27: San Diego

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Ich wurde in dieses Leben hineingeboren. Von Anfang an war klar, ich würde mal eine Spionin werden. Das war halt vorprogrammiert. Vom Schicksal so festgelegt, dass meine Eltern in diesem Bereich tätig waren und ich in ihre Fußstapfen treten würde.
Allerdings realisierte ich das erst, als ich mit der Ausbildung begann. Die Grundschule war nur dazu da, um uns zu testen, ob wir überhaupt geeignet waren und uns mit den einfachen Basis-Sachen vertraut zu machen. Als ich dann aber aufs Internat kam, da wusste ich, dass es kein Zurück mehr gab. Ich würde Agentin werden. Mein ganzes Leben würde ich Missionen ausführen und versuchen, die andere Seite an ihren Vorgehen zu stoppen.

Mir wurde beigebracht, dass die andere Seite böse war. Sie war anders, ja, aber war sie wirklich durch und durch böse? Natürlich hatten sie viele andere Ansichten als wir und auch ihre Methoden schienen grausam und brutaler zu sein, aber es waren auch nur Menschen. Wir genauso. Wir fühlten Hass und Wut und auch wir wünschten uns bestimmte Menschen tot zu sehen, selbst Familienmitglieder. Wir brachten Menschen um, wir verhörten sie auf bestimmte Art und Weisen und hielten sie gefangen. Wir redeten unserem schlechten Gewissen ein, dass diese Menschen es verdient hätten und sie von der anderen Seite waren. Doch hieß das wirklich gleich, dass das fair wäre?

Sobald Agenten von unserer Seite gefangen genommen oder umgebracht wurden, schritten wir ein und holten sie uns zurück. Dabei war egal, ob man die anderen verletzte oder sie sogar umbrachte. Man legitimierte dies damit, dass sie ja angefangen hatten.

Als das mit Gaia passiert war, war ich am Boden zerstört. Noch immer tat es mir unheimlich Leid, was ich getan hatte und ich würde es mir nicht verzeihen können. Im Leben nicht.
Ich hatte eine unbändige Wut auf Marianna und ich wollte sie umbringen; diese Meinung sagte ich offen und ich stand dazu, denn es war die verdammte Wahrheit. Aber Gaia war unschuldig gewesen. Ich hatte einer Unschuldigen das Leben genommen und das könnte ich mir nie verziehen.

Anstatt mir helfen zu lassen, hatte ich alle von mir weggestoßen. Meine Freunde, die Einzigen, denen ich vertrauen konnte. Ich war dumm und wusste nicht, was ich da eigentlich anrichtete. Ich schadete nicht nur mir, sondern auch ihnen.
Stattdessen hatte ich auf eine Fremde gehört. Auf jemanden, der mich gar nicht kannte. Der meine Freunde nicht kannte. Nola Pascual, die Psychologin, welche mich für eine lange Zeit behandelte, hatte keine Ahnung. Sie redete mir viel ein, wusste aber nichts. Sie wollte, dass ich mich von meinen Freunden trennte. Sie meinte, sie wären nicht gut für mich und dass ich nicht schuld daran war, dass Gaia nun nicht mehr unter uns war. Ich hatte ihr lange zugehört. Viel zu lange. Doch ich hatte Glück und wurde rechtzeitig zurück auf den Boden der Tatsachen geholt. Es war in keinem Fall die Schuld meiner Freunde. Ich hatte abgedrückt und Marianna hatte Gaia in de Weg geschubst.

Heute drehten wir eine Runde in San Diego. Es war sehr warm und ich bekam langsam Durst. Mit Flavia und Teresa holte ich mir einen Smoothie und wir setzten uns auf eine Bank, welche in der Fußgängerzone immer in circa 50 Metern Abstand standen. Ich sah die Jungs zwei Bänke weiter. Da wir Mädels wieder etwas Zeit alleine verbringen wollten, konnten wir die Jungs dazu überreden, uns nur aus der Ferne zu beobachten.

Ich hatte meine Beine von mir gestreckt und stach nachdenklich mit meinem Strohhalm im Becher herum. Ab und zu trank ich einen Schluck, doch immer war ich in Gedanken bei dieser Psychologin. Flavia und Teresa unterhielten sich über irgendetwas, doch ich hatte nicht mitbekommen, worüber.

"Pst, Alex", hörte ich dann plötzlich und drehte meinen Kopf leicht nach rechts, wo Flavia saß.
"Was?", fragte ich und es klang unbeabsichtigt ein wenig patzig.
"Ich weiß zwar nicht, worüber du dir den Kopf zerbrichst, aber du bist auf jeden Fall unaufmerksam." Verwirrt runzelte ich meine Stirn. Ich hatte keine Ahnung, wovon sie redete. 
"Du wirst schon die ganze Zeit beobachtet", erklärte Teresa mir. "Auf zwei Uhr deiner Zeit." Unauffällig schielte ich zur Seite. Tatsächlich, ein Typ saß mit zwei von seinen Kumpels auf der Bank gegenüber unseren Jungs; und er sah genau in meine Richtung. Dabei hatte er ein sympathisches Grinsen aufgesetzt.

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