Zu spät

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Mit rasendem Herzen wandte Mia langsam ihren Kopf zur Seite, fürchtete bereits den Blick, der unnachgiebig und starr auf ihr und Karma lag, der bei ihrer Bewegung seine Hand aus ihrem Haar entfernte. Ein Stechen machte sich in ihrer Brust breit und sie hatte augenblicklich das Gefühl sich vor Angst übergeben zu müssen, als sie das Violett ihres Freundes sah. Es sah gebrochen und dunkel aus, von Zorn und Schmerzen erfüllt, so hatte er seiner Freundin zugesehen, wie sie sich dem Kuss des Rothaarigen entgegen gelehnt hatte und war sich sicher, dass er dieses Bild nie wieder vergessen könnte. ,,Ich hatte es wissen müssen.'' Das war der Satz, der Mia aus ihrem Schockzustand herausbrachte und realisieren ließ, was sie soeben verloren hatte, auch wenn sie gleichzeitig vieles gewonnen hatte. Während ihr Verstand bis gerade eben noch leer war, tobten mit einem Mal wieder tausende Gedanken in ihrem Kopf, als sie dabei zu sah, wie ihr nun ehemals Freund die Fäuste ballte und mit erhobenen Schulter den Rücktritt antrat. Hecktisch schrie sie ihm hinterher, wandte sich aus Karmas Armen und seinem Schoß. ,,Nein! Shuu, warte!'' Sie sprang von dem Rothaarigen auf, der sie ohne weiteres gehen ließ und zu sah, wie sie die ersten paar Schritte versuchte zu machen, über ihre eigenen Füße stolperte und versuchte ihr Gleichgewicht zu finden. Dann rannte sie los, so war der Blonde zornig um einiges schneller. ,,Shuu! Bitte, warte!'' Doch erst als sie ihn erreichte und sein Hemd ergriff wirbelte der Blonde herum und warf ihr einen giftigen Blick zu, der bei weitem Angst erregender war, als der seines Vaters. Sie zuckte heftig unter seinem Starren zusammen, so hatte sie sich noch nie so tot wie in dem Moment gefühlt, in dem ihr eigener nun Ex-Freund ihr visuell den Tod wünschte. ,,Ich hatte es wissen müssen. Ich hätte dir den Kontakt zu Akabane verbieten sollen. Aber vermutlich hätte dich das auch nicht aufgehalten.'' Seine Worte trafen sie wie ein Schwert, das ihren Hals entzwei schlug, ebenso wie ihr Herz. Sie wusste, dass sie nicht schuld war und doch fühlte sie sich wie eine Betrügerin, denn sie hatte den Kuss deutlich mehr genossen, als sie zugeben wollte. ,,Shuu, es war nicht das, was du denkst.'', ,,Also hast du ihn nicht geküsst? Du saßst nicht auf seinem verdammten Schoß und hast dich ihm hingegeben? Hast es kein bisschen genossen, so wie ihr euch danach angesehen habt? Dabei dachte ich, du würdest nur mich so ansehen.'' Mia öffnete einen Spalt breit ihren Mund, doch es formten sich keine Worte, so drängten sie sich alle gegenseitig in der Eile weg und kein klarer Gedanke konnte gefasst werden. Wie viel hatte er gesehen? ,,Ich kann es dir-'', ,,Wir hatten abgemacht, dass wir uns um drei unten treffen. Eine Stunde später bist du noch immer nicht aufgetaucht und ich habe mir Sorgen gemacht. Wolltest du, dass ich das sehe oder hast du einfach die Zeit mit ihm vergessen?'' Mia schüttelte schockiert den Kopf. Sie hatte das Versprechen von vor wenigen Stunden total vergessen, so hatte sie noch den anderen beim Training zugesehen und hatte sich mit Isogai und Maehara unterhalten. Ihr war die Zeit durch die Finger geflossen. ,,Nein, Shuu, so ist es nicht.'', ,,Wie lange läuft das schon zwischen euch?'' Ihr war speiübel, so hatte Gakushuu alles in den falschen Hals bekommen und vor lauter Panik konnte Mia nicht einen klaren Gedanken fassen. Würde er ihr zuhören, wenn sie es irgendwie gekonnt hätte? Sie musste klarer denken, doch mit jedem Satz stach das Messer immer öfter und härter zu, ließ sie taub werden. ,,Da läuft nichts und es war nicht so wie du denkst. Ich kann es dir erklären.'', ,,Ich bin gespannt.'' Sie öffnete bereits entschlossen den Mund, hatte alles herausschreien wollen, damit er ihre Lage verstand und ihr verzeihen konnte, sodass alles wieder gut werden würde. Alles wollte sie erklären. Ihre emotionale Störung die durch etwas hervorgerufen wurde, von dem Mia noch nicht ganz sicher war, ob es wirklich so war. Aber dennoch hatte sie nichts, was sie ihm sagen konnte. Ihr Blick wandte sich zu dem nun hockenden Rothaarigen um, der nur etwas den Kopf neigte, ihr damit signalisierte, dass sie entscheiden müsse, was sie tun wollte. Sie hatte die Wahl: sie nahm ihre Klasse, sowie ihre Teil-Lehrer in den Schutz, bewahrte das Staatsgeheimnis, auf dem einiges an Geld lag und verlor die Beziehung zu Gakushuu. Oder aber sie erzählte ihm alles und hatte eine höhere Chance auf eine Versöhnung. Als sie wieder zu dem Blonden sah versuchte sie für eine Antwort anzusetzen, doch ihr Mund schloss sich wie automatisch, langsam, entschied somit kein Wort heraus zu lassen. ,,Tch.'', machte ihr Gegenüber und wandte sich wieder um, weshalb Mia erneut die Panik überfiel. Sie griff augenblicklich nach seinem Hemd, um ihn zum stehen bleiben zu bringen. ,,Shuu, ich kann es dir erklären. Nur noch nicht jetzt, du musst mir nur vertr-'', ,,Vertrauen?!'', schrie er ihr entgegen und schlug ihre Hand brutal von sich, während sein funkelndes Lila wieder in ihre Augen sah. ,,Das hast du mir immer und immer wieder, seitdem wir uns kennen, gesagt und was hat es mir bisher gebracht? Ich habe gesehen, wie meine eigene ach so vertrauenswürdige Freundin einen anderen küsst. Ich weiß gar nichts über dich und das auch nur, weil ich dir tatsächlich geglaubt habe. Und jetzt liegst du hier mit dem da und versuchst mich mit diesen Worten zu besänftigen.'' Mia schüttelte erneut den Kopf, so war es einer der wenigen Gesten, die sie kontrollieren konnte. Ihre gesamte Welt brach mit jedem Wort immer mehr zusammen. ,,Vielleicht war ich damals tatsächlich richtig in der Annahme, dass du es magst von zwei Seiten begattet zu werden oder bist du nur hinter dem Status wie jede andere her?'' Das brach Mia letzten Endes das Herz komplett und das Blut sickerte unnachgiebig und dunkelrot aus den Stichwunden hinaus, lähmte Mias Sinne. Damals hatte der Streit wegen Karma seinen Höhepunkt gefunden und auch jetzt war ihm der Rothaarige in der Beziehung zur Schwarzhaarigen in die Quere gekommen. Mia wusste nicht was sie tun sollte. Ihr nun Ex-Freund dachte, sie sei eine Hure und noch dazu konnte sie es ihm nicht verübeln. ,,Asano, du solltest ihr glauben. Sie hat nicht mich geküsst, ich habe sie geküsst.'' Mia schloss gequält die Augen und ließ den Kopf hängen, als sie Karmas Stimme nun hinter sich wahrnahm. Das Blut ihres Herzens quillte mit jedem Schlag immer dunkler und dicker hinaus. Als sie die Augen wieder kurzzeitig öffnete, galt all der Hass in den violetten Augen nur dem Rothaarigen. ,,Und du, Akabane. Von dir habe ich besseres erwartet, aber es war dumm von mir so zu denken. Mia passt wohl besser zu dir, als ich zugeben wollte.'' Karma schien unbeirrt, als er sich neben Mia stellte, die nun zwischen den Jungs hin und her sah. Was konnte sie tun? Sollte sie überhaupt etwas tun? ,,Zumindest passt sie besser zu mir, wenn du ihr nicht einmal Glauben schenken willst, nachdem ich zugegeben habe, dass ich derjenige war, der den Kuss gestartet hat.'' Die Spannung in der Luft war einen Hauch davon entfernt zu brechen, so hatte sie noch nie derart tiefe Falten in Gakushuus Gesicht gesehen, der nun auf Karma zu trat, die Zähne dabei fletschend. ,,Glauben schenken? Einer Hure und jemandem, der sich an der Freundin eines anderen ergreift?'' Schockiert zuckte Mia zusammen, als Gakushuus Faust in rasender Geschwindigkeit mit Karmas Kinn kollidierte, sodass ein lautes Geräusch in den Ohren der Schwarzhaarigen vibrierte. Das rote Haar flog, ebenso wie ein Spritzer Blut, als Karmas Kopf zur Seite gerissen wurde, dieser sich aber keinen Schritt nach hinten bewegte. Das Geräusch, als Gakushuus Faust mit Karmas Kinn kollidierte, betäubte ihre Ohren für einen Moment. Er hätte ihm den Kiefer brechen können. Doch der Rote sah nur zornig mit halb geschlossenen Lidern und Blut an der Lippe zum Blonden, machte allerdings keine Anstalten eine Prügelei zu starten, da er sich seiner Schuld bewusst war. Er hatte den Schlag verdient, dennoch konnte er das Kratzen in seiner Brust nicht ganz so leicht ignorieren, so tat er es lediglich für Mias Wohlbefinden. Mia hingegen versuchte es erneut und fasste dem Blonden sanft an den Oberarm. Doch in dem Moment der Berührung feuerte seine Hand auf Mia los, so hatte die Schwarzhaarige kurz befürchtet, dass er sie nun auch schlagen würde, bekam dieser stattdessen nur ihre Kette am Hals zu fassen, zog das Mädchen ruckartig an selbiger zu sich heran, sodass seine Nase aggressiv gegen ihre drückte. Das Violett seiner Augen hatte ihr noch nie derart Angst bereitet, das sie eine Gänsehaut bekam und ihr Herz immer mehr zu rasen begann. Der Herzschmerz war unerträglich, so sah sie alles verschwommen außer sein Violett. Das Silber der Kette schnitt in ihr zartes Fleisch, doch kein Schmerz war im Vergleich zu ihrem Herzschmerz groß genug, um ihr wirklich zu schaden. ,,Ich will dich nie wieder sehen.'', kam es giftig vom Blonden und Mia schluckte schwer. ,,Shuu..'' Sein Spitzname schien nur noch mehr Holz ins Feuer zu werfen, als dieser wieder mit den Zähnen zu knirschen begann, so wurde seine Stimme auch um einiges dunkler und einschüchternder, wie er langsam und deutlich zu ihr hinab redete. ,,Und nenn mich nicht Shuu.'' Er schubste Mia nach hinten, riss ihr mit dieser Geste gewaltvoll die Kette vom Hals noch bevor das Mädchen gegen Karma knallte, der sie auffing. Ihm lief mittlerweile das Blut am Kinn und etwas den Hals hinunter. Mit einem letzten drohenden Blick sah Gakushuu in Mias Augen, so weiteten sich kurz und unmerklich seine eigenen, als er das penetrante Rot in ihrer Iris erkannte, doch wandte sich dann ohne weiteres von ihnen ab, um den Heimweg anzutreten. Erst als Gakushuu nicht mehr zu sehen war löste sich Mia schwach von Karma und sah aus, als wolle sie ihm hinterher laufen. Doch sie beließ es bei einem Schritt.

Just let go.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt