Der Krankenflügel bekam viel zu tun. Zwar gab es keine tödlichen Verletzungen mehr, die hatten die Geflügelten auf der Lichtung bereits mit der heilenden Magie verschwinden lassen, aber nach wie vor gab es Verletzte. Die restlichen, erschöpften Mitglieder des Außenclan bekamen ihre Zimmer zugewiesen und konnten sich erholen.
Ich brachte das Mädchen in eines der freien Zimmer im zweiten Stock. Sie war noch immer nicht aufgewacht. Ich wachte ein paar Minuten an ihrem Bett und dachte nach. Aber viel brachte es mir nicht. Nur die Ereignisse der letzten Stunden tanzten vor meinem inneren Auge, die Qualen, aber auch die Freude in den Augen der Eltern und Freunde, als sie ihre Gebliebten in ihre Arme schlossen.
Ohne mit meinen Überlegungen weiter gekommen zu sein, stand ich vom Stuhl auf und gerade kam eine junge Frau durch die Tür. Sie hatte lange, schwarze Locken und lächelte mich freundlich an.
„Ich wollte das Mädchen nochmal untersuchen", sagte sie und knickste vor mir. Ich ersparte mir ihr zu erklären, dass das nicht nötig war und deutete mit der Hand zu dem Mädchen. Sie machte sich gleich an die Arbeit und ich machte mich schnell aus dem Staub.Draußen stieß ich beinahe mit jemandem zusammen, kein Wunder bei den vielen Leuten hier. Es war Divina. Ihre Augen glitzerten, aber statt mich wohl zu umarmen, vor den Augen der ganzen Leute hier, zog sie mich einfach an der Hand den Gang entlang.
Durch eine Tür kamen wir auf einen der Balkone, auf dem sie mich dann umarmte.
„Unser Prinz ist wohl ganz schön beliebt", erklang eine Stimme, Divina ließ mich sofort los und ich drehte mich zu Fiona um, die lächelte. Ich strich verlegen durch meine Haare.„Hallo, Caenen." Ich hätte mir ja denken können, wenn Divina hier war, die Fiona mit ihrer Gruppe geholfen hatte, musste Fiona auch hier sein.
„Hallo, Fiona." Sie stand mit verschränkten Armen an der Wand.
„Es ist gut euch zu sehen. Ich wollte schon schauen, ob alle Gruppen gut ankommen und angekommen sind." Fionas Gesicht wurde etwas ernster und auch Divina strahlte eine gewisse Niedergeschlagenheit aus.„Ja. Die, die wir retten konnten, sollten es alle schaffen." Ich nickte ernst.
„Ihr habt getan, was ihr konntet", sagte ich und Fiona seufzte.
„Ja aber ...", ihr Blick wanderte kurz zu Divina und es schien sie zu hemmen, das zu sagen, was sie wollte.
„Divina, könntest du ..." Sie verdrehte nur leicht die Augen und sagte:„Nachher muss ich dir noch etwas berichten." Sie sagte es so ernst, gewohnt war ich das von ihr keineswegs. Sie ging an mir vorbei, wieder hinein und hörte sie noch ein fröhliches Lied summen, bevor die Tür sich ganz hinter ihr schloss.
Fragend sah ich Fiona an.
„Ich kann mich nur immer noch nicht daran gewöhnen, dass Leute sterben", sagte sie und ich sah ihr an wie fertig es sie machte.Sie fühlte eine tiefe Verbundenheit mit ihren Kampfgefährten, hatte ein großes Herz. Sie konnte das Zögern anderer, das Leben kostete, nicht mitansehen und nahm dann lieber selbst die Zügel in die Hand. Bei ihr wusste ich, würde ich falsche Entscheidungen treffen, würde sie nicht tatenlos zusehen, sondern mir mal erst ordentlich den Kopf waschen.
Egal wer ich war, ob ich nun ein Prinz war oder nicht. Sie gab mir das Gefühl, nicht ein privilegierter Diktator zu sein, sondern ein Kampfgefährte, und sie würde mich nicht unterstützen, wenn ich so eine Person wäre. Niemals würde sie ein Blatt vor den Mund nehmen, vor meinem Vater sprang sie nicht, musste sie einem Befehl gehorchen, tat sie es meist mit zusammengebissenen Zähnen. Sie fand dieses alberene soziale System genauso blödsinnig. Leistungen, Fähigkeiten und Wille sollten zählen, nicht die Abstammung.
„Ich auch nicht", sagte ich und das Bild der toten Körper der Gefallenen erschien kurz vor mir.
„Wir sollten für sie eine kleine Trauerzeremonie abhalten", schlug ich vor.
„Auch wenn wir ihre Körper nicht in einer Zeremonie verbrennen konnten, sollten wir die Gefühle der anderen nicht außer Acht lassen."
„Ja, tut das", sagte sie.
„Es wird sie wissen lassen, dass ihr an sie denkt."
„Ja", meinte ich leise.
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Heavenly Heritage
FantasyDämonen treiben ihr Unwesen auf den Straßen der Küstenstadt Sheringham. Wer hält sie auf? Jene, die für den Schutz der Menschheit alles in Bewegung setzen, Jagd auf die Biester der Dämonenkönige machen und nicht selten selbst dafür mit dem Leben bez...