30: Ein klärendes Gespräch

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Ich saß auf dem Bett. Mein Blick war starr nach unten gerichtet. Ich wollte niemanden sehen. Ich wollte niemanden in die Augen sehen. Diese mitleidigen Blicke konnten sie sich sparen. Es half doch alles nichts!

Marianna war schon immer ein Teil meines Lebens gewesen. Sie war schon immer präsent gewesen. Sie hatte mich genervt, geärgert, gedemütigt, gefoltert und verarscht. Ich wollte sie aus meinem Leben haben. Ich wollte sie endlich tot sehen. Doch wie sollte ich das bitte schaffen, wenn ich nicht einmal damit klar kam, ihr einen Arm gebrochen zu haben? Das alles, was sie mir mein ganzes Leben lang schon angetan hatte...da war so ein gebrochener Arm doch bloß der Anfang.

Anfang. Ja. Es war nur ein Anfang. Der Anfang, der alles beenden würde. Ich würde Marianna noch aus meinem Leben nehmen. Mir egal, wie das geschah. Ich tat es gerne selbst.

Und da war es wieder. Dieser Moment. Dieser Moment, indem man realisierte, dass man eigentlich zu den Guten gehörte.

Ich glaubte nicht mehr daran. Man konnte die Menschheit nicht in Gut und Böse aufteilen. Wir trugen alle ein Stück des Bösen in uns und auch wenn es einige äußerlich nicht zeigten, innerlich konnte es ganz anders aussehen. Jeder hatte schonmal fiese Gedanken gehabt, absichtlich oder nicht, es bewies, dass wir alle gleich waren. Wir beurteilten und verurteilten, bevor wir überhaupt diese Personen kennenlernten.

Was mir aber auch immer durch den Kopf ging war, dass Marianna mir dieses Mal nichts getan hatte.  Zumindest nichts, was zu ihr passte. Sie hätte mich locker umbringen können, schließlich waren wir alleine in diesem engen Fahrstuhl. Ich fand es schon erstaunlich, wie sie es überhaupt hineingeschafft hatte.
Trotzdem, sie war anders als sonst. Sie war nicht durch und durch darauf besessen, mich umzubringen. Irgendwas hatte sie davon abgehalten.
Mauro! Er hatte doch auch behauptet, dass er mich nicht umbringen könnte, auch wenn er es noch so gerne wollte. Moment mal...hieß das etwa, dass Marianna und Mauro möglicherweise unter einer Decke steckten?

Nun hob ich meinen Kopf und sah sofort meine Freunde, welche verteilt im Zimmer standen. Sie waren alle in ihre eigenen Gedanken versunken, dennoch hatten einige einen mitleidigen Blick aufgesetzt und sahen mich erleichtert an, als ich sie ansah.

"Spart euch das Mitleidsgetue, dass bringt mir nichts", sagte ich leise. Mein Hals tat noch etwas weh und ich wollte sehen, wie ich aussah. Vorsichtig stand ich auf und ging ins Bad. Vor dem Spiegel machte ich Halt und betrachtete mich. Ich sah fertig aus. Erschöpft und schwach. Was Marianna mir angetan hatte, konnte man deutlich sehen. Wieder schoss mir ein Gedanke durch den Kopf. Sie hatte sich kaum gewehrt, als ich dabei war, ihr den Arm zu brechen. Klar, sie befand sich in einer ziemlich kritischen Position, aber es war Marianna. Sie hatte im Verhältnis zu normalerweise echt wenig dafür gekämpft, um frei zu kommen.

Ich machte den Wasserhahn an und hielt dann meine Hände unter das eiskalte Wasser. Dann klatschte ich mir dies ins Gesicht und wiederholte das ganze ein paar Mal, bis ich mich wacher und besser fühlte. Mit nassem Gesicht sah ich wieder in den Spiegel. Meine grünen Augen waren genauso matt, wie die meiner Mutter auf dem Video, welches uns zugeschickt wurde. Marianna meinte, sie würden ihre Testobjekte werden. Für ihr komisches Geheimprojekt. Vielleicht bedeutet dies, ich würde sie nie wieder sehen?

"Alex?" Auf einmal tauchte Flavia im Türrahmen auf und sah mich lieb an. Kurz schloss ich meine Augen und atmete ein paar Mal tief ein und aus. Dann trocknete ich mir mein Gesicht an dem Handtuch neben dem Waschbecken ab und sah zu meiner besten Freundin. Leicht lächelte ich sie an.
"Wir haben noch einiges zu tun", meinte ich und ging auf sie zu. Als ich an ihr vorbei gehen wollte, legte sie plötzlich ihre Arme um mich und drückte fest zu.
"Ich hatte Angst, sie würde dir etwas Schlimmes antun!", sagte sie und ich seufzte. Sanft erwiderte ich ihre Umarmung.
"Ich auch. Und genau das ist es ja, was mich wundert." Sie löste sich von mir und hatte ein Fragezeichen im Gesicht. Auch die anderen sahen mich nun verwirrt an.

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