und starrte meine an.

Heavenly HeritageWo Geschichten leben. Entdecke jetzt